Mittwoch, 08. August - Werner beobachtet mich an diesem Morgen und gesteht mir spaeter in Spanien, das ich an diesem Morgen den Eindruck gemacht haette, lieber noch nicht los zu fahren. Ich gestehe: da war schon einiges an Bammel im Spiel bei mir. Aber nach allen Wetterberichten (den offiziellen und den ganz privaten) war mir klar: einen besseren Zeitpunkt gibt es in den naechsten Tagen vielleicht so schnell nicht noch einmal. Fuer mindestens 2 Tage ist Wind aus N-NE der Staerken 3-5 vorhersagt. Ab Freitag soll er dann auf S-SW drehen. Das waere alles ideal. Wozu also zoegern?

Unter Segel vorm Wind auf der Biskaya

Unter Segel vorm Wind auf der Biskaya

 

 

 

 

 

 

Um 10:30 fahren wir los, das ist stroemungstechnisch eine guenstige Zeit sagt mein stroemungs-erfahrener Skipper. Beschaeftigung lenkt bekanntlich ab und zu tun ist genug vor der Abfahrt. Also Leinen los und ab. Diesmal ist die Hafenausfahrt wirklich so eng, dass wir das Grosssegel erst in der Bucht setzen. Die Sonne scheint, es ist Ferienzeit in Frankreich und dementsprechend viele „Sunny-Sailor“ sind unterwegs. In Bikini und mit Sonnenbrille bewaffnet sitzen die Damen da an Deck. Wir stehen in Segelhosen und mit dicken Fleece-Pullovern „bewaffnet“ hinterm Ruder. Mit Motor und dicht gesetztem Gross geht es durch die Bucht von Brest. Dann sind wir draussen und gehen auf einen anderen Kurs, setzen die Genua dazu. Kurze Zeit spaeter ist der Motor aus – wir segeln!

Da strahlt er mit dem Himmel um die Wette

Da strahlt er mit dem Himmel um die Wette

 

 

Von Backbord „winkt“ uns der Leuchtturmwaerter vom Ar-Men zu, das ist das letzte, was wir von Frankreiche sehen….nein, da steht natuerlich keiner, der uns winkt! Vor uns liegt viel blaues Wasser – die Biskaya oder wie die Franzosen dieses Gewaesser auch nennen: der Golf du Gascogne!

Die letzten Felsen der Bucht von Brest - dahinter erwartet uns die Biskaya

Die letzten Felsen der Bucht von Brest - dahinter erwartet uns die Biskaya

 Unser erster Mehr-Tages-Toern mit Nachtfahrten steht vor uns und uns beschaeftigt erstmal nur die Frage, welches Segel wir setzen. Werner bereitet schon mal den nigelnagelneuen Gennaker vor. Der bleibt aber erstmal noch unter Deck. Der Wind legt auch brav etwas zu, Genua und Gross ziehen uns auch gut vorwaerts. Zu Beginn sind noch einige andere Boote mit uns unterwegs, doch das dividiert sich bald auseinander und wir verlieren uns in der Weite des Meeres. Die Welle ist total angenehm, sanft und lang gezogen. Und trotzdem ist jeder Gang unter Deck eine kleine Sporteinlage. Und unsere alte Holzschiffdame aechzt und stoehnt auch etwas. Sie hat es ja auch wahrlich nicht leicht mit uns. Moewen und Delphine sind jetzt unsere Begleiter. Gegen Abend kommt doch noch ein anderes Segelboot in Sicht. Auf dem AIS identifizieren wir sie als Segelyacht Anna-Lena. Die ganze Nacht segeln die beiden Schiffe Seite an Seite, immer wieder sehen wir das Toplicht der Anna-Lena mal etwas voraus, mal auf gleicher Hoehe, aber immer in gleicher Entfernung. Irgendwie auch beruhigend, zu wissen, da sind noch welche hier draussen. Aber das sagt uns ja auch das AIS: Fischer, Frachter tummeln sich um uns, sind aber nie sichtbar. Da wir vorm Wind segeln, muessen wir uns doch erstmal einen Bullenstander fuer den Grossbaum basteln. Gefuehlvolles Steuern ist trotzdem angesagt, sonst flapt unsere Genua unwillig hin und her – die haben wir naemlich nicht ausgebaumt. Bei dem Gewicht unseres Spinnakerbaumes ist uns das etwas zu riskant, der ist uns einfach zu unhandig.

 

 

Unser Gennaker ist ganz schoen raumfuellend!

Unser Gennaker ist ganz schoen raumfuellend!

Die Sonne geht spektakulaer unter und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich viel zu sehr mit Ruder-gehen und gucken beschaeftigt war, als das ich haette Fotos machen koennen :-( …. Wir haben uns eine dicke, bequeme Liegematte auf die Cockpitbank gelegt, 2 Fleeceschlafsaecke liegen ebenfalls parat. Immer abwechselnd legt sich einer von uns so schlafen. Das funktioniert ganz gut. Wir sind immer sofort standby, wenn irgendwas an der Segelstellung geaendert werden muss. Ich habe zwar das Gefuehl, nicht wirklich zu schlafen, aber Werner meint, meinem Grunzen nach zu urteilen, habe ich tief und fest geschlafen…. Wir lassen das mal so im Raum stehen. Ich steuere nach einem Stern und dem Wind, eine ganz neue Erfahrung. Immer wieder wird der Kurs auf dem Kompass kontrolliert, Werner stiefelt nach unten, nimmt unsere Position und sagt mir die zurueck gelegten Distanzen. So vergeht unsere erste Nacht auf See unerwartet ruhig und wir entspannen uns langsam etwas, koennen den Anblick der Sterne und des Mondes ueber uns geniessen. Das Zischen und Rauschen der Wellen, die uns leicht anheben, unter uns durch gehen und vor uns weiter laufen. Wenn das Schiff dann gut getrimmt ganz leicht auf dem Ruder liegt, das sind absolute Gluecksmomente und wohl die Momente, die uns immer in Erinnerung bleiben werden. Oder wenn man tagsueber den Delphinen bei ihren eleganten Spruengen zuschaut: Oder den Moewen, die unser Boot offenbar als Anflugpeilobjekt benutzen und sich in ihrem Element genauso elegant bewegen wie die Delphine. Dagegen fuehlen wir uns wie bleierne Enten.

Am naechsten Morgen ist Anna-Lena immer noch neben uns und Werner ruft sie per Funkgeraet. Wir bekommen auch Antwort, wechseln ein paar Worte. Kommend aus Rotterdam will die ebenfalls aus 2 Menschlein bestehende Crew ebenfalls nach La Coruna.  Kurze Zeit spaeter nimmt der Wind zu, wir rollen die ueber Nacht etwas verkleinerte Genua aus und kurze Zeit spaeter bleibt Anna-Lena zurueck und wird langsam kleiner und kleiner. Irgendwie schade, aber deshalb jetzt wieder die Bremse einlegen? Nee, kommt nicht in die Tuete! Der Tag vergeht mit Segelstellung dem jetzt etwas mehr aus Ost einfallenden Wind anpassen, Ruder gehen, Segeltrimm ausprobieren, Genua etwas einrollen wenn wir zu sehr anluven bzw. das Ruder schwer zu halten ist. Werner uebernimmt die Smutje-Aufgaben, muss allerdings weitgehend nur fuer sich selbst sorgen. Ich verweigere vorsichtshalber mal die Nahrung, ein Apfel und ein Schokoriegel in Kombination mit Ingwer-Tee und Wasser sind ausreichend. Die anfaenglich skeptischen Blicke weichen schnell. Am 2. Abend erwischt es mich dann doch noch: ich schaffe es gerade noch, einige Emails in das Netbook einzutippeln, dann ist alles zu spaet und ich hechte nach einem Zwischenstopp im Bad im Affenzahn Richtung Ruder. „Kannst Du bitte die Emails versenden, das schaff ich nicht“… Dicke Fragezeichen in Skippers Augen, aber er versteht schnell und folgt meinen Anweisungen, wie er die Emails versenden muss. Zum Glueck habe ich das jetzt so oft gemacht, dass ich ihm genau sagen kann, welcher Button wie aussieht, wo zu finden und wann zu druecken ist. Mein Magen beruhigt sich derweil relativ schnell wieder. Wenn nicht das Problem der schmerzenden Schultern, mueden Augen und dem nicht mehr wissen, wie man stehen/sitzen soll waere – ich koennte tagelang Ruder gehen :-)!

ICH war die ganze Zeit barfuss!!

Standardmontur waehrend dieser 3 Tage: warmer Pullover, teilweise auch noch eine Jacke -aber immer der Sonnenhut auf dem Kopf! Ach ja - fuer alle Interessierten: ICH war die ganze Zeit barfuss!!

 

 

 

 

 

 

Meine Nachtruhe wird von flappenden Segeln und einem rollenden Schiff unterbrochen. „Wir haben Nebel und der Wind ist weg“ bekomme ich die Auskunft. Ich gucke verwirrt, muss mich selbst erstmal orientieren. Ein Blick auf den Kompass: 330Grad…aeh, da wollten wir nicht hin glaube ich! „Wo faehrst Du denn hin??“ Du musst doch viel mehr nach Backbord. Werner legt das Ruder um und wieder zurueck, Schiff und Kompassanzeige eiern von einer Seite zur anderen. Schlagartig bin ich wach „Lass mich mal“ – ohne Widerworte bekomme ich das Ruder ueberlassen, brauche auch erstmal einen Moment und bekomme dann aber Kurs und Ruderstellung wieder in Einklang. Und guck, da ist auch wieder der Wind. Ist doch alles o.k. Werner hat einfach zu lange damit gewartet, mich zu wecken. Dazu die Nebelbank, das war wie ein Blindflug. Was ist man doch auf seine kaerglichen Sinnesorgane angewiesen. Wir sind beide froh, als der 3. Tag anbricht, wenn auch mit dicken grauen Wolken. Ganz im Sinne einer ausgewogenen Ernaehrung besteht mein Fruehstueck aus einem Apfel und Werner goennt sich die restlichen Gallettes mit rohem Schinken. Ein wirklich guter Duft zieht aus der Pantry Richtung Ruder, doch ich bleibe beinhart und kaue tapfer meinen Apfel. Dazu nen Ingwer-Tee…noch eine Woche auf See und ich passe wieder in Kleidergroesse 38…ach nee, die hatte ich ja noch nie :-)

Im Laufe des Tages dreht der Wind doch tatsaechlich auf S-SW. Das ficht uns aber weiter nicht an. Wir haben so gut vorgehalten Kursmaessig, dass wir uns jetzt gut einen Am-Wind-Kurs erlauben koennen, der nicht mehr so ganz unserem urspruenglichen Kurs entspricht. Bald sehen wir auch wieder Frachter am Horizont. Wieso geht das hier eigentlich bergauf?? Die Wasserflaeche vor uns sieht tatsaechlich so aus, als fuehren wir bergauf. Das war mir an der franzoesischen Kueste schon mal aufgefallen, scheint aber nicht immer der Fall zu sein. Ich doese wieder etwas vor mich hin. „Elke, wir muessen was mit dem Segel machen“ – „ja, komme“. Bis man sich aus so zwei duennen Schlafsaecken gewurschtelt, die Brille gefunden und auf die Nase gepflanzt hat, das dauert doch so ein, zwei Minuetchen. Mein Gott, schon wieder Nebel?? Nee, nur ein feiner Salzschleier auf den Brillenglaesern. Puh, der ist schnell weg gewischt. Tja, was machen wir denn nun? Der Wind hat weiter gedreht und ist auch noch weniger geworden. Wie weit ist es denn noch? 55sm teilt mir der Skipper mit. Die Entscheidung fuer den Start des Motors ist schnell gefallen. Bei Westwind hier noch lange rumdaddeln? Nee, jetzt wollen wir nur noch eines: Ankommen!!!!

Und doch kommt auch noch unsere 3. Nacht auf See. Langsam sehen wir die Lichter der Seezeichen und Leuchttuerme. Am Ufer sind auch die Lichter von Ortschaften auszumachen. Ein Fischerboot mit einem enorm hellen Hecklicht faehrt ebenfalls auf La Coruna zu, ist fast wie ein Wegweiser fuer uns. Wir hangeln uns an den Untiefentonnen vorbei, einige Kurswechsel sind noch zu machen. Mensch, das zieht sich ganz schoen.  Ich bin schon ganz ungeduldig und nerve Werner mit meiner staendigen Fragerei “wo ist denn nun diese Bucht, ist es vielleicht da drueben? Muessen wir nicht weiter rueber??” Er zeigt sich geduldig und gibt mir stur immer nur neue Kurse vor. Dann laufen wir an einem riesigen Seezeichen kurz vor  La Coruna vorbei. Ein auslaufender Frachter kommt uns entgegen, ist aber weit genug weg. Von der Stadt droehnt Musik herueber, da scheint ja richtig was los zu sein. Ein Schwenk nach Backbord, Richtung Ensenada de Mera. Werner lotst mich anhand der elektronischen Karte in die Ankerbucht. Da ruft doch tatsaechliche einer im Funkgeraet auf schoenstem Norddeutsch (o.k. fast): „Sailing Vessel Nadscha, Nadscha for Port Control Coruna….“ Wow, der meint tatsaechlich doch uns! Mist, ist in der Bucht kein Ankern mehr erlaubt?? Werner hechtet zur Funke und ich drehe vorsichtshalber noch mal einen Kringel vor der Bucht. Man weiss ja nie. Er wird nach dem woher, wohin gefragt, wieviel Personen wir an Bord sind. Werner erklaert, dass wir in der Bucht vor Anker gehen wollen, muede sind. Das kann der Herr am anderen Ende der Leitung nur allzu gut verstehen, heisst uns willkommen in La Coruna und wuenscht uns eine gute Nacht. Also Kringel zurueck und neuer Anlauf. Auf 10 Meter Wassertiefe wollen wir ein Stueck von zwei anderen Ankerliegern (die wir erst relativ spaet entdeckten, obwohl wir zu zweit nach solchen „Hindernissen“ Ausschau hielten!) den Anker fallen lassen. Ich druecke auf den Winsch-Schalter und es tut sich NIX!!! Nee, ne!! Was soll das denn jetzt?? Nochmal und nochmal. Aber der Schalter und somit auch die Winsch weigern sich hartnaeckig. Ob das letzte Anker-auf-Manoever auf Guernsey vielleicht doch zu viel war?? Egal, runter bekommen wir den Anker. Vorsichtshalber und entgegen unserer sonstigen Sicherheits-Vorsaetze gibt Werner nicht soviel Kette. 01:30 – wir liegen fest vor Anker in der Ensanada de Mera, beobachten unsere Position, essen noch Nudeln, koepfen eine Flasche Pro-Secco und sind einfach nur gluecklich und sehr sehr dankbar. Dankbar fuer eine Bilderbuch-Biskaya-Querung. Fuer einen tollen Wind, fuer eine aeusserst angenehme Welle, fuer besondere Momente, fuer alles, was wir in diesen 3 Tagen von unserem Schiff gelernt haben. Und dafuer, dass wir uns aufeinander verlassen koennen, dass jeder seine Staerken hat und wir uns so ideal ergaenzen.

Um 3 Uhr fallen wir in die Koje und werden von unserem Schiff ganz, ganz sanft in den Schlaf gewiegt.

Wir sind in Spanien! Und ihr alle seid mit uns ueber den Golf du Gascogne hierher gefahren, habt uns begleitet. Auch dafuer sind wir dankbar.

 

 

 Unsere Segel-Freunde waren in dieser Form und stellvertretend für alle nicht auf der Flagge abgedruckten mit an Bord. Wir hatten sie sorgsam im Vorschiff verstaut, damit sie die Reise auch unbeschadet überstehen und jetzt dürfen sie A Coruna anschauen!

 

 

 

 

 

 

 

 

Und stellvertretend für all “unsere” Kinder ist dieses Kissen mit an Bord, auf dem Marc & Tina zu sehen sind. Diese “beiden” haben die Reise im Achterschiff mitgemacht.

 

 

 

 

 

 Und da wir uns jetzt so richtig “on tour” fühlen, werden auch die Shirts, die wir von den Fussball-Freunden zum Abschied bekommen haben, endlich ausgeführt :-)