Monats-Archiv Januar, 2016

Reach Falls

Einen Wasserfall auf Jamaica sollte man wohl gesehen haben. Unsere Wahl fällt auf die Reach Falls. Die liegen noch in Portland und sind von Port Antonio relativ leicht und schnell erreichbar. Von der Gegend sieht man auf der Fahrt dorthin auch noch was, 2 Fliegen mit einer Klappe also. Und so geht es gruppendynamisch wieder los: mit dem Sammeltaxibus bis kurz hinter Manchioneal, dann per pedes ca. 2,5 Milen bergauf. Durch die wieder üppige Botanik, mit Kokospalmen, Bananenstauden und unbekannten anderen Bäumen und Pflanzen. Unterwegs treffen wir auf alleinlaufende Esel, auf eine Schweinemama mit Nachwuchs und Kokosverkäufer. Immer wieder stehen einfache bis einfachste Hütten in den Plantagen. Eine fast unwirkliche Stille begleitet uns, unterbrochen von vereinzelten Autos und dem Gesang der Vögel. Keine Musik, keine lauten Stimmen - was für ein Kontrast zu Port Antonio und unserem Ankerplatz.

Dann haben wir die Reach Falls erreicht. Bzw. den Fall. Der Hauptwasserfall ist jetzt nicht so arg beeindruckend hoch, hat aber immerhin schon als Filmkulisse gedient. Kurzes Zögern, dann stürzen wir uns in die mitgebrachten Badeschuhe, reissen uns die Klamotten vom Leib und stürzen uns in die glasklaren Fluten.Rucksäcke etc. bleiben in der Obhut der Gewässeraufsicht zurück.

Das kann es aber noch nicht gewesen sein?! Nein, René war schon einmal hier und übernimmt die Führung unserer illustren Reisetruppe. Wir kraxeln über etwas glitschige Steinstufen auf der anderen Seite des Naturpools am Wasserfall vorbei nach oben. Kurzes Zögern vereinzelter Gruppenmitglieder - sollen wir wirklich? Wir wagen es und tatsächlich. unsere Schuhe haften gut und die Steine im Wasser sind auch gar nicht mehr so rutschig wie befürchtet. Wundervolle Farbschattierungen des Wassers, für die ich, als Nichtmalerin keine wirkliche Beschreibung finde, lassen uns immer wieder innehalten und bewundern. Mal ist der Drivers River, der den Wasserfall speist, nur knöcheltief, mal kann man nicht mehr stehen. Zum Schutz der Technik (Fotoapparate etc.) umgehen Moni und ich die tieferen Stellen auf schmalen Landpfaden, die Anderen schwimmen tapfer gegen eine doch ziemlich starke Strömung an.Ein Gefühl von Abenteuer stellt sich ein, wir sind begeistert und geniessen das erfrischende klare Wasser.

So kraxeln wir höher und höher bis uns leichte Bedenken bezüglich der Zeit kommen. Vielleicht doch besser wieder umkehren, zum Ausgangspunkt zurück? Da wir auf einen Führer verzichtet haben, wissen wir auch nicht, wie weit sich der Flusslauf mit seinen Stromschnellen und tiefen Stellen noch hinzieht.

Die Gruppe ist sich schnell einig, es geht zurück und der Wasserfall ist erstaunlich schnell wieder erreicht. Unterwegs treffen wir noch auf eine kleinere Gruppe Locals, die sich ebenfalls wieder auf den Rückweg begibt.

Noch einmal im unteren Pool schwimmen, umziehen und auf den Rückweg machen. Ein leichtes Hungergefühl macht sich bemerkbar. Das soll in einem Restaurant in Manchioneal bekämpft werden. Und da wir den Weg dorthin als nicht allzu lang in Erinnerung haben, verzichten wir wieder auf die Dienste eines Taxis, laufen am Wasser entlang. Irgendwie hat uns unsere Erinnerung doch arg getäuscht, der Weg zieht sich und nimmt kein Ende. Da sind auch die Ausblicke aufs Meer und das Rauschen der Brandung nur schwach tröstlich, die Füsse wollen nicht mehr so recht. Gefühlte Stunden später haben wir das Restaurant mit der verheissungsvollen Bezeichnung “…. seafood” dann doch erreicht. Bezahlen unten im Parterre im Shop und erste Frustation: nix seafood! fried Chicken oder stewed Pork - da fällt die Entscheidung nicht wirklich schwer, stundenlanges Studium der Menükarte entfällt - hopp oder topp. Mit dem Kassenbon gehts nach oben zur Essensausgabe bzw. ran an die bereit stehenden Tische. Das Essen ist jetzt kein krönender Abschluss des Tages, aber man kann es essen und reichlich ist es auch. Fasziniert beobachten wir von oben, wie ein Mann unten auf der Strasse einen riesigen Fisch spazieren trägt. Wo geht der hin damit wollen wir wissen. Und sind doch etwas überrascht von der Auskunft, dass der hier gefangene Fisch ausschliesslich an die Hotels der Umgebung verkauft wird. Na, so wird das ja nie was mit dem seafood.

Dann heisst es warten aufs telefonisch bei beorderte Taxi. Eigentlich wollen wir die Heimfahrt mit dem Bus unseres Vertrauens durchführen. Aber der lässt uns hängen, statt der angekündigten Wartezeit von 1/2 Stunde sitzen wir gut 2 Stunden vorm Shop herum, beobachten die vorübergehende Bevölkerung, zählen Autos, bewundern ein aufgebretzeltes Motorrad und machen uns mit Hilfe von Rum-Cola etwas lockerer. Es wird allmählich dunkel und wir verlieren die Geduld. Der nächste Bus wird gekapert. Gesagt-getan, ein Bus hält, sind genug Sitzplätze für uns frei? Klar, es wird umgeschichtet und wir sind alle drin. Werden zurück nach Port Antonio geschaukelt, sind froh, dass wir nix mehr sehen von der Strasse und ihren Schlaglöchern. Reicht vollkommen, dass wir letztere ausreichend spüren.

Etwas steif kraxeln wir an der Texaco-Tanke aus dem Gefährt. 230 JAD hat der Spass gekostet und wir sind endgültig platt, alle streben zurück auf ihre Boote, kein Bar-Absacker wird mehr gewünscht.

Sachliche Infos zu diesem Ausflug:

Kosten für die Hinfahrt: 200 JAD pro Person (runter gehandelt von 230JAD)

Eintritt pro Person: 10 USD oder ca. 1150 JAD

Essen im B& L Seafood Restaurant: 320 JAD pro Portion (Chicken mit Reis und etwas Salatbeilage)

Kosten für die Rückfahrt: 230 JAD pro Person (waren zu müde um nochmal zu handeln)

Geöffnet sind die Reach Falls Mittwoch bis Sonntag, mitbringen sollte man: wasserdichte Beutel für die Kamera, Badeschuhe mit denen man auch über die Felsen klettern kann (kann man aber auch vor Ort leihen oder kaufen), Badesachen, Handtuch, Wechselkleidung, Getränke und evtl. eine Jause für ein Picknick im dafür vorgesehenen Bereich ausserhalb des Wasserfalls. und auf jeden Fall einen Fotoapparat!

Fotos gibt es hier:

https://www.facebook.com/media/set/?set=a.956158021100093.1073741909.194932657222637&type=1&l=46a14c9484

(Der Link erlaubt den Zugriff auf die Fotos auch für Nicht-Facebook-Fans). Wie überhaupt die Segelyacht-naja Facebook-Seite auch angeschaut werden kann. Viel Spass beim

Gruppendynamische Berg und Talwanderung

Motiviert von unserer letzten, spontanen Wanderung planen wir die nächste Etappe: mit dem Taxi zur Korner Bar, dann zu Fuss weiter die Strasse entlang. Der Rio Grande ist unser erklärtes Ziel, soll er doch laut Google gar nicht allzu weit entfernt sein. Verhandlungen mit zwei Taxistas sind schnell geführt, wir entern die Fahrzeuge. Zu 7 in 2 Taxis, da bleibt einer aussen vor. Das ist Werner, der wundersame Weise nicht auf meinem Schoss sitzen möchte. Verständlich, bei seiner Körperlänge und seinen langen Beinen. Er kommt nach, meint er. Wir warten, schreie ich zurück. Spontan wie wir sind, disponieren wir allerdings um und fahren nach Fellowship. In dem lang gestreckten Kaff sind gerade Teerarbeiten in vollem Gange und Männlein wie Weiblein ist in irgendeiner Form an den Arbeiten beteiligt: Fähnchenschwingend zwecks Verkehrsregelung, Löcher mit Schutt ausflickend oder Strasse kehrend. Wir stehen und schauen, jeder will wissen, was wir vorhaben, wo wir herkommen; Moni knüpft erste und bleibende Kontakte mit Einheimischen - ein junger Mann haucht ihr verschämt mehrfach ein ?I like you? ins geneigte Ohr ? interessant, aber so allmählich könnte unser 7. Mann mal eintreffen. Der lässt sich ziemlich viel Zeit. Die telefonische Nachfrage ergibt, dass er brav bis kurz vor Korners Bar gefahren ist, dort natürlich niemand antraf und sich dann zu Fuss on the road begeben hat. Er ist auf dem Weg, kann aber noch dauern. Die Planänderung mit Fellowship ist also voll an ihm vorbei gerauscht. Endlich trifft er ein, in einem blauen Privatwagen, der ihn freundlicherweise die letzten Meter noch mitgenommen hat. Los geht?s ? erst einmal in die falsche Richtung. Die aber so falsch auch nicht ist, weil interessante Einblicke bietend. Es gibt viel zu gucken, zu diskutieren, zu lachen. Die Einheimischen grüssen freundlich (wie eigentlich immer) und für die Kinder sind wir eh die Attraktion schlechthin (auch das wie immer). Zwischen Häusern unterschiedlicher Baustile ? je nach Einkommensstandard ? zieht sich die Strasse in ein weitläufiges Tal, wir haben fantastische Ausblicke auf die Blue Mountains. Grosse, Jackfruits hängen an einem hohen Baum, ein Zuckerstangenverkäufer gewährt uns Einblicke in sein Sortiment ? im weissen Sack von Port Antonio hierher ins Outback zur Kundschaft transportiert. Die ruft schon von weitem: ?Candyman, Candyman? und der Sack wird leichter. Planierraupe von Cat und aus Bambusblättern handgefertigte Besen arbeiten einträchtig Seite an Seite, der Verkehr wird einseitig mittels roten und grünen Fähnchen um die Baustellenfahrzeuge herum dirigiert. Und wir mittendrin, links rechts nickend-grüssend-lächelnd-fotografierend. Irgendwie schade, dass wir dann doch umdrehen. Vor der Brücke drehen wir links ab auf eine Art Feldweg. Der führt durch Plantagen hindurch endlich zum Rio Grande. Von weitem hören wir schon das Rauschen der Stromschnellen. Dicke Steine säumen das Ufer, das Wasser schimmert klar und grün in der Sonne. Jetzt ein erfrischendes Bad ? dieser Gedanke wird später zur Obszession, aber das weiss ich jetzt noch nicht. Ein älterer Mann steht am Ufer und warnt uns davor, hier schwimmen zu gehen. Die Strömung sei unberechenbar und stark. Gut, dann halt nicht. Schauen wir stattdessen in den im Schatten geparkten Kinderwagen und bestaunen andächtig die einträchtig nebeneinander schlafenden Babies. 7 und 2 Monate alt. Sind das jetzt Geschwister oder passt die beleibte ?Mama? auf eines von ihnen nur auf während die im Fluss gewaschenen Wäschestücke auf den Steinen trocknen. Unsere Entzückenslaute ermuntern sie auch gleich mal zu einer Nachfrage bezüglich Monetas, zwecks Auffrischung der Pampersvorräte, ein unzweideutiger Griff zum Windeltuch gibt der Sache Nachdruck. Wir lassen uns nicht lumpen, ziehen etwas nachdenklich weiter. Woher wohl das grössere Mädel Geld hat, um sich rote Farbe in die krausen Haare zu schmieren? Über die Brücke geht es auf die andere Seite. Auch hier liegt ein weites Tal vor uns, gesegnet mit Kokos- und Bananenplantagen. Dazwischen Rindviecher, Kakaopflanzen und sogar Hopfen identifizieren wir. Ein Rastaman springt singend hinter einem Holz-Wellblechhäuschen hervor ? wir bleiben stehen, hören fasziniert zu. Ob er weiss, wo der Weg hin führt. Nein, den ist er noch nie gegangen, gab keinen Grund dafür. Er arbeitet auf seiner Plantage, verkauft seine Erzeugnisse an die Marktleute, das Geld kommt also zu ihm und wenn er sich mal rührt, dann in Richtung Fellowship oder Port Antonio. Für uns haut er eine ganze Armada frischer Trinknüsse von einer Palme, öffnet sie mit gekonnten Machetenhieben ? lecker, erfrischend, wir können gar nicht genug bekommen, auch wenn es nicht so einfach ist, den reichlichen Inhalt so direkt aus der Nuss heraus zu trinken. Derart gestärkt wandern wir weiter, der Weg steigt bald an. Puh, so hatten wir uns das jetzt irgendwie nicht vorgestellt. Erstaunlicherweise stehen immer mal wieder Häuser in der Wildnis. Gepflegt, von Zäunen verschiedenster Machart umgeben, ein kleiner Garten drumherum, Wachhunde und Hühner laufen über den Weg. Fantastische Ausblicke auf das Rio Grande Valley und den Fluss selbst bieten sich uns. Geteerte Wegabschnitte wechseln sich mit feldwegähnlichen ab, starke Regenfälle haben tiefe Rillen in den ungeteerten Bereichen hinterlassen. Wir drücken uns möglichst im Schatten herum, machen viele Pausen und lassen uns von Harald trösten: gleich geht es nur noch bergab. Denkste, vorerst geht es immer wieder bergauf. Höher und höher. Dann ziehen sich Stromleitungen über die Hänge ? nähern wir uns der Zivilisation? Was machen die hier oben den ganzen Tag? Abhängen, im wahrsten Sinne des Wortes? Kaum ausgesprochen, tönt es aus einem Busch oberhalb des Weges ?hello, good day?. Fast unsichtbar hängt dort ein Einheimischer vor seinem Häuschen im Schatten ab. Ein Routetaxi passiert uns, voll beladen. Wo kommt das her, wo fährt eshin?? Später erfahren wir von einer jungen Mutter, das sei das einzige Routetaxi, das hier oben rumfährt. Unklar bleibt, wo es denn hingefahren ist, wir sehen es nicht noch einmal. Rast vor einer kleinen Bude mit Getränkeangebot. Die steht am Strassenrand oberhalb eines Wohnhauses. Der Besitzer der Bude kommt auch gleich hoch und raucht erstmal einen Joint bis wir uns zu einem Kauf entschlossen haben. Eine alte Frau führt gemächlich ihre Ziege zu neuen Weidegründen, ein Mann kommt barfuss mit staubigen Füssen daher, trägt seine Feldwerkzeuge über der Schulter. Später treffen wir ihn mit einem noch leeren Wasserkanister. Das Wasser holt er aus einer Quelle, etwas den Berg hinunter. Sportliche Leistung, mit dem vollen Kanister wieder hier hoch, egal wie weit es sein mag. Wir brechen beim Gedanken daran schon innerlich zusammen. Wir passieren eine Kirche und ein Suzuki-jeep passiert uns. Wo wir hinwollen? Ja halt wieder runter zum Rio Grande. Hmm, das ist jetzt nicht so günstig, unser Weg führt zwar irgendwann runter, zieht sich aber noch ganz schön. Guter Rat ist teuer, gibt es eine Abkürzung? Ja, schon. Aber für ortsunkundige? Er eilt von dannen und wir latschen weiter, bis zum nächsten Shop mit Bar und kalten Getränken. Hier werden wir dann von zwei jungen Männern übernommen. Mit einer Machete bewaffnet geleiten sie uns über einen an Almabtrieb erinnernden Pfad den Berg hinunter. Vorbei an der Bergschule. Natürlich müssen wir mal reingucken und Moni will wissen, was die Kinder denn heute gelernt haben. ?Whiteys, whiteys? geht ein Raunen durch die Klasse, stolz lächelnd erzählen sie vom Unterricht. Der Pfad verliert sich fast im Kraut. Rote, rutschige Erde ist von Klauenfüssen aufgewühlt und mit den Hinterlassenschaften der Vierbeiner gespickt. Abenteuerlich, wir kommen aus dem Strahlen kaum noch heraus: so toll. Ohne Führer hätten wir uns aber wahrscheinlich nicht hier runter gewagt. So nähern wir uns dem Tal, bekommen Ananaspflanzen und den Jamaika-Apfelbaum gezeigt, probieren die Früchte und landen endlich am Fluss sowie der Fährstelle. Etwas weiter oberhalb könnten wir zwar auch problemlos den Fluss durchwaten aber jetzt ist eh schon alles wurscht, eine kurze Floßfahrt gibt unserem Tag den Abschluss. Immer 3-4 Leute werden auf dem langen, schmalen Bambusfloß von einer Flussseite gestakt. Wir verabschieden und entlohnen unsere beiden Führer die jetzt endlich ihren wohlverdienten, hinterm Ohr transportieren Joint anqualmen. Sei es ihnen gegönnt. In dem kleinen Ort oberhalb der Fährstelle müssen wir nicht lange auf zwei passende Routetaxis warten, die uns bequem nach Port Antonio und sogar in die Marina transportieren. Das unser Taxi mal kurz anhält, um die Bolzen der frisch gewechselten Vorderräder nochmal nach zu ziehen, nehmen wir nur noch milde lächelnd und mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis: wir kann der Fahrer auf dieser Schlaglochpiste hören, dass mit seinen Vorderrädern etwas nicht stimmt?? Müde, voller Eindrücke und glücklich über einen anstrengenden aber tollen Wandertag düsen gleich darauf 4 Dinghis zu ihren Mutterschiffen zurück. So eine dynamische Gruppe ist schon toll.

Entdecker-Abenteurer-Kunsträuber

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Was da wohl so an “sensiblen Daten” vor sich hin muffelt?

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Eigentlich wollten wir uns nur kurz die Füsse vertreten; mal gucken, was in ?Town? so los ist, an diesem grauen, kühlen Sonntag. Wir treffen die Vektor?s, mOnika und Harald. Und die sind wanderlustig, haben im brandaktuellen Reiseführer gelesen, dass es irgendwo auf einem Berg ein Hotel mit Mittelklasse-Restaurant (preislich gesehen) geben soll. Also erklimmen wir die steile, schmale Strasse irgendwo hinter der Kirche und hangeln uns von einem atemberaubenden (oder doch eher zurück bringendem) Ausblick zum nächsten. Zwei alte Kanonen liegen dekorativ am Wegesrand, leider etwas zu schwer für unser Marschgepäck ? und überhaupt, wohin damit an Bord? Ein Fiat Panda ist von einem Baum okkupiert worden ? nein, so parken kann kein Mensch. Erst der Fiat, dann der Baum. Wie lange der wohl schon hier vor sich hin gammelt, der Fiat?? Verwunschen, zugewachsen und fast so marode wie das Auto stehen die Gebäude des gesuchten Hotels. Ein am Boden liegendes Schild lässt keinen Zweifel zu: ?Bonne View Plantation Hotel?. Der Gift-Shop hat auch noch geöffnet ? das Angebot lässt aber doch zu wünschen übrig: im Rack wölben sich verschiedene Ansichts- und Glückwunschkarten zu diversen Anlässen. Zwei, drei kleine Flechtkörbchen wirken schon sehr mitgenommen, die Kalabash-Rassel fällt beim Anfassen in diverse Teile und was die merkwürdigen kleinen Strickpötte darstellen sollen ?..?? Heute ist jedenfalls Selbstbedienung, bei der übersichtlichen Ware irgendwie verständlich. Da rechnet sich doch keine Verkäuferin. Griff in die Kasse entfällt, das altertümliche Teil lässt sich auch von Haralds handwerklich versierten Händen nicht zur Öffnung bewegen. Vielleicht mal mit nem Zauberspruch versuchen, nach dem Motto ?Sesam öffne Dich?. Dafür öffnen sich einige Türen, zu Räumen die einstmals als Herberge für müde Urlauber dienten und in denen immer noch einiges an Mobiliar vor sich hin gammelt. Korbstühle, Bettgestelle, Kommoden, Spiegel, Badkeramik, Gardinen, Matratzen, sogar ein Paar Flip-Flops finden wir. Und mit ein bisschen Staub wischen und zurecht rücken könnte man das Büro glattweg wieder als Arbeitsraum nutzen. An der Wand hängt eine Tafel auf der ein Umrechnungskurs für JAD in USD aus dem Jahre 2007 angepinnt ist. Zwei gerahmte Bilder liegen auf den Matratzen, lehnen an der Wand. Ob man wohl?? Ist das dann Kunstraub?? Der verwunschen-zugewucherte Garten zieht uns ebenfalls magisch an. Rote, fedrige Blüten und rutschige Blätter bedecken den Boden, Ein Betonweg führt in den hinteren Teil und zum Pool. In diesem schimmert grünlich das Regenwasser, einige Nebengebäude lassen ihre ursprüngliche Bestimmung nur noch vage erahnen. Aber der Blick auf die Berge, der bleibt von hier ? mehr oder weniger. Auf der vorderen Terrasse mit Blick auf Port Antonio bekommt unsere Phantasie Flügel: so wohnen, mit einer solchen Terrasse, diesem Ausblick. Tief unten liegen unsere Boote in der Bucht; klein wie Spielzeug. Wie in einer anderen Welt fühlen wir uns, wie es wohl früher hier gewesen ist, wie sich die Hotelgäste hier gefühlt haben? Warum ist hier kein Leben mehr, wer lässt ein solches Kleinod brach liegen und vermodern? Ein idealer Ort, um eine Alten-WG zu gründen? Der steile Aufstieg lässt uns davor zurück schrecken. Vielleicht doch wieder eine touristische ?Verwertung?? Man könnte aus Bambusstangen so eine Art Schlitten bauen, ähnlich denen auf Madeira, und die Hotelgäste den Berg hinunter chauffieren, was für eine Gaudi! Besonders wenn die Ziegen und Hunde bellend und meckernd die Verfolgung aufnehmen oder eines der Routetaxis sich den Berg grad hinauf quälen will. Nur schwer lösen wir uns von unserer Entdeckung. Mit federnden Schritten kommt uns ein Rastaman bergauf entgegen. An einer kleinen Bar (war ja klar, dass es auch hier eine solche gibt), werden wir freundlich gegrüßt ?nice day today?. Ja, finden wir auch. Und ideal für eine solche Bergtour. So ganz allmählich offenbart Port Antonio uns seine kleinen Geheimnisse. Man muss sich nur einmal von den bewährten und bekannten Pfaden lösen. Und es muss gar nicht gleich ein Dschungel oder Urwald sein, Entdeckungen machen und sich wie ein kleiner Abenteurer fühlen kann man auch hier, fast mitten im Ort.

Schon ein Monat

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Jetzt liegen wir schon über einen Monat hier, in der Bucht von Port Antonio auf Jamaica. Sogar mehr als ein Monat. Hängen so rum, beobachten Neuankömmlinge und winken weiterfahrenden Yachten hinterher. Die ersten Sightseeing-Events sind abgehakt auf der imaginären To-do-Liste. “Wann wollen wir eigentlich weiter?” Der Käptn fragt und frau schürzt die Lippen “iss mir eigentlich wurscht” …. oder vielleicht doch nicht? Vermisst sie doch eigentlich nix. Eine Art Routine ist eingekehrt, wir erweitern unseren Dunstkreis der Markfrauen, lernen den Sohn von Markfrau Norma kennen (der lebt normalerweise in den USA, Michigan wo er sich mit zwei Jobs über Wasser hält, den Winter aber lieber auf seiner Heimatinsel verbringt); ballern Veronika, die Herrin über die Nähmaschine, mit Aufträgen zu …

Und doch drängeln sich da schon mehr Blicke auf die aktuelle Wetterlage in den Vordergrund, machen wir uns Gedanken über andere Ankerbuchten an Jamaicas Küste und gehen sogar noch einen Riesenschritt weiter: suchen Flüge von Kolumbien oder Panama nach Deutschland, recherchieren das Boatyard und Marina-Angebot der beiden Länder. “Zurück nach Curacao, das ist aber doch keine Option für uns?????” - das unausgesprochene ’sag bloss nicht doch’ steht in des Käptns Auge. Ich fände das gar nicht sooo schlecht. Vor allem im Hinblick auf die Regenhäufigkeit. und eigentlich mag ich mich noch gar nicht mit dem Thema beschäftigen.

Der Tag schleicht weitgehend grau vor sich hin, Wind kommt auf und bewegt endlich mal wieder unseren Windgenerator etwas dauerhafter. Schon wieder Wochenende - wo ist eigentlich die vergangene Woche geblieben, was haben wir eigentlich gemacht??? O.k. der Mastkragen ist abgedichtet, Motorfilter wurden gewechselt, Wäsche gewaschen und eine Tour zur Boston Bay haben wir ebenfalls gemacht. Trotzdem unglaublich, wie schnell die Tage vergehen, herrlich unspektakulär. Die Stahlratte läuft ein und erhöht die Zahl der Schiffe mit Bremerhavener Heimathafen auf 2 sowie die gesamte deutsche Seglerzahl auf 7. Das langsame pött-pött des alten Dieselmotors im riesigen Bauch des ehemaligen Frachtenseglers sorgt für Aufsehen hier am Ankerplatz. Und dass der Koloss auch noch an eine Mooringboje geht. Aber Skipper Ludwig pendelt zwischen Kolumbien, Panama, Kuba und Jamaica hin und her, war schon einige Male hier und weiss, was er der Mooringboje zutrauen kann. Kein Problem. Während die derzeitigen Gäste sich auf Landgang befinden, repariert die Crew, widmet sich der Wäsche und führt uns durchs Schiff, steht Rede und Antwort auf unsere Fragen zu Cuba und Kolumbien. Erhellend wenn auch nicht wirklich so erwartet. Mein Käptn schaut etwas bedröppelt auf dem Heimweg aus dem T-Shirt.

Tja, das gelobte Land für marode Segelboote und ihre auf do-it-yourself getrimmte Crew scheint es wohl in unseren Breitengraden nicht (mehr) zu geben. Aber vielleicht finden wir es ja doch noch, ist ja alles sehr individuell, auch die Erfahrungen die man macht.

Boston BnB (Beach and Bay)

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Blue Lagoon, Winifred Beach, San San Beach, Boston Bay - mit dem Routetaxi geht es Richtung Osten. Die Strasse ist - oh Wunder - kurvenreich und voller Schlaglöcher. Gekonnt weicht unser Fahrer aus. Wie oft er die Route fährt am Tag? Er lacht, kann er nicht zählen. Bequem ist das Auto, relativ neu, sein eigenes. Und zwei weitere nennt er sein eigen; fährt viel für die Guesthäuser der Umgebung, zum Flughafen und so. Gutes Business. In Boston Bay setzt er ins mitten in einen kleinen Regenguss und braust schon wieder davon. Jerk. Jerk. Jerk und nochmal Jerk. An fast jeder Holzhütte steht es dran: Best jerk - Boston Bay Jerk - Seaview Jerk. Es ist früh am Tag und noch sind die Grills nicht angeheizt.

Brandung rauscht in die kleine Bucht, Wellen brechen sich am Strand. Mittendrin ein wagemutiger Surfer der sich den Wellen stellt. Ein anderer schleift sein Board am Strand erst noch in Form. Wie gute Freunde werden wir per Handschlag begrüsst und gleich schonmal darauf aufmerksam gemacht, dass man ja den Strand säubert und wir unseren Obulus für die Beschaffung der Mülltüten leisten sollen. Ich missverstehe das erstmal wieder gründlich, denke, wir sollen Mülltüten für unseren Abfall kaufen und frage mich, warum der junge Mann ausgerechnet uns, den Meistern in Mülltrennung, Müllvermeidung und unseren-Müll.wieder-mitnehmen (an einsamen Plätzen in der Botanik), erklärt, wie das geht, mit dem Müll. Ein anderer will uns zu einem kleinen Felsen führen. Zugang nur mit einem official Guide erlaubt. Wir erkunden lieber selbst und scheitern zwei Felsvorsprünge weiter an einem Bambuszaun. Ob der Guide den Schlüssel für das Türchen darin hat? Eine steile Treppe hinauf geht es zu einem Guesthouse. Bestimmt ein toller Blick von dort oben. Aber eben nur für die Gäste des Hauses. Private property, no trespassing. Und man möchte doch bitte die Privatsphäre würdigen. Wir würdigen und kraulen eine sanftmütige blonde Hundedame, die sich ein Loch in den Bauch wedelt vor Vergnügen über soviel Zuwendung. Genug gesehen.

Beach fällt heute aus wegen zuviel Brandung, Hunger haben wir auch noch keinen. Also wandern wir ostwärts, die Strasse entlang aus dem kleinen Ort hinaus. Werden angehupt von den zahlreichen Routetaxis und freundlich gegrüsst von den Ortsbewohnern. Dann sind wir mitten in der Botanik. Steinmauern, darüber/dahinter Stacheldraht; endlose Weiden, die sich bis zum Meer hinunter ziehen. Braune, sanft blickende Kühe mit ihren Kälbern, dazwischen die weissen staksbeinigen Vögel, wechseln sich ab mit Ziegenherden. An einem Baum hängt eine fussballgrosse grüne Frucht, die wir nicht definieren können. Ob das vielleicht eine Calabash ist? Ist es, erfahren wir später. Die Rindviecher gehören wahrscheinlich dem Sohn einer gewissen Patrice Wymor. Die war Schauspielerin und die letzte Ehefrau Errol Flynns und blieb nach dessen Tod auf Jamaica, starb hier ebenfalls im gesegneten Alter von über 90. Ihre Farm soll irgendwie hier an der B4 stehen, einen Hinweis darauf haben wir allerdings nicht gesehen. Ganz ungewohnt, so wenig Häuser. Immer wieder halten Routetaxis an, wollen uns mitnehmen, können gar nicht fassen, dass wir laufen wollen. Wir sind die Attraktion des Tages unter den Taxistas und ihren Fahrgästen, alle winken uns wild, grölen uns zu.

An den ersten Häusern der nächsten grösseren Ansiedlung streikt dann des Käptns kürzlich erst geflickte Sandale: die Sohle löst sich. Also in den Schatten stellen und auf ein Taxi warten. Zurück nach Port Antonio. Ohne das berühmte Bostoner Jerk probiert zu haben. Wir werden es überleben. Und vielleicht fahren wir ja auch nochmal her. Aber eher gleich zu den Reach Falls.

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