Monats-Archiv August, 2018

Warten auf Godot

Godot heisst in unserem Fall Mack und ist seines Zeichens Mechaniker.

Seit gut 2 Wochen warten wir auf ihn, er duckt sich schon weg, wenn wir ihm irgendwo auf dem Boatyard begegnen und erwartungsvoll fragen, wann er denn wohl zu uns kommt. Um unsere Einspritzpumpe ab-auszubauen.  Und wüssten wir nicht, wie er aussieht und das es ihn tatsächlich gibt, hätten wir wirklich so ein Gefühl von „warten auf Godot“ - alle Welt spricht von ihm, keiner kennt ihn und zu Gesicht bekommt man ihn irgendwie auch nicht. Aber man sitzt jeden Tag früh an Deck und hofft, das er sich endlich zeigt.

Mit Meghean, der netten Dame im Boatyardoffice, die für die Koordination der Arbeitseinsätze zuständig ist, stehen wir jedenfalls in regem Kontakt. Und so allmählich wird es wohl ernster mit dem Termin. Freitag heisst es: „Mack kommt Montag“. Montag früh - welche Überraschung - kein Mack in Sicht. Nachfrage bei Meghean: „He is off today (bin ich auch öfters, verstehe ich also gut). He will come on Wednesday, really early. Because its so hot these days“ . Early wäre in dem Fall 7/7:30. Können wir gut mit leben …. und stellen hoffnungsfroh den Wecker. Spätabends kommt dann noch eine Nachricht. Nee, mit Mittwoch wird das auch nix, da ist irgendwas von dem sie nix wusste. Donnerstag aber! Wecker wieder aus.

Mittwoch sind wir trotzdem früh wach. Realisieren, dass wir noch nicht wirklich fit sind. Und da ja nix auf dem Plan steht für heute, sprich kein Arbeitseinsatz des Mechanikers, Der blaue Himmel lockt uns auch nicht wirklich aus den Plumeaus, der Abend gestern am BBQ war wohl doch zu weit nach Sailors Midnight zu Ende. Also nochmal gepflegt wegdusseln.

Pünktlich um 8:30 klopft es unüberhörbar an den Holzrumpf. Das ist besser als jede Haustürklingel. Wer stört?? Das wird doch nicht …. der wollte doch …. und überhaupt. Nutzt nix, der Skipper geht nach dem Störenfried gucken. Surprise, surprise: der Mechaniker begehrt Einlass, den wir ihm natürlich gewähren. Getreu dem Motto: nur nicht vergrellen!!!!

Es wird geschraubt, demontiert und festgestellt, dass ein passendes Tool fehlt. Also nochmal von Bord. Wir frühstücken derweil entspannt. Dann wird weiter geschraubt, mit passendem Tool. Bis zu einem gewissen Punkt. Dann wird festgestellt: da muss der Caterpillar-Fachmann ran! Oh, wir sind leicht erstaunt. Dachten wir doch, der sei schon an Bord. Wir lassen uns eines Besseren belehren und verabschieden den Nicht-Fachmann in hoffnungsfroher Erwartung eines neuen Godot! Von dem wir einen Namen haben, aber nicht wissen, wie er aussieht und ob es ihn wirklich gibt. Es bleibt also spannend bis zu unserer Abreise, beim „Warten auf Godot“

Who let the dogs out???

Who let the dogs out??

Ein lang gezogenes, abgehacktes „Woooohooooohooo“, untermalt von hektischem Hecheln. Zweistimmig. Unterbricht abrupt unsere morgendliche Frühstücksidylle. Who let the dogs out??? Unterm Schiff scheppert und rumpelt es, wenn die Vierbeiner auf der Jagd nach „unserem“ Karnickel die zahlreich ausgelegten Stolperfallen in Form von Vorstag, Paletten, Rollanlagenteilen, Plastikflaschen etc. übersehen oder die Pfoten nicht hoch genug heben.

Die Nasen am Boden, heftig und freundlich mit der Rute wedelnd, flitzen sie auf dem Boatyard hin und her. Ein Beagle und ein Pointer sorgen selbst für ausreichend Auslauf, haben Witterung aufgenommen. Lebt doch unter und irgendwo im Gebüsch hinter unserem Boot ein Kaninchen. Das wir allerdings seit dem letzten Einsatz der Jagdhunde nun schon längere Zeit nicht mehr gesichtet haben. Der Aufregung heute früh nach zu urteilen, muss es aber noch anwesend sein. Was allerdings so megainteressant ist an einer bestimmten Stelle mitten im Kies? Immer wieder schnüffelt der Beagle an den Steinen, kratzt, hebt die Schnauze zu einem langen “wooooohooo”, wedelt, schnüffelt weiter, wieder Bellen. Ob er denkt, da hat sich was vergraben?? Der Pointer zieht derweil mit federnden Schritten grosse Kreise um ihn herum. Absolutes Dreamteam, die Beiden.

Sorgen müssen wir uns allerdings nicht um das Langohr. Scheint es doch clever zu sein und über gute Rückzugsmöglichkeiten zu verfügen. Bei einer früheren Verfolgungsjagd flüchtete es sich durch den Zaun zum Pool und beobachtete von dort sehr entspannt das hektische Gehabe des Pointers auf der anderen Seite des Weges. Ätsch, völlig kalte Spur da drüben. Nach einer ausreichenden Ruhepause flitzte es dann wieder vor die Nase des schon vom Hitzschlag bedrohten Jagdhundes und weiter ging die Hatz. Ausgang unbekannt, aber ich tippe mal 1:0 fürs Kaninchen. Jedenfalls sitzt es heute wieder unter unserem Boot und mümmelt zufrieden am reichlich sprießenden Grünzeug

Verdrahteter Beagle. Damit weiss der Besitzer immer, wo sich der Vierbeiner aufhält

Verdrahteter Beagle. Damit weiss der Besitzer immer, wo sich der Vierbeiner aufhält


Groovin in the park - so klingt der Sommer am Fluss

Seifenblasen tanzen durch die Luft, Hula-Hupp Reifen kreisen um Arme, Beine, Taillen. Deltaville groovt  von jung bis alt im Reggae-Rhythmus, tanzt mit blossen Füssen auf dem Gras des Holly-Point Parks am Flussufer des Mill Creek, ein Ausläufer des Jackson Creek.

Auf der einfachen Holzbühne, unter hohen Bäumen, gibt die Reggae-Band „Stuck on a name“ alles. Reisst die Besucher mit, lässt sie aus sich herausgehen, die Körper schütteln, Füsse und Hände in die Luft schleudern, mitsingen.

Wir sitzen in der zweiten Reihe, wippen und schwingen sitzend mit. Freuen uns an der Tanzfreude der anderen Besucher, betreiben Campingstuhl Studien. Von einfach bis richtig komfortabel ist alles vertreten und es gibt sogar spezielle „Veteranen“ Stühle. In einem davon sitzt ein grosser, Kräftiger Mann, der sich kräftige Drinks mischt. Die Dame zwei Stühle weiter rutscht mit ihrer gut getarnten Bierflasche immer tiefer. Hinterm Stuhl steht der Nachschub, nicht schlecht, wie lange geht das Konzert???

Langsam wird es dunkel, auf dem Fluss schieben sich die Lichter eines Motorbootes langsam am Steg entlang. Der Mond blitzt durch die Bäume, die Luft ist warm. So fühlt sich der Sommer in Deltaville an: warm, sanft, beschwingt, entspannt, fröhlich. Die Mundwinkel finden gar nicht mehr den Weg nach unten, Dauergrinsen stellt sich ein.

„Groovin in the park“ ist das Motto von Mai bis September. An jedem 4. Samstag findet ein Freiluft-Konzert im Holly Point Nature Park statt. Die Besucher sind ganz offensichtlich auf Spass haben und Selbstversorgung eingestellt. Obwohl man Burger & Co sowie Drinks auch am Teehaus des Deltaville Maritime Museums von charmanten älteren Damen und Herren gereicht bekommt.

Die Vorband spielt von 17 bis 18 Uhr, vor noch überschaubaren Stuhlreihen. Dann wird auf der Bühne Platz gemacht für „Stuck on a name“ und schon füllt sich der Platz deutlich. ‚Kinder und Hunde erwünscht‘ ist hier das Motto. Die Veranstaltung geht von 17 bis 20 Uhr und zieht viele Besucher aus Deltaville und Umgebung an. Eintrittskarten sind ohne Datum, werden bei Betreten der Veranstaltung eingesammelt und dem Verkaufskreislauf wieder zugeführt. Das nenne ich mal ein sinnvolles Recycling! Im Vorverkauf gibt es sie für 10 USD, an der Abendkasse muss man 15 USD löhnen. So geht Kultur auf dem Land. Musik am Fluss, so klingt der Sommer in Deltavill.

Neuankömmlinge

….. müssen ja was sehen von ihrer neuen “Heimat”. Also packen wir unsere Freunde von der NEREUS II in unser Bettmobil und düsen durch die Lande. Deltaville, Heathsville, Colonial Williamsburg sind unsere ersten Anlaufstellen. So wirklich viel zu schreiben gibt es dazu nicht, also lassen wir Bilder sprechen:

Homeless???

Endlich schlafen. Schön schattig und ganz unauffällig steht unser Auto auf einem Parkplatz unterm Baum. Die Alufolienmatten schützen uns vor neugierigen Blicken. Glauben wir. Denn kaum liegen wir flach leuchtet uns jemand unbarmherzig in die Augen. Was ist denn jetzt los?? Klopf, Klopf. Das klingt energisch. Zwei Polizisten stehen vor unserem Bettmobil. Genauer gesagt, eine Polizistin und ein Polizist. „Are you sleeping??“ - nach was siehts denn aus?? Sagen wir natürlich nicht, sondern gucken nur schläfrig und nicken. „Are you homeless???????“ - nö, kann man jetzt so ja auch nicht sagen Muss man gleich homeless sein, nur weil man in einem Auto schläft??

Wir erklären wortreich, die Pässe werden geprüft. Der Kollege kann es irgendwie nicht fassen „you are not homeless?? Why are sleeping in a car??“ . Hmm, wir dachten eigentlich bislang, das sei eine sehr beliebte Übernachtungsform hier in den Staaten. Haben wir doch auch auf den Walmart- und J-Flight Parkplätzen schon einige getroffen, die so unterwegs sind. Es gibt sogar eine App, mit deren Hilfe man ratzfatz den nächsten Walmart oder sonstigen Übernachtungsgeeigneten Parkplatz finden kann.

Schon einige Male haben wir davon Gebrauch gemacht. Nie hat jemand an unser Auto geklopft oder sich darüber gewundert. Pech für uns in dieser Nacht, dass wir nicht mehr auf dem Walmart- Parkplatz sondern auf den Parkflächen eine Drive-Thru Bankfiliale stehen. Die hat ja schon geschlossen und steht unter dem besonderen Schutz der Polizei. Und schwarze Autos, die davor rumlungern, sieht man nicht gerne. Wir müssen weg.

„Take your time“ bekommen wir noch freundlich mit auf den Weg. Denn erstmal müsse wir unser ganzes Gerödel wieder von vorne nach hinten räumen, damit wir überhaupt fahrbar sind. Und schwups, weg sind die beiden Uniformträger. Stehen die jetzt hinter irgendeinem Busch und lauern drauf, das wir uns auch tatsächlich vom Acker machen? „Wird wohl nicht so günstig sein, wenn wir uns jetzt weiter unten auf den Walmart-Parkplatz stellen?“ meint der Copilot.

Wir ziehen das nächst gelegene Travelcenter des Pilot J vor. Rund um die Uhr geöffnet, mit Duschmöglichkeiten und gutem Kaffee aus frisch gemahlenen Bohnen. Viele Trucks und auch Camper laufen diese Travelcenter an. Hier ist Übernachten im Auto gang und gäbe, da klopft niemand an die Scheibe und leuchtet uns heim.

Stattdessen brummen die Aggregate der Trucks und auch der Motor unseres direkten Nachbarn läuft fast die ganze Nacht. Wahrscheinlich um die Temperatur im Inneren auf angenehm zu halten. Kissen und Plastikteile sperren neugierige Blicke aus. In die verbliebenen Lücken sind diverse Kleidungsstücke gestopft. Ob der wohl „homeless“ ist?? Zu gerne würden wir ja mal sehen, wer da neben uns schläft. Leider lässt sich niemand blicken. Ist wohl zu aufwendig, die Verbarrikadierung zu entfernen.

Homeless …. dieses Wort geht mir nach, steckt wie in einer Spirale in meinem Kopf fest, ist nicht mehr raus zu bekommen. Sind wir vielleicht doch homeless, auf welche Weise auch immer? Wie viele Menschen leben hier wohl auf der Strasse, so oder so? Leben und schlafen in ihren Autos?

Richmond ist eine grosse, von Industrie geprägte Stadt. Klar, das es hier auch ärmere Wohnviertel gibt. Wohnen in Mobilheimen ist hier sehr in weil wahrscheinlich bezahlbar. Entsprechend viele Wohnparks dieser Art passieren wir auf unserem Weg quer durch die Stadt. Aber auch das sog. „Latinoviertel“ gehört zu den Ecken, die wir gerne als „hübschhässlich“ bezeichnen. Armut ist unübersehbar und äussert sich auch an zunehmender Verschmutzung der Strassen.

Der Highway No 1 führt hier durch. Mit einem schnörkeligen Schild als „historic way“ bezeichnet. Was daran historisch ist, können wir nicht erkennen. Charmante Gebäude aus früheren Jahrhunderten können wir jedenfalls keine entdecken. Aber vermutlich hat man sich hier im Bürgerkrieg - wie an so vielen Orten in Virginia - gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Historisch belegt und vielerorts dokumentiert.

Übernachten auf dem Parkplatz - ganz normal, je nach Parkplatz

Übernachten auf dem Parkplatz - ganz normal, je nach Parkplatz

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