Zuhause und doch nicht zu Hause Angekommen - physisch. Das Flugzeug ist gelandet, das Gepäckband hat meine beiden Reisetaschen förmlich ausgespuckt. Am Ausgang erwartet mich ein strahlender Skipper, nimmt mich in die Arme. Hmm, das fühlt sich gut an. Eine Taxifahrt mit hohem Unfallrisiko durchs nächtliche Cartagena (wo fährt der Typ uns eigentlich hin, weiss der wirklich, wo der Club Nautico ist?) in einem pupskleinen und mit Gepäck und Passagieren proppenvollen gelben Gefährt der Marke „kleiner geht nicht“. Erstaunlicherweise erreichen wir unser Ziel wohlbehalten, plopp-plopp stehen Frau, Mann und Taschen auf dem Gehweg. Ab ins Dingi - eine verblüffte Bordfrau steht an der Pier: wo iss es denn??? Lauf nicht so weit, wir sind schon da: ein Cover, dunkelrot mit schwarzem Kunstleder abgesetzt ziert unsere olle Gummiwutz. Die denkt bestimmt, wir sind komplett verrückt geworden, ihr auf ihre alten Tage noch einen Überzieher zu verpassen. Aber macht schon was her, auch wenn es ein gebrauchtes Cover ist und in übergrossen weissen Lettern „Dacapo“ drauf steht. Jetzt sind wir also inkognito unterwegs. Zwei halbwüchsige, schweigsame Jungs lungern auf der Terrasse des Clubs herum. Die wollen einen Lift klärt mich der Skipper auf. Aha, man kennt sich. Irgendwie schaffen es die beiden Jungs auch noch an Bord unserer tiefer sinkenden Gummiwutz. Jetzt ein Regenschauer, das wäre noch die Krönung. Nein, wir bleiben trocken und erreichen unser schwimmendes Zuhause. Das sieht eigentlich aus wie immer, riecht aber irgendwie komisch und fühlt sich auch komisch an. Eine Putzfrau hat der Skipper extra engagiert. Die hat Polster, Cockpit und Salon wieder bewohnbar gemacht. Für Unterhaltung und Spanischkenntnisse hat eine andere Dame gesorgt, Feten wurden gefeiert, ich werde mit Namen bombardiert zu denen ich keine Gesichter habe. Auf dem Ankerplatz und im Club gibt es wohl niemanden, der „meinen“ Skipper mittlerweile nicht kennt. Mit dieser Truppe war Mann in Getsemani, mit jener hat er diverse Abende an Bord eines Schiffes oder an Land verbracht - Irgendwie fühle ich mich ziemlich fremd und überflüssig. Angekommen - bin ich in dieser Nacht noch nicht wirklich. Die nächsten Tage gibt es viel zu erzählen, zu klären. Das Bordleben normalisiert sich für mich, ich werde ganz allmählich wieder ein Teil davon, werde freudig begrüsst von José, dem Vorarbeiter bei Ferroalquimar. „José hat mich jede Woche gefragt, ob Du noch nicht wieder zurück bist“. Die Plicht ist frisch gemalert, der Tisch geölt, neue Innenrahmen für unsere Decksluken sollten überraschungsmässig eigentlich schon eingebaut sein. Aber wie das so ist hier in Kolumbien, aus Freitag letzter Woche wird dann Freitag dieser Woche. Die kunstvoll an Deck zu Schnecken aufgerollten Leinen werden ganz schnell wieder aufgeschossen - geht gar nicht, wer kam denn auf diese grandiose Idee? Der Skipper gesteht: Johanna, die Putzfrau und ehemalige Mariners fand das wohl toll. „Sie hat es ja nur gut gemeint“. Ich grummele noch etwas vor mich hin, angesichts dieser Eingriffe in meine Gewohnheiten, die sich auch in der Pantry noch fortsetzen: wieso liegen da so viele halbe Süsskartoffeln im Gemüsenetz? Wir mögen sie beide nicht besonders, angeschimmelt sind sie ausserdem - platsch, platsch werden sie zu Fischfutter, da wird nicht lang gefackelt. Räumen, wischen, gemeinsame Besorgungen machen, Nachbarn besuchen, viele Stunden im Cockpit sitzen, erzählen, planen, Gemeinsamkeit geniessen. 9 Wochen - vielleicht zu lang, um voneinander getrennt zu sein. Aber irgendwie haben sie uns, unserer Beziehung auch gut getan. Eine Basis geschaffen für weitere Gemeinsamkeit, für gemeinsames Bordleben, für die nächste Segelsaison hier in der westlichen Karibik. Haben klar gemacht, was wir füreinander sind und weiterhin sein wollen. Da bekommen auch die kolumbianischen Frauen keinen Fuss in die Salontür, soviel steht fest.