Monats-Archiv August, 2012

Auf der Suche nach dem Stoff zum Kochen

Jetzt liegen wir schon seit Samstag hier und so wirklich viel geschafft haben wir irgendwie nicht. Manana ist das gefluegelte Wort an Bord unseres Schiffes :-)…Immerhin haben wir mit unseren neuen Segel-Bekannten, Ralf und Inge von der “Malwieder” am Sonntag die Tall-Ship-Race Teilnehmer angeschaut,

Ein kleiner Teil der Tall-Ship-Racing Flotte

Ein kleiner Teil der Tall-Ship-Racing Flotte

sind durch Teile der Stadt gebummelt, haben die alte Markthalle und den Rathausplatz gefunden, sind ungezaehlte Stufen einer der vielen Treppen zur Altstadt hinauf gestiefelt,

Stairway to Heaven or to Hell?? Auf jeden Fall zur Altstadt

Stairway to Heaven or to Hell?? Auf jeden Fall zur Altstadt

 haben ein Feuerwerk bewundern duerfen, die Auslaufparade der Tall-Ship Regatta mehr oder weniger verpasst (weil Montag in aller Herrgotts-Fruehe im Regen stattfindend), und hatten schon einige nette Begegnungen mit Einheimischen und anderen Seglern.Gestern war unter-Deck-bleiben angesagt. Immer wieder regnete es  So kamen der SVB-Katalog, das Internet und der Staubsauger zum Einsatz. Werner versuchte noch die Ankerwinsch zur vollen Einsatzfaehigkeit zu ueberreden. Leider vergeblich. Und ganz wichtig: wir haben Fluege fuer unseren ersten Trip nach Hause gebucht! Allein das war schon eine Abendfuellende Taetigkeit! Beim naechsten Mal wird es schneller gehen, weiss ich doch, auf was ich achten muss.

Doch heute schwingen wir uns tatsaechlich noch vor High-Noon auf die unterm Bette muehevoll hervor gekramten Faltraeder. Auf dem Gepaecktraeger die leere Gasbuddel. Die soll gefuellt werden. Erste Anlaufstelle ist die Nachbar-Marina. Dort liegt die „Wind of Change“, die wir bereits auf Guernsey kennen gelernt haben. Werner bruellt sich die Lunge platt, doch keine Reaktion auf dem Schiff. Dafuer bleibt ein Spanier am Tor zu den Stegen stehen, guckt uns an und meint: „Werner und Elke, richtig?“ Wir gucken etwas konsterniert….kennen uns die hier jetzt auch schon????? Nein, der braun gebrannte Mensch unter dem Baseball-Cap und dem 5-Tage-Bart ist Dieter, der Eigner der Wind of Change! Wir also mit aufs Schiff, Kaffee trinken, Kloenschnack ueber dit und dat, Boot gucken (find ich immer extrem toll). Seine Frau Heike kommt dazu. Die Zeit verfliegt wieder mal viel zu schnell und wir beschliessen, gemeinsam die Tapa-Bars zu erobern. Einige davon haben die beiden schon kennen und lieben gelernt. Hat heute frueh Werner noch etwas gedraengelt, weil ich wieder stundenlang vor meinem geliebten Klapperkasten sass, so draengele ich jetzt. Schliesslich soll die Gasflaschen-Aktion heute ja moeglichst erfolgreich zu Ende gebracht werden. Also schwingen wir uns wieder auf die Raeder. A Coruna ist eindeutig mehr auf Fussgaenger und vor allem: Autofahrer ausgegelegt. Radwege sucht man hier weitgehend vergebens und wenn, dann werden sie von Fussgaengern bevoelkert. Ich kann mich dunkel dran erinnern, dass wir da auch drauf lang gelaufen sind am Sonntag….aehem. Naja!

Erste Anlaufstelle ist das Headoffice der hiesigen Gas-Firma. Dort gibt man uns eine nette Zeichnung. Darauf zu sehen ist die ellenlange und 4-spurige Avenida Alcalde Alfonso, der Hinweis auf den Carrefour, auf einen Kreisel und dann eine imaginaere Strasse ohne Namen, in der die Gasfuellstation liegen soll. Weitere Adressangaben: weit gefehlt. Alfonsos Avenida fuehrt Richtung Flughafen bzw. zur Autobahn. Also extrem Fahrrad-geeignet. Immerhin gibt es eine breite Stand- bzw. Parkspur auf jeder Seite, die gerne auch von Fussgaengern genutzt wird.

Man hupt uns einige Male froehlich winkend zu. Entgegen meiner Erwartungen (ja ich bin ein kleiner Hasenfuss, da steh ich zu!) haelt aber kein Polizeiauto und klaert uns daruber auf, dass wir da nicht fahren duerfen. Bzw. schieben, denn das mache ich des oefteren. Werner meint spaeter, ich waere zu Fuss mit der Handkarre mindestens genauso schnell gewesen wie mit dem Fahrrad…..versteh gar nicht, wie der darauf kommt.

Nach fuenf mal Rueckfragen bei Passanten und erstaunten Blicken ernten kommt der Carrefour in Sicht! Echt lauschige Ecke hier: hohe Wohnblocks, dazwischen vereinzelt schoene alte Haeuser, die breite und gut befahrene Strasse, Auf- und Abfahrten….mein Mann spult wieder das volle Unterhaltungsprogramm fuer mich ab. Nach dem Carrefour biegen wir brav rechts ab und der erste Kreisel ist unser. Leider erklaert uns der naechste Passant, das wir einen Kreisel zu frueh abgebogen sind und wir noch ca. 3 oder 4 oder vielleicht mehr Kilometer weiter und dann rechts muessten. Hmpf, auf der Zeichnung geht es klar nach links. Egal, erst mal weiter. Es sind etwas weniger Autos hier unterwegs. Wir huepfen immer wieder ueber irgendwelche Abfahrten, immer gibt es aber Fussgaengerueberwege! Dann schlagen wir uns auf einem kleinen Feldweg weiter. Der fuehrt aber irgendwie undurchschaubar zwischen Wohnhaeuser weiter und wir orientieren uns wieder an der Strasse, schieben die Raeder durch riesige Graeser (die wir in Deutschland fuer teuer Geld im Botanik-Laden erwerben und muehevoll durchs Jahr paeppeln muessen) die eine betonierte Wasserablauf-Rinne ueberwuchern und landen wieder an einer 4-spurigen Strasse. Ein 2. Abstecher auf einen Feldweg bringt uns an einige Wohnhaeuser. Tolle Wohnlage hier, so mit Blick auf die Strasse und das naechste Industriegebiet bzw. die Baustelle eines solchen und gut bewacht durch einen deutschen Schaeferhund. Eine aeltere Dame und ein Herr stehen vor einem Haus und schwatzen ein wenig. Wir stoeren die Beiden mit unserer unerbittlichen Frage nach der Gasfuellstation. Senora schwingt kurz entschlossen den Gehstock, offenbart uns dass sie etwas Englisch spricht, 7 Jahre in England in einem Hotel gearbeitet hat und die Englaender liebt. Sie begleitet uns unter staendigen Wiederholungen ihres Lobliedes auf England und seine Bewohner bis kurz vor die Gas-Firma, zeigt uns unterwegs ihr eigenes Haus (ebenfalls gut bewacht vom bellenden Schaeferhund) und ueberlaesst uns 10 Meter vorm Ziel mit Traenen in den Augen unserem weiteren Schicksal. Aber nicht ohne uns beim queren der Strasse noch vor einem herannahenden Auto zu warnen und uns noch lange hinterher zu winken.  17:41 – wir sind am Ziel unserer „Begierden“!

Auf dem Firmenhof angekommen nimmt man uns die Gasbuddel ohne lange Rueckfragen ab und fuellt sie.Wir berappen etwas ueber 9€ dafuer und schwingen uns gegen 18 Uhr wieder auf die Raeder.

Gasbuddel-Transport

Gasbuddel-Transport

Am Kreisel wenden wir uns kurz entschlossen nach links, neue Wege warten auf uns! Mist, das geht hier ja auch bergauf….aber nicht lange, dann geht es runter.

Alt und vernachlaessigt

Alt und vernachlaessigt

Und tatsaechlich bringen wir bald schon Stadtplan und Realitaet in Einklang: Corte d’Ingles und die Busstation sind einfach unuebersehbar und auch in der Karte vermerkt. Verhaeltnismaessig schnell sind wir am richtigen Hafen. In einer der vielfaeltig vorhandenen und beeindruckend schoen angelegten Gruenanlagen werden Verkaufsstaende eingeraeumt. Das Angebot besteht ausschliesslich aus Buechern!!! Dahinter findet auf einer Buehne eine Bandprobe statt, Kinder toben auf den schoenen Spielplaetzen, aus diversen Fressbuden weht ein verlockender Geruch herueber. Aber wir eilen weiter. Sind fix und platt und verschieben den Besuch der Tapa-Bars auf morgen.

 

Bujecher, Buecher, Buecher

Bujecher, Buecher, Buecher

Mittlerweile hat der Wind aufgedreht, wir messen hier im Hafen – in der geschuetzten Bucht – schon 6-7 Bft. Unser Schiff wirft sich ordentlich in die Leinen wenn eine Boe durchgeht und wir legen vorsichtshalber noch mal 2 Leinen dazu. Und heute gehe ich mal frueher in die Koje, mit meinem spannenden Krimi :-)…oder ich schreibe noch etwas in mein manuelles Tagebuch….mal sehen.

Ach ja: und wir haben heute entschieden, dass wir noch um 2 Tage verlaengern. D.h. konkret, wir werden A Coruna erst am Samstag verlassen. Dann sollen Wind und Welle wieder nett sein, so sagt Meteofrance. Und die haben sich mit ihrer Biskaya-Vorhersage mein Vertrauen erworben!

Ein Platz der Kuenstler, Satiriker, Komiker, Schriftsteller

Ein Platz der Kuenstler, Satiriker, Komiker, Schriftsteller

Von Brest nach La Coruna

Mittwoch, 08. August - Werner beobachtet mich an diesem Morgen und gesteht mir spaeter in Spanien, das ich an diesem Morgen den Eindruck gemacht haette, lieber noch nicht los zu fahren. Ich gestehe: da war schon einiges an Bammel im Spiel bei mir. Aber nach allen Wetterberichten (den offiziellen und den ganz privaten) war mir klar: einen besseren Zeitpunkt gibt es in den naechsten Tagen vielleicht so schnell nicht noch einmal. Fuer mindestens 2 Tage ist Wind aus N-NE der Staerken 3-5 vorhersagt. Ab Freitag soll er dann auf S-SW drehen. Das waere alles ideal. Wozu also zoegern?

Unter Segel vorm Wind auf der Biskaya

Unter Segel vorm Wind auf der Biskaya

 

 

 

 

 

 

Um 10:30 fahren wir los, das ist stroemungstechnisch eine guenstige Zeit sagt mein stroemungs-erfahrener Skipper. Beschaeftigung lenkt bekanntlich ab und zu tun ist genug vor der Abfahrt. Also Leinen los und ab. Diesmal ist die Hafenausfahrt wirklich so eng, dass wir das Grosssegel erst in der Bucht setzen. Die Sonne scheint, es ist Ferienzeit in Frankreich und dementsprechend viele „Sunny-Sailor“ sind unterwegs. In Bikini und mit Sonnenbrille bewaffnet sitzen die Damen da an Deck. Wir stehen in Segelhosen und mit dicken Fleece-Pullovern „bewaffnet“ hinterm Ruder. Mit Motor und dicht gesetztem Gross geht es durch die Bucht von Brest. Dann sind wir draussen und gehen auf einen anderen Kurs, setzen die Genua dazu. Kurze Zeit spaeter ist der Motor aus – wir segeln!

Da strahlt er mit dem Himmel um die Wette

Da strahlt er mit dem Himmel um die Wette

 

 

Von Backbord „winkt“ uns der Leuchtturmwaerter vom Ar-Men zu, das ist das letzte, was wir von Frankreiche sehen….nein, da steht natuerlich keiner, der uns winkt! Vor uns liegt viel blaues Wasser – die Biskaya oder wie die Franzosen dieses Gewaesser auch nennen: der Golf du Gascogne!

Die letzten Felsen der Bucht von Brest - dahinter erwartet uns die Biskaya

Die letzten Felsen der Bucht von Brest - dahinter erwartet uns die Biskaya

 Unser erster Mehr-Tages-Toern mit Nachtfahrten steht vor uns und uns beschaeftigt erstmal nur die Frage, welches Segel wir setzen. Werner bereitet schon mal den nigelnagelneuen Gennaker vor. Der bleibt aber erstmal noch unter Deck. Der Wind legt auch brav etwas zu, Genua und Gross ziehen uns auch gut vorwaerts. Zu Beginn sind noch einige andere Boote mit uns unterwegs, doch das dividiert sich bald auseinander und wir verlieren uns in der Weite des Meeres. Die Welle ist total angenehm, sanft und lang gezogen. Und trotzdem ist jeder Gang unter Deck eine kleine Sporteinlage. Und unsere alte Holzschiffdame aechzt und stoehnt auch etwas. Sie hat es ja auch wahrlich nicht leicht mit uns. Moewen und Delphine sind jetzt unsere Begleiter. Gegen Abend kommt doch noch ein anderes Segelboot in Sicht. Auf dem AIS identifizieren wir sie als Segelyacht Anna-Lena. Die ganze Nacht segeln die beiden Schiffe Seite an Seite, immer wieder sehen wir das Toplicht der Anna-Lena mal etwas voraus, mal auf gleicher Hoehe, aber immer in gleicher Entfernung. Irgendwie auch beruhigend, zu wissen, da sind noch welche hier draussen. Aber das sagt uns ja auch das AIS: Fischer, Frachter tummeln sich um uns, sind aber nie sichtbar. Da wir vorm Wind segeln, muessen wir uns doch erstmal einen Bullenstander fuer den Grossbaum basteln. Gefuehlvolles Steuern ist trotzdem angesagt, sonst flapt unsere Genua unwillig hin und her – die haben wir naemlich nicht ausgebaumt. Bei dem Gewicht unseres Spinnakerbaumes ist uns das etwas zu riskant, der ist uns einfach zu unhandig.

 

 

Unser Gennaker ist ganz schoen raumfuellend!

Unser Gennaker ist ganz schoen raumfuellend!

Die Sonne geht spektakulaer unter und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich viel zu sehr mit Ruder-gehen und gucken beschaeftigt war, als das ich haette Fotos machen koennen :-( …. Wir haben uns eine dicke, bequeme Liegematte auf die Cockpitbank gelegt, 2 Fleeceschlafsaecke liegen ebenfalls parat. Immer abwechselnd legt sich einer von uns so schlafen. Das funktioniert ganz gut. Wir sind immer sofort standby, wenn irgendwas an der Segelstellung geaendert werden muss. Ich habe zwar das Gefuehl, nicht wirklich zu schlafen, aber Werner meint, meinem Grunzen nach zu urteilen, habe ich tief und fest geschlafen…. Wir lassen das mal so im Raum stehen. Ich steuere nach einem Stern und dem Wind, eine ganz neue Erfahrung. Immer wieder wird der Kurs auf dem Kompass kontrolliert, Werner stiefelt nach unten, nimmt unsere Position und sagt mir die zurueck gelegten Distanzen. So vergeht unsere erste Nacht auf See unerwartet ruhig und wir entspannen uns langsam etwas, koennen den Anblick der Sterne und des Mondes ueber uns geniessen. Das Zischen und Rauschen der Wellen, die uns leicht anheben, unter uns durch gehen und vor uns weiter laufen. Wenn das Schiff dann gut getrimmt ganz leicht auf dem Ruder liegt, das sind absolute Gluecksmomente und wohl die Momente, die uns immer in Erinnerung bleiben werden. Oder wenn man tagsueber den Delphinen bei ihren eleganten Spruengen zuschaut: Oder den Moewen, die unser Boot offenbar als Anflugpeilobjekt benutzen und sich in ihrem Element genauso elegant bewegen wie die Delphine. Dagegen fuehlen wir uns wie bleierne Enten.

Am naechsten Morgen ist Anna-Lena immer noch neben uns und Werner ruft sie per Funkgeraet. Wir bekommen auch Antwort, wechseln ein paar Worte. Kommend aus Rotterdam will die ebenfalls aus 2 Menschlein bestehende Crew ebenfalls nach La Coruna.  Kurze Zeit spaeter nimmt der Wind zu, wir rollen die ueber Nacht etwas verkleinerte Genua aus und kurze Zeit spaeter bleibt Anna-Lena zurueck und wird langsam kleiner und kleiner. Irgendwie schade, aber deshalb jetzt wieder die Bremse einlegen? Nee, kommt nicht in die Tuete! Der Tag vergeht mit Segelstellung dem jetzt etwas mehr aus Ost einfallenden Wind anpassen, Ruder gehen, Segeltrimm ausprobieren, Genua etwas einrollen wenn wir zu sehr anluven bzw. das Ruder schwer zu halten ist. Werner uebernimmt die Smutje-Aufgaben, muss allerdings weitgehend nur fuer sich selbst sorgen. Ich verweigere vorsichtshalber mal die Nahrung, ein Apfel und ein Schokoriegel in Kombination mit Ingwer-Tee und Wasser sind ausreichend. Die anfaenglich skeptischen Blicke weichen schnell. Am 2. Abend erwischt es mich dann doch noch: ich schaffe es gerade noch, einige Emails in das Netbook einzutippeln, dann ist alles zu spaet und ich hechte nach einem Zwischenstopp im Bad im Affenzahn Richtung Ruder. „Kannst Du bitte die Emails versenden, das schaff ich nicht“… Dicke Fragezeichen in Skippers Augen, aber er versteht schnell und folgt meinen Anweisungen, wie er die Emails versenden muss. Zum Glueck habe ich das jetzt so oft gemacht, dass ich ihm genau sagen kann, welcher Button wie aussieht, wo zu finden und wann zu druecken ist. Mein Magen beruhigt sich derweil relativ schnell wieder. Wenn nicht das Problem der schmerzenden Schultern, mueden Augen und dem nicht mehr wissen, wie man stehen/sitzen soll waere – ich koennte tagelang Ruder gehen :-)!

ICH war die ganze Zeit barfuss!!

Standardmontur waehrend dieser 3 Tage: warmer Pullover, teilweise auch noch eine Jacke -aber immer der Sonnenhut auf dem Kopf! Ach ja - fuer alle Interessierten: ICH war die ganze Zeit barfuss!!

 

 

 

 

 

 

Meine Nachtruhe wird von flappenden Segeln und einem rollenden Schiff unterbrochen. „Wir haben Nebel und der Wind ist weg“ bekomme ich die Auskunft. Ich gucke verwirrt, muss mich selbst erstmal orientieren. Ein Blick auf den Kompass: 330Grad…aeh, da wollten wir nicht hin glaube ich! „Wo faehrst Du denn hin??“ Du musst doch viel mehr nach Backbord. Werner legt das Ruder um und wieder zurueck, Schiff und Kompassanzeige eiern von einer Seite zur anderen. Schlagartig bin ich wach „Lass mich mal“ – ohne Widerworte bekomme ich das Ruder ueberlassen, brauche auch erstmal einen Moment und bekomme dann aber Kurs und Ruderstellung wieder in Einklang. Und guck, da ist auch wieder der Wind. Ist doch alles o.k. Werner hat einfach zu lange damit gewartet, mich zu wecken. Dazu die Nebelbank, das war wie ein Blindflug. Was ist man doch auf seine kaerglichen Sinnesorgane angewiesen. Wir sind beide froh, als der 3. Tag anbricht, wenn auch mit dicken grauen Wolken. Ganz im Sinne einer ausgewogenen Ernaehrung besteht mein Fruehstueck aus einem Apfel und Werner goennt sich die restlichen Gallettes mit rohem Schinken. Ein wirklich guter Duft zieht aus der Pantry Richtung Ruder, doch ich bleibe beinhart und kaue tapfer meinen Apfel. Dazu nen Ingwer-Tee…noch eine Woche auf See und ich passe wieder in Kleidergroesse 38…ach nee, die hatte ich ja noch nie :-)

Im Laufe des Tages dreht der Wind doch tatsaechlich auf S-SW. Das ficht uns aber weiter nicht an. Wir haben so gut vorgehalten Kursmaessig, dass wir uns jetzt gut einen Am-Wind-Kurs erlauben koennen, der nicht mehr so ganz unserem urspruenglichen Kurs entspricht. Bald sehen wir auch wieder Frachter am Horizont. Wieso geht das hier eigentlich bergauf?? Die Wasserflaeche vor uns sieht tatsaechlich so aus, als fuehren wir bergauf. Das war mir an der franzoesischen Kueste schon mal aufgefallen, scheint aber nicht immer der Fall zu sein. Ich doese wieder etwas vor mich hin. „Elke, wir muessen was mit dem Segel machen“ – „ja, komme“. Bis man sich aus so zwei duennen Schlafsaecken gewurschtelt, die Brille gefunden und auf die Nase gepflanzt hat, das dauert doch so ein, zwei Minuetchen. Mein Gott, schon wieder Nebel?? Nee, nur ein feiner Salzschleier auf den Brillenglaesern. Puh, der ist schnell weg gewischt. Tja, was machen wir denn nun? Der Wind hat weiter gedreht und ist auch noch weniger geworden. Wie weit ist es denn noch? 55sm teilt mir der Skipper mit. Die Entscheidung fuer den Start des Motors ist schnell gefallen. Bei Westwind hier noch lange rumdaddeln? Nee, jetzt wollen wir nur noch eines: Ankommen!!!!

Und doch kommt auch noch unsere 3. Nacht auf See. Langsam sehen wir die Lichter der Seezeichen und Leuchttuerme. Am Ufer sind auch die Lichter von Ortschaften auszumachen. Ein Fischerboot mit einem enorm hellen Hecklicht faehrt ebenfalls auf La Coruna zu, ist fast wie ein Wegweiser fuer uns. Wir hangeln uns an den Untiefentonnen vorbei, einige Kurswechsel sind noch zu machen. Mensch, das zieht sich ganz schoen.  Ich bin schon ganz ungeduldig und nerve Werner mit meiner staendigen Fragerei “wo ist denn nun diese Bucht, ist es vielleicht da drueben? Muessen wir nicht weiter rueber??” Er zeigt sich geduldig und gibt mir stur immer nur neue Kurse vor. Dann laufen wir an einem riesigen Seezeichen kurz vor  La Coruna vorbei. Ein auslaufender Frachter kommt uns entgegen, ist aber weit genug weg. Von der Stadt droehnt Musik herueber, da scheint ja richtig was los zu sein. Ein Schwenk nach Backbord, Richtung Ensenada de Mera. Werner lotst mich anhand der elektronischen Karte in die Ankerbucht. Da ruft doch tatsaechliche einer im Funkgeraet auf schoenstem Norddeutsch (o.k. fast): „Sailing Vessel Nadscha, Nadscha for Port Control Coruna….“ Wow, der meint tatsaechlich doch uns! Mist, ist in der Bucht kein Ankern mehr erlaubt?? Werner hechtet zur Funke und ich drehe vorsichtshalber noch mal einen Kringel vor der Bucht. Man weiss ja nie. Er wird nach dem woher, wohin gefragt, wieviel Personen wir an Bord sind. Werner erklaert, dass wir in der Bucht vor Anker gehen wollen, muede sind. Das kann der Herr am anderen Ende der Leitung nur allzu gut verstehen, heisst uns willkommen in La Coruna und wuenscht uns eine gute Nacht. Also Kringel zurueck und neuer Anlauf. Auf 10 Meter Wassertiefe wollen wir ein Stueck von zwei anderen Ankerliegern (die wir erst relativ spaet entdeckten, obwohl wir zu zweit nach solchen „Hindernissen“ Ausschau hielten!) den Anker fallen lassen. Ich druecke auf den Winsch-Schalter und es tut sich NIX!!! Nee, ne!! Was soll das denn jetzt?? Nochmal und nochmal. Aber der Schalter und somit auch die Winsch weigern sich hartnaeckig. Ob das letzte Anker-auf-Manoever auf Guernsey vielleicht doch zu viel war?? Egal, runter bekommen wir den Anker. Vorsichtshalber und entgegen unserer sonstigen Sicherheits-Vorsaetze gibt Werner nicht soviel Kette. 01:30 – wir liegen fest vor Anker in der Ensanada de Mera, beobachten unsere Position, essen noch Nudeln, koepfen eine Flasche Pro-Secco und sind einfach nur gluecklich und sehr sehr dankbar. Dankbar fuer eine Bilderbuch-Biskaya-Querung. Fuer einen tollen Wind, fuer eine aeusserst angenehme Welle, fuer besondere Momente, fuer alles, was wir in diesen 3 Tagen von unserem Schiff gelernt haben. Und dafuer, dass wir uns aufeinander verlassen koennen, dass jeder seine Staerken hat und wir uns so ideal ergaenzen.

Um 3 Uhr fallen wir in die Koje und werden von unserem Schiff ganz, ganz sanft in den Schlaf gewiegt.

Wir sind in Spanien! Und ihr alle seid mit uns ueber den Golf du Gascogne hierher gefahren, habt uns begleitet. Auch dafuer sind wir dankbar.

 

 

 Unsere Segel-Freunde waren in dieser Form und stellvertretend für alle nicht auf der Flagge abgedruckten mit an Bord. Wir hatten sie sorgsam im Vorschiff verstaut, damit sie die Reise auch unbeschadet überstehen und jetzt dürfen sie A Coruna anschauen!

 

 

 

 

 

 

 

 

Und stellvertretend für all “unsere” Kinder ist dieses Kissen mit an Bord, auf dem Marc & Tina zu sehen sind. Diese “beiden” haben die Reise im Achterschiff mitgemacht.

 

 

 

 

 

 Und da wir uns jetzt so richtig “on tour” fühlen, werden auch die Shirts, die wir von den Fussball-Freunden zum Abschied bekommen haben, endlich ausgeführt :-)
 

 

 

 

3. Tag Biskaya

Vorab zur Info:ein ausfuehrlicher Bericht ueber das, was da die letzen 3 Tage und 2 Naechte so alles los war, was wir empfunden und gefuehlt haben, der folgt noch sobald wir vor Anker liegen und ich das Laptop nicht mehr auf einem schwankenden Navitisch oder meinen Knien plazieren muss…was ich ehrlich gesagt gestern abend wortwoertlich “zum ko….” fand :-) Deshalb wurden meine gestrigen Emails auch etwas abrupt beendet und Fehler haben sich glaube ich auch eingeschlichen bei Zeit- und Distanzangaben. Aktuell laufen wir mit schwachem Westwind unter Motor Richtung La Coruna, von dem wir jetzt -19:09MESZ noch ca 40sm entfernt sind. Da wir wohl erst nach Mitternacht und somit im stockdunkeln dort ankommen werden(der Mond war letzte Nacht schon nur noch eine schmale Sichel und ging auch erst relativ spaet auf), wollen wir in einer Ankerbucht gegenueber von La Coruna - Ensenada de Mera - erstmal zur Ruhe kommen, ausschlafen und morgen wechseln wir dann nach La Coruna hinter den Wellenbrecher. Jetzt motoren wir nochmal ca. 2 Stunden und wollen dann die Bucht von La Coruna mit einem Kurs von 180? anlaufen. Das dann hoffentlich wieder unter Segel. Sofern der Wind nicht noch weniger wird. Bei 8 Knoten Wind haben wir keine grosse Lust, aufzukreuzen. Und ich glaube, unser Panzerkreuzer wuerde dabei auch mehr dem Modell “bleierne Ente” aehneln :-) Es geht uns gut, wir fuehlen uns wohl und: wir sind gluecklich und sehr dankbar, von dem Golf du Gascongne (auch meist als Biskaya bezeichnet) derart wohlwollend und nett behandelt worden zu sein. Denn auch heute konnten wir die meiste Zeit segeln und das vom Feinsten: bei idealem Wind Staerke 4, manchmal auch 5 mit leichtem Ruderdruck, ausgewogener Segelflaeche und -stellung, maessigen und auch noch mitlaufenden Wellen, blauer Himmel, blaues Meer - Segelmensch, was willst du mehr??!!!

2. Nacht auf der Biskaya

Unsere 2. Nacht auf der Biskaya hat begonnen. Wind aus Ost, Staerke 3-4, heute ueber Tag mehr 5 Bft. Unser erstes Etmal (d.h. die Strecke die wir in 24 Stunden gesegelt sind) betraegt 130sm. Das ist nicht berauschend, aber auch kein Grund zum klagen. Wir wechseln uns mit Ruder gehen ab, fuer die Kueche ist Werner zustaendig. Wobei sich mein Essensanteil auf Joghurt, Mars und dergleichen beschraenkt. Ich fasse mich jetzt hier auch kurz: es geht uns gut, wir haben blauen Himmel, Sonnenschein, die Biskaya ist immer noch freundlich zu uns. Auch wenn das steuern jetzt bei halbem Wind und Welle von backbordetwas schwerer faellt (unsere Windsteueranlage haben wir leider noch nicht zu unserer Zufriedenheit einstellen koennen, irgendwas machen wir falsch, da muss Peters Buch noch mal her). Jedenfalls hatten wir heute Bergfest und gegen 20:30 lagen 190 sm hinter uns, 160 sm (ca.) vor uns. Wir hoffen, dass wir morgen abend noch im letzten Tageslicht La Coruna erreichen. Die Anna-Lena aus Rotterdam, die letzte Nacht permanent in Sichtweite neben uns war und mit der wir auch Funkkontakt hatten, ist weit abgefallen. Fotos habe ich heute zwar gemacht, aber die werden nach gereicht, wenn das Schiff nicht mehr so hin und her geht :-)

Biskaya

47N43.813 005W36.186 1/6 der Biskaya haben wir nun nach 12 Stunden geschafft. Wir haben Wind aus NE, Staerke 3 vielleicht auch etwas mehr. So vorm Wind ist das ja relativ. Nachdem wir aus der Bucht von Brest bei Sommerwetter und Wind Staerke 1 raus motort sind, konnten wir Segel setzen und seit 13 Uhr laufen wir somit nur unter Segel. Unser Geschwindigkeit schwankt zwischen 4,5 und 6 Knoten. Jetzt gerade schaffen wir grade mal so 4,7.

Die Biskaya meint es gut mit uns, die Wellen laufen mit, das Schiff wird gleichmaessig hoch gehoben und nach vorne getragen, kein allzu grosses Rollen trotz Vorwindkurs. Auch die Wellenhoehe ist moderat. Heute Nacht soll der Wind zunehmen, aber weiterhin aus NE-E kommen. Wir hoffen sehr, dass die Windvorhersage bis Freitag so bleibt.

Da wir uns nicht zutrauen, den schweren Spinnakerbaum zu handeln, wird die Genua nicht ausgebaumt, das ist etwas anstrengend zu steuern so vorm Wind und geht halt auch aufs Material. Denn so punktgenau bekommt man das halt nicht immer hin. Jetzt unter Deck wird mir erst bewusst, was da fuer Kraefte agieren, wenn das Vorsegel einfaellt und dann wieder Wind bekommt. Laut AiS sind um uns herum mehrere Schiffe. Sehen koennen wir aber nur die Segelyacht “Anna-Lena”. Toll, was das AiS alles weiss :-) Was es aber nicht weiss, ist die Tatsache, dass um 20:30 wieder Delfine um unser Schiff herum gesprungen sind! Sowas sieht die Technik halt nicht. So, jetzt ruhe ich mich etwas von meinem Steuer-Job aus bevor ich dann wieder uebernehme. Bis jetzt klappt das ganz gut, mal sehen wie die Nacht wird. Wir haben uns eine bequeme Matte in die Plicht geholt und wollen abwechselnd darauf ruhen. Schlaf wird man das wohl kaum nennen koennen. Unsere erste Nacht auf See bricht nun also an….

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