Monats-Archiv Juni, 2019

Deltaville Impressionen

Bilder vom Wochenende

Wenn der Frosch Dich küsst ….

“Plopp”. Ein leises, sanftes Geräusch verbunden mit einer Bewegung. Direkt neben mir, auf meinem Kissen. Schlaftrunken registriert von mir. Wassertropfen von der Luke? Es hat ja stark geregnet, also nicht unwahrscheinlich. Meine etwas trägen Sinne melden: Wassertropfen fühlen sich aber anders an, die kennst du doch ziemlich gut. Ich greife nach links, erwische etwas kühles, feuchtes und wische es weg…… stop! Wassertropfen fühlen sich nicht so an und lassen sich auch nicht wegwischen!!!

Alarmstufe rot als der “Wassertropfen” mit einem weiteren Plopp auf meiner Bettdecke landet. Jetzt kommt Bewegung in die Sache, also in mich! Licht an, Brille auf, what the hell ist da in meiner Koje???? Nix zu sehen. Der Skipper beteiligt sich etwas unmotiviert an meiner Ursachensuche und tut das ganze als Hysterie und Einbildung ab. Ich leg mich wieder hin.

Keine 20 Minuten später landet wieder etwas auf mir, diesmal auf dem Oberarm. Wisch und weg, jetzt reicht es mir. Ich wandere aus in den Salon. Samt Decke und Kopfkissen. Kaum hab ich es mir gemütlich gemacht … na was wohl? Das nächste Plopp!!! Leicht panisch landet die Bettdecke im Cockpit und ich mache mich auf den Weg zurück in die vertraute Koje, zupfe die Ersatzdecke zu mir ran und lege mich zufrieden wieder aufs Ohr.

“Hörst Du das, da ist doch irgendwas im Schiff unterwegs???” Der Skipper hört es auch, aber Holzschiffe knarren nun mal. Nee, aber nicht so. 6 Jahre auf diesem Schiff und ich kenne alle Geräusche. Das hier ist neu, anders. Ratte, Maus, Schlange???? Nichts von alledem gehört zur Gattung “hätte ich gerne an Bord”.

Meine Selbstberuhigung “wird schon nix sein, du bildest dir das wirklich nur ein, langsam leidest Du an Verfolgungswahn” endet in dem Moment, als schon wieder etwas mit einem diesmal heftigeren “Plopp” auf meinem Kopfkissen landet!! Jetzt ist Flutlicht angesagt. Und tatsächlich: ein kleiner grüner Frosch hat es sich auf meinem Kissen bequem gemacht!

Unsere Beleuchtungsaktion vertreibt ihn Richtung Schranktüren. Langsam schiebt er sich die glatten Holzwände entlang und macht es sich auf dem Lesestrahler gemütlich. Fasziniert beobachtet von uns. Endlich schafft der beherzte Skipper es, ihm ein Glas überzustülpen. “Du hast ihm ein Bein eingeklemmt” !! Fast wie unser nächtlicher Besucher hüpfe ich durchs Bett wenn er mir zu nah kommt, aber Mitleid hab ich dann doch mit ihm ! Fröschlein schafft es noch einmal, zu entkommen. Der zweite Versuch gelingt besser und der grüne Hüpfer wird nach draussen befördert. Luken alle zu, nicht das er noch einmal rein kommt! Denn dem hat es in unserer Koje offensichtlich nur allzu gut  gefallen. Good bye mein Prinz, heute bleibst du ungeküsst….

So ähnlich sah unser nächtlicher Besuch aus. Gut, das er uns keine akustische Vorstellung gegeben hat!

So ähnlich sah unser nächtlicher Besuch aus. Gut, das er uns keine akustische Vorstellung gegeben hat!

Abendgedanken eines einsamen Schiffes

Der Wind heult sein schaurig-trauriges Lied in den Wanten. Nicht in meinen! Hier hinten, am Ende des Boatyards trommelt nur der Regen ein sanftes Lied auf die Kuchenbude, auf die Luken. Stockduster ist es um uns herum. Hierher verirrt sich noch nicht einmal das Licht der Strassenlaternen. Fallen klappern an den Masten anderer Boote. Bei uns ist es mucksmäuschenstill. Zu still. Meine Nachbarinnen und ich hüllen uns in Schweigen. Wir haben uns nichts zu sagen, hängen unseren Gedanken, Träumen nach. Träumen von vergangenen Tagen und von denen, die da hoffentlich noch kommen werden. Ob wir wohl auch so enden wie die Kolleginnen etwas weiter vorn? Abgestellt, vergessen, abgeliebt-ungeliebt, ungepflegt, langsam verrottend oder gar ausgeweidet? Ich wünsche mir, es wäre anders. Ich würde so gerne an meiner Ankerkette rucken und zucken. Mich im Kreis drehen, je nach Strömung und Wind. Mich wiegen in den Wellen und meine Crew in den Schlaf schaukeln. Stolz meine Segel ausrollen und im Wind blähen. Fahrt aufnehmen und den Bug durchs Wasser schneiden lassen. Delfine jagen oder mich jagen lassen. Um die Wette durch die Chesapeake Bay pflügen. Andere Ankerbuchten und Häfen kennenlernen. Den Erlebnissen anderer Segelyachten lauschen und meine Geschichten erzählen. Jetzt, wo mir so viel Last aus meinem Bauch genommen wurde, könnte ich leicht und schwerelos dahin gleiten und zeigen, was wirklich in mir steckt. Zeigen, wie schnell ich sein kann, wenn ich nicht so viel Gerümpel in meinem Bauch habe. Unnützes Zeug, das wie Steine in mir liegt und mich träge macht. Und das jetzt in einer kleinen Garage unweit meines Stellplatzes vor sich hin dämmert. Hoffentlich kommt keiner auf die Idee, das alles wieder in mich rein zu wuchten. Ob da wohl bald mal einer kommt, der mich segeln möchte? Der mit mir wieder unterwegs sein wird, neue Abenteuer erleben und mich genauso lieben wird wie meine jetzigen Menschen? Ist doch nur ein Schiff, ein Ding, ein Gegenstand. Das benutzt man, das liebt man nicht meint ihr?? Oh nein, das ist nicht so. Da fragt mal meine Bordfrau. Die wird euch da was ganz anderes erzählen. Und ich sowieso. Wo wir gerade dabei sind: die Bordfrau hat einen Bericht über mein früheres Leben im HVS gefunden und gleich mal abfotografiert. Das waren Zeiten! Aber ich will nicht meckern, die letzten Jahre waren auch nicht schlecht und ziemlich erlebnisreich. Ich kenne jetzt Ecken dieser Welt, die ich vorher nicht kannte.