Monats-Archiv Januar, 2015

Wenn ich einmal reich waer …

IMG_2546komp.JPG

Tanks auf dem Weg von der Marigot Bay in die Rodney Bay, die “Schattenseiten” des Paradieses bzw. ganz normaler Alltag. Nicht alles ist Urlaubsidylle auf den Inseln.

Wenn ich einmal reich waer…..

Jetzt schwelge ich im Luxus und hab keinen Fotoapparat dabei, kein Handy – nix, nada. Kuehl und blau liegt er vor mir, der „Lower Pool“ des Capella Resort in der Marigot Bay auf St. Lucia. Den darf man nutzen, als Mooringgast der zugehoerigen Marina. Der Poolboy bringt dienstbeflissen duftige blaue Badetuecher und stellt einen Kuehler mit zwei Wasserflaschen neben meine Liege. Von oben plaetschert unaufhoerlich Wasser in den Pool – nein, kein Regen. Eher eine Art Wasserfall, der sich von der naechsten Etage in den Lower Pool ergiesst und seine Fortsetzung am hinteren Beckenrand findet, wo er auf die naechste Ebene plaetschert. Schau ich ueber den Poolrand, taucht die Lagune mit Palmen und Masten vor mir auf. Gegenueber die Mangrovenbewaldung, durchsetzt mit einzelnen Haeusern. Blauer Himmel, strahlende Sonne. Bahn um Bahn schwimme ich durch das Wasser. Geniesse und teile nur mit zwei schwarzen, amselaehnlichen Voegeln. Die mit den hellen Knopfaugen und dem listigen Blick.

Auf der Terrasse ueber mir fruehstuecken einige Hotelgaeste, ansonsten herrscht noch Ruhe zu dieser fruehen Stunde. Man hat ja schliesslich Urlaub und laesst den Tag langsam angehen.

Eins werden mit dem Wasser, schwimmen, bewegen, Gymnastik – gross ist er nicht, der Pool, aber einfach herrlich. Das ist Luxus. Wenn ich einmal reich waer …. Dann haett ich auf jeden Fall einen solchen Pool mit solchem Ausblick. Und wuerde jeden Tag darin schwimmen. Immer im Wechsel, mal im Meer, mal im Pool. Aber reich bin ich ja doch eigentlich. Reich an Zeit, reich an schoenen Erlebnissen verschiedener Art, reich an Begegnungen mit wunderbaren Menschen, reich an schoenen Segelstunden, reich an vielfaeltigen Erfahrungen. Was macht Reichtum schon aus? Doch nicht nur das finanzielle. Und eigentlich hab ich ja einen riesigen Swimmingpool tagtaeglich um mich herum. Auch wenn er nicht immer so herrlich blau und ausserdem ziemlich salzig ist. Das Salz in der Suppe des Lebens vielleicht?

Ausruhen auf den gerade so modernen Korbmoebeln die gar nicht aus Korb sind. Kunststoff aber trotzdem sehr gemuetlich und schoen anzusehen. Gigantisch grosse Sitzmoebel stehen hier, mit schattenspendendem Stoff umhuellte Liegen laden zum relaxen ein. So nach und nach belebt es sich; „any sharks today?“ – no, I’m lucky today. Das aeltere, noch bleichgesichtige Paar schmeisst sich auf die Liegen, zueckt die mitgebrachten Taschenbuecher und gibt sich dem Urlaubsfeeling hin. Und ich begebe mich auf Wanderschaft. Bestaune die Appartmenthaeuser mit den Jaccuzi-Whirlpools auf der Terrasse, bewunder den oberen Pool (der deutlich beliebter ist bei den Hotelgaesten), erfahre, dass die Anlage komplett renoviert und gerade erst vor einem Monat neu eroeffnet wurde und trolle mich dann wieder zu meinem eigentlichen Zuhause.

Auf dem wird mit schwerem Geraet unserer maroden Ankerwinsch zu Leibe gerueckt. Denn raus muss sie, so oder so. Entweder ist sie reparabel oder aber sie muss einer Neuen weichen. Mit Ingbert, dem Mecanico hier vor Ort verbindet uns schon ein fast freundschaftliches Verhaeltnis, dass durch die Einladung zur Gemuesesuppe noch verstaerkt wird. Zum Dank bleibt eine Staude Bananen an Bord und der Stundenlohn faellt auch etwas geringer aus, wie urspruenglich angesagt.

Aber auch der permanent durch die Bucht paddelnde, Bananen verkaufende Weihnachtsmann und all der Luxus im Resort kann uns nicht dazu bewegen, noch einmal 30 USD fuer eine weiter Nacht hier in Marigot Bay, im Paradies, zu berappen. Auf zahlreichen Ausflugsbooten werden Urlauber durch die Bucht geschippert, Dr. Doolittle laesst wahrlich gruessen – vor allem auf einer grossen Werbetafel fuer das gleichnamige Restaurant. Strandgaeste setzen mit dem Taxiboot auf die andere Seite der Bucht ueber und Yachten laufen ein und aus.

Wir machen uns motorsegelnd auf den Weg zur ca 10 Meilen entfernten Rodney Bay, Anlaufpunkt der alljaehrlichen ARC-Regatta. Vorbei an grossen, runden Tanks zu denen ein Verladehafen gehoert. In Castries liegen gleich drei Kreuzfahrtschiffe und vor der Rodney Bay ankert ein weiteres, mit Masten aber nicht unbedingt als Segelschiff einzustufendes. Wir laufen in den schmalen Kanal zur Bay ein, vorbei an urbanen Huetten, vor denen die typischen Holzboote liegen. Was fuer ein Kontrast zu der quer liegenden Megayacht, die in der Marina festgemacht hat. An den Steganlagen vorbei geht es in die innere Lagune. Hier liegen Mooringbojen und gut, das ich nicht am Ruder stehe: geht doch das Echolot arg in die Tiefe! Mooringbojen angeln dieses Mal ohne Unterstuetzung eines Marineros. Sch … ist das Schiff hochbordig! Schwupp, schon ist die Boje weit weg, der Haken viel zu kurz, die Arme auch. Vielleicht wen ich weiter hinten …. Nee, da ist die Reling irgendwie im Weg, geht auch nicht. Im zweiten Anlauf bekomme ich den kleinen Haken auf der Boje mit unserem Schleusenhaken dann doch noch zu fassen. Uff, da ist ganz schoen Zug drauf, nur nicht die Finger dazwischen bekommen. Der Kaeptn belegt das Miniauge im Sicherungstampen auf einer Klampe (skeptischer Blick der Crew: haelt das wirklich?) und erledigt den Rest dann vom Dinghi aus. Dann liegen wir fest, schauen uns um, etwas zweifelnd. Sind wir hier richtig? Muss wohl so sein, auch wenn keines der anderen Schiffe irgendwie bewohnt aussieht. Wir fuehlen uns etwas wie auf einem Abstellplatz. Dafuer stehen ringsum prachtvolle Haeuser, in Reihe oder einzeln. Aber immer mit eigenem Bootsanleger davor.

Eilig geht es an Land, Anmeldung im Marinabuero. In einer der zahlreichen Bars treffen wir auf mehrere, uns aus Trinidad bekannte, Segler. „Office, da koennt ihr euch Zeit lassen, die haben schon Feierabend“. Na, auch gut. Bummeln wir halt noch etwas durchs Gelaende, sondieren das Supermarkt-Angebot und finden die OEffnungszeiten von Island Waterworld heraus, dem hiesigen Bootszubehoerhaendler. Der wird morgen gleich unsere zweite Anlaufstelle sein. Aber fuer heute reicht es uns, es zieht uns zurueck aufs Chaos-Schiff, zurueck zu Froschgequake und viel Ruhe um uns herum.

Nicht mein Tag

Nicht mein Tag

Oder besser gesagt: nicht unser Tag. Fing es doch gestern Abend schon an: Wasser in der Bilge. An und fuer sich und fuer unser Schiff nichts Ungewoehnliches. Man lebt damit, irgendwie und funktionierender Bilgepumpen sei Dank auch relativ entspannt. Dieses Mal aber ist es anders; ein OElfilm schliert auf dem ausgepumpten Wasser rum, dicht gefolgt von einer muddeligen kackgelb-braunen Bruehe, undefinierbar, weitgehend geruchlos (Faekalientank scheidet also aus zweierlei Gruenden aus). Im Bereich der Motorbilge dann etwas russig wirkendes Wasser. Umgehend wird der schon in Brasilien reparierte Wassersammler verdaechtigt. Aber woher kommt diese andere Bruehe? Ist uns was in den Staufaechern ausgelaufen? Aber was und warum, wann????

Es regnet. War ja klar. Geht aber wieder vorbei. Ganz langsam wird es heller. Haetten wir doch gestern Abend schon losfahren sollen? Um 21 Uhr war die Sicht irgendwie besser…. aber jetzt ist es wie es ist. Von den Mooringleinen kommen wir gut frei. Haben ja auch alles gestern schon praepariert. Das Dinghi wird wieder lieblos hinterher gezerrt. Gross hoch, Genua dazu, alles brav eingerefft. Kaum sind wir aus der Abdeckung von St. Vincent raus, geht der Tanz auch schon los. Wind zwischen 20 und 30 Knoten, eine beachtliche Welle rauscht von seitlich vorne heran. Ab geht die wilde Luzie, zeitweise laufen wir um die 9 Knoten, nicht schlecht fuer Frau Panzerkreuzer mit ihrem geschaetzten Bruttogewicht von 18 Tonnen. Aber etwas moderater waere fuer uns auch o.k. gewesen. So manche Welle knallt nicht nur gegen den Rumpf, sondern rauscht auch uebers Deck. Und eine besonders vorwitzige weckt mich aus meinem Sekunden-Nickerchen, indem sie mit Getoese ueber Sprayhood und Cockpit fegt - genau neben meinem rechten Ohr und ueber meinen Kopf hinweg. Das reisst hoch.  Und bringt sogar unseren Windgenerator zeitweise so aus dem Konzept, dass er eine Ruhepause einlegt.

Dafuer umkreisen uns Seevoegel, schweben im Abwind unserer Segel auf der Stelle, um sich dann seitlich vom Schiff kamikazeartig ins Wasser zu stuerzen. Beutezug, fast immer erfolgreich. Aus einem werden 2, dann 3,4. Zuletzt fuehlen wir uns leicht umzingelt. Dicht vorm Bug wird vorbei geflogen, seitlich laesst man sich versetzen, stuerzt sich ebenfalls direkt vorm Schiff ins Wasser, um Sekunden spaeter wieder zu starten. Luftakrobatik vom Feinsten bekommen wir geboten. Das lenkt ab und den Blick von den hohen Wellen hoch in die Luefte. Bis es wieder rummst und unser Anker umspuelt wird. Alles ist salzverkrustet. Ob es heute wohl nochmal regnet? Das waere echt praktisch.

Leider verlieren wir etwas unsere Kurslinie aus dem Blick und laufen so mit gut 12 Meilen fast an St. Lucia vorbei. Anluven ist auch nicht mehr so wirklich moeglich. Bloed gelaufen, die letzten 7 Meilen motoren wir mehr oder weniger gegenan. Zwischendrin besorgte Blicke in die Bilge: natuerlich – wieder Wasser drin. Auspumpen. Denkste, die neu installierte Bilgenpumpe streikt. Etwas spaeter zweiter Versuch und siehe da: das Puempchen tutet wieder. Wir hinterfragen das jetzt nicht so genau. Dafuer hat der Motor heute frueh die Batterien nicht so geladen wie er sollte. Keilriemenpruefung – alles korrekt. Na, vielleicht loest sich ja auch dieses Problem ueber Nacht von selbst.

Zwischendrin, so hoch am Wind klatscht dann noch ein grosser Schaekel vor der Windschutzscheibe runter. Schaekel und Bolzen werden geborgen, aber woher kommt das Teil??? Fragende Blicke zum Baum – aah, da fehlt einer. Seiner bisherigen Aufgabe, dem Halten der Lazy-Jack Leinen, beraubt, hat er sich wohl gedacht, eine Auszeit waere fein. Wie sich Schaekel oeffnen koennen, die Frau unter normalen Umstaenden nur mit einem Imbusschluessel aufbekommt, wird mir ein ewiges Raetsel bleiben.

Kurz vor der Einfahrt in die Marigot Bay reisst dann noch das Dinghi-Schleppseil. Dick und doch nicht dick genug. Und schon gar nicht gewappnet gegen eine saebelnde Suellkante. Glueck im Unglueck: der Sicherungsdraht war noch angeschlossen. Der schabt jetzt am vorderen Wulst der armen Gummiwutz. Gut, dass wir gleich da sind und Fahrt wegnehmen muessen. Wutzen atmet auf aber offenbar nicht aus, sieht etwas ramponiert aus, wirkt aber noch dicht.

Per Funk ordern wir eine Mooringboje in der Capella Marina. Die hab ich mir traenenreich erkaempft oder besser gesagt erschwiegen. Ist naemlich nicht gerade preiswert mit 30 USD pro Nacht. Und teilen will anscheinend auch keiner seine Mooring. Das wuerde das Liegegeld naemlich halbieren und die Moorings sind darauf ausgelegt, bis zu 3 Schiffe zu beherbergen. Gewichtsmaessig vielleicht, platzmaessig sieht das teilweise ganz anders aus. Egal, wir werden exclusiv zu No 5 geleitet. Customs und Immigration arbeiten auch noch bis 16:30, also nix wie hin. Gleich nebenan duerfen wir 40 ECD bei der Hafenbehoerde fuer was auch immer berappen, eine Tuer weiter vorne wird die Liegegebuehr kassiert. In der ist zumindest Free-Wifi am Liegeplatz enthalten. Und ausserdem darf man den Resorteigenen „lower Pool“ nutzen. Auch „Towels“ werden zur Verfuegung gestellt. Na, das ist doch mal ein Angebot, das lass ich mir definitiv nicht entgehen! Ist nur die Frage, wann ich das nutzen werde. Vielleicht morgen frueh, wenn der Kaeptn sich die Ankerwinsch zur Brust nimmt? In der Hoffnung, dass wir baldigst dem Resort entfliehen und wieder vor Anker liegen koennen.

Wir schlendern durch die Marina, vorbei an blitzblank polierten Yachten. Da glaenzt und spiegelt alles. Nix haengt an der Reling, keine farblich und groessenmaessig zusammen gestoppelten Fender stoeren die edlen Linien. Man verzichtet grosszuegig auf Nachbarn, die solche Abstandshalter notwendig machen. Wie machen die das nur? Bekommen die wirklich alle Leinen immer trocken in ein dafuer vorgesehenes Fach gelegt? Wieviel Stauraum hat so eine Yacht wohl und ist da drin auch alles blitzeblank und sauber? Kommt da nie mal irgendwie auf wundersame Weise Salzwasser rein und wird zu spaet bemerkt? Erstarre ich jetzt in Ehrfurcht vor soviel penibler Ordnung und Sauberkeit oder seufze ich resigniert und finde unser Boot einfach “gemuetlich”? Obwohl davon unter Deck derzeit mal wieder wahrlich keine Rede sein kann. In wilder Unordnung ist alles von hinten zur Mitte gewandert, was vor und im Stauraum im Wege lag. Nach dem Motto “wird sich schon ein Plaetzchen finden” und ich nehme mir ganz fest vor, vorm naechsten Heimflug gruendlich auszumisten! Auf das die heimatlichen Landschraenke voll werden!

Da unser Dinghi-Antrieb nicht mehr aus der waagrechten Transportlage in die aufrechte Fahrlage zu bewegen ist, muessen wir die Wege an Land paddelnd zurueck legen. Gut, das wir es nicht weit haben und hier in der inneren Lagune kaum Stroemung und wenig Wind herrscht. So kommen wir flott voran und sind rechtzeitig zum Dinner wieder an Bord. Das koennten wir auch drueben im Top Ten Fine Dining Restaurant Rainforest Hideaway einnehmen. Mit Live-Mucke, Gesang und allem Pi-Po. Uns aber steht der Sinn weder nach Bananen, noch nach Papayas und schon gar nicht nach Restaurant. Wir wollen einfach nur sitzen und unsere Ruhe haben. Das ist jetzt allerdings auch an Bord nicht so einfach. Knattert doch im Minutentakt das Lagunentaxi-Boot wahlweise vor unserem Bug oder hinter unserem Heck vorbei. So dicht wie nur irgend moeglich. Damit wir auch ja alles gut mitbekommen. Was liegen wir auch mitten in der Fahrschneise!

So wirklich viel los ist hier ja nicht. Wie es wohl in der Rodney Bay aussieht? Die ja von den ARC-Yachten frequentiert wird. Aber die ARC ist schon einige Wochen vorbei, die teilnehmenden Yachten sind in der Karibik angekommen und haben sich mittlerweile auf die verschiedenen Inseln verteilt. Nehmen wir zumindest mal an. Aber auch hier in der Bucht haben die Catamarane das Sagen. Und ein guter Teil davon faellt in die Kategorie „Charter“.

Einige unserer Nachbaryachten bekommen noch Besuch vom Customs-Officer. Der sitzt mit weissem, frisch gestaerktem Hemd und dunkler Hose im Bug des Marina-Schlauchbootes, wedelt mit irgendwelchen gruenen Zetteln rum und laesst sich von Boot zu Boot chauffieren. Warum? Wir verstehen es nicht, war ja klar, dass er zu uns nicht kommt; wir waren ja gerade erst bei ihm im Buero.

Hinter den Palmen glueht es orangerot, die Sonne geht ein Stueck weiter links hinterm Berg unter. Noch ist das so. ist ja noch kein Sommer. Dann strahlt sie am Abend direkt in die Lagune hinein, das sieht bestimmt richtig kitschig-schoen aus. Dazu das Frosch-Konzert von Land, Grillen zirpen dazu. Irgendwie klingt es hier doch ganz anders wie noch auf St. Vincent. Andere Insel – andere Froesche?

Abendhimmel in der Marigot Bay, St. Lucia

Abendhimmel in der Marigot Bay, St. Lucia

Wellengang mit Salzgeschmack - das Deck wird heute ordentlich gespült

Wellengang mit Salzgeschmack - das Deck wird heute ordentlich gespült

Akrobatik am Himmel - schwereloses Gleiten in der Thermik unserer Segel

Akrobatik am Himmel - schwereloses Gleiten in der Thermik unserer Segel

Grau und nebel verhangen nimmt St. Vincent von uns Abschied

Grau und nebel verhangen nimmt St. Vincent von uns Abschied

Segeln unterm Regenbogen - Vor St. Vincent keine Seltenheit

Segeln unterm Regenbogen - Vor St. Vincent keine Seltenheit

Sonntag auf St Vincent

25.01.2015 Sonntag in der Kearton Bay auf St Vincent

11:26 ….. 11:26???? Wo ist die Zeit hin? Eben noch war es 9, allerbeste Fruehstueckszeit.Regengrau schiebt sich ueber die Berge hinter der Kearton Bay. Die Brandung rauscht verhalten an den Strand, rechts oben von einem anderen Huegel erklingt erst die Stimme eines Predigers, dann Musik und Gesang. Sonntag auf St. Vincent. Waehrend sich einige Jugendliche schon am Strand tummeln und aus dem Ort moderne Musik herueber schallt, geht ein Teil der Bevoelkerung in die Kirche. Hunde bellen, Schafe und Ziegen sind zu hoeren, der Hahn hat sein fruehmorgendliches Kraehkonzert bereits wieder beendet.

Und wir, wir gammeln durch den Tag. Lesen mal wieder Revierfuehrer, raeumen Ordner im PC auf und widmen uns dann mal dem Chaos unter Deck. Die Entscheidung, heute in aller Fruehe NICHT weiter zu fahren, wurde innerhalb weniger Sekunden und sehr einstimmig getroffen. Die auf die Persenning prasselnden Regentropfe, das truebe Morgenlicht taten das ihre dazu.

Draussen zieht ein grosses Segelboot vorbei, unter Maschine. Wind? Wohl eher keiner vorhanden, heute frueh. Auch unserer Windgenerator ruht sich aus, das Wasser in der Bucht ist nur maessig bewegt.

Der Kaeptn vertieft sich in den Panama-Guide. Der Kanal. Noch so weit weg und doch schon so praesent. Befreundete Crews sind gerade durch gegangen, haben den Pazifik erreicht. Und reparieren munter weiter. Wir goennen es niemanden, wahrlich nicht. Wuenschen jedem ein gut funktionierendes Schiff. Aber ein klein wenig troestlich ist es doch immer wieder, zu hoeren, dass es nicht nur uns so geht mit dem ewigen reparieren. Viele gehen dazu ueber, gar nicht mehr davon zu reden. Es gehoert zum Alltag wie Kaffee kochen und ist keine Erwaehnung mehr wert. Auch will man gar nicht mehr bemitleidet/bedauert werden. Schwingt da nicht vielleicht ja auch manchmal etwas Haeme mit? Ausgesprochen oder dezent verpackt. Sprechen wir doch von selbst gemachten Leiden. Warum muessen wir auch mit einem Segelboot durch die Welt reisen und so exotische Gegenden wie Brasilien, Karibik oder gar Panama aufsuchen? Ist es vielleicht der Preis, den wir fuer die schoenen bunten Fotos zahlen, fuer die einmaligen und ganz besonderen Erlebnisse mit anderen Menschen, anderen Kulturen? Fuer die ganz besonderen Stunden auf dem Meer, eins mit Wind und Wellen, mit atemberaubenden Impressionen von Himmel und Sonne. Fuer den Anblick der mit unserem Schiff spielende Delphinschulen? Schwimmen in samtweichem Salzwasser, mal tuerkisgruen, mal dunkelblau.

Trotzdem baut sich Frust auf. Bei den Maennern, den Skippern. Die ja meist an Bord die Verantwortung fuer die zahlreichen Reparaturen tragen, sich zum Ersatzteile kuemmern muessen, aus- und einbauen, Werkzeug suchen, Loesungen erdenken muessen. Und ab und an entlaedt sich der Frust dann auch beim Partner. Das ist ja in der Regel die Bordfrau. Die steht dann irgendwann an der Waschmaschine und klagt wiederum ihr „Leid“ den anderen „Wasch“frauen.Die haben auch alle so ein Mechanikerexemplar zu Hause auf dem Schiff, verstehen die andere nur allzu gut. Und sinnen auf Flucht aus dem Alltag. Kleine Fluchten muessen sein, im taeglichen Bordleben. Distanz zueinander, Abstand gewinnen, den Blick neu fokussieren auf alles, was ausserhalb der eigenen Bordwaende liegt. Herz und Augen weit oeffnen, sich neu ausrichten bzw. wieder in die Spur kommen. Maedelstage oderauch nur Stunden. So einfach zu bewerkstelligen, auch in fremden Laendern. Gemeinsame Ausfluege, Yogastunden, Spazieren gehen, ein Einkaufsbummel nur unter Frauen, sich mal selbst in den Mittelpunkt ruecken und Abstand gewinnen.

Und gerade merke ich, dass mir das auch derzeit etwas fehlt. Ganz alleine liegen wir hier in der Bucht. Das Nachbarboot ist heute frueh weiter gezogen und Kontakt kam eh keiner auf. Soviel Individualitaet ist unterwegs. So viele Boote ziehen ihre Bahn, ihren eigenen Zeit- und Kursplaenen folgend. Irgendwie ergibt sich kein gemeinsames weiter segeln mehr. Oder aufeinander warten. Schade. Waere schon schon, mal eben zum Nachbarn schwimmen zu koennen oder gemeinsam in die Nachbarbucht zu fahren. Die eigene Lauffreude mit einer anderen Bordfrau teilen zu koennen und den kleinen Ort zu erwandern. Auszutesten, ob es zu Fuss wirklich nur 15 Minuten in die Wallilabou Bay sind. Gucken, ob die Waesche vom gestrigen Waschtag noch vor den Haeusern haengt oder schon getrocknet ist. Aber da geht es mir wie den Einhandseglern: alleine macht alles nur halb soviel Spass und manche Dinge kann man mit dem Skipper einfach nicht machen.

Abschied von den Freunden und Ausklarieren

Hektische Betriebsamkeit an Bord. Abreisetag unserer Freunde. Ich ziehe mir nochmal die Decke ueber den Kopf. Draussen platscht es — eine letzte Runde ums Schiff wird gedreht. Duschen, packen. Habt ihr auch alles? Ein Kaffee im Stehen. Oh, wir muessen ja noch den fuer 7 Uhr bestellten Taximan anrufen, die Fahrt bestaetigen. Am liebsten haette der gute Mann den Fahrpreis ja gestern schon im Voraus kassiert. Weiss er denn, ob wir vertrauenswuerdig sind …. Ohne Worte. Wer sagt uns denn, ob ER vertrauenswuerdig ist??? Nix da, die 150 EC$ gibt es erst bei Ablieferung der Ware am Flughafen, da lassen wir nicht mit uns handeln.

Es regnet — war ja klar, meint Rainer. Haelt aber nicht lange an. Wir bekommen Besatzung und Gepaeck tatsaechlich trocken an Land. So langsam haben wir auch UEbung im Brandungsanlanden. Der Taximan hat eine geringfuegige Verspaetung avisiert. Gut, dass unser Zeitpuffer extrem grosszuegig ausgefallen ist. Rosi und Orlando (die Inhaber des Rock Side Caf?) ziehen es allerdings vor, mit dem lokalen Taxibus zum Faehrterminal zu fahren. Die Beiden verbringen das Wochenende auf der Nachbarinsel, Hof und Hunde sind sich selbst ueberlassen. Noch eine herzliche Umarmung, Danke schoen fuer zwei wirklich schoene Tage mit viel Gastfreundschaft und einem sicheren Liegeplatz. Ist doch Orlando Taucher, legt und wartet seine Moorings selbst und ist stolz darauf, dass diese auch schwerere Schiffe halten. Was bei der Naehe zur steilen Felswand allerdings auch wichtig und beruhigend ist.

Mittlerweile und durch einige unfreiwillige “Duschen” schlauer geworden, legt die Mannschaft die Landkleidung erst nach erfolgreicher Strandung an. Mit einer nassen Buxe im Auto oder spaeter im Flugzeug zu sitzen, ist nicht so angenehm. Dann kommt das Taxi und los geht es auf die schon bekannte und immer wieder aufs Neue faszinierende Strecke nach Kingstown.

Vorbei an Haeusern verschiedenster Bauweise. Von einfachem Holzverschlag bis zu protzigem und mit Saeulen verzierten fest gemauerten Haeusern ist alles vertreten. Mal peppig bunt, mal dezent. Knallrote Daecher scheinen derzeit modern zu sein auf St. Vincent. Dazwischen viel ueppiges Gruen. Hunde, Katzen, vereinzelte Menschen. Um diese Uhrzeitbewegt sich noch nicht allzuviel auf der Insel. Gelassen und stoisch schauen die wenigen Zweibeiner dem vorbei fahrenden Taxi nach. In den kleinen Bushaltestellenhaeuschen (fuer welche Busse die urspruenglich wohl gebaut wurden?) sitzt hie und da jemand auf der Bank und wartet — auf was auch immer. Kuehe und Ziegen grasen am Strassenrand, der Baustellenbetrieb ruht noch. Kirchen und Friedhoefe huschen vorbei. Sogar in so manchem Privatgarten sieht man Grabsteine. In einem Tal stehen Haeuser auf hohen Stelzen. Die werden von oben nach unten gebaut, so wie halt Geld zur Verfuegung steht. Und bis der Ausbau der Untergeschosse erfolgen kann, nutzt man sie zum Waesche trocknen oder als Abstellplatz fuer das offenbar weltweit in jedem Haushalt zahlreich vorhandene Geroedel. Es gibt Dinge, die sind ueberall auf der Welt gleich oder aehnlich.

Durch Kingstown geht es zum Flughafen. Der ist klein, ueberschaubar. Einchecken, die unvermeidlichen Aus- und Einreisezettel ausfuellen, in dem kleinen Flughafenrestaurant noch einen Kaffee und ein Sandwich — dann heisst es Abschied nehmen. Mit Liat fliegen die Sauerlaender Jungs nach Barbados und von dort geht es am Abend mit Condor nach Frankfurt. Ein komisches Gefuehl, Abschied nach 2 Wochen Gemeinsamkeit an Bord. Ob die Beiden wohl froh sind, wieder nach Hause zu kommen, in den Luxus eines grossen Wohnhauses mit allen Annehmlichkeiten? Gerd ist ganz sicher froh, nicht mehr ueber die hohe Reling in ein wackeliges Schlauchboot klettern zu muessen.

Wir ergattern an der Strasse relativ schnell einen Taxibus, der uns zurueck nach Kingstown bringt. 2 ECD kostet die Strecke. Ein relaxter und relativ junger Rastaman sitzt am Steuer. An Passagieren wird reingequetscht, was nur irgendwie geht und an der Endstation quellen die Fahrgaeste foermlich aus der Tuer.

Samstag — Markttag. Noch mehr Obst- und Gemuesestaende. Wer soll das alles kaufen?? Hier scheinen 80% der Bevoelkerung Gartenbau zu betreiben. Die Stadt ist wieder laut und trubelig. Und doch gefaellt sie uns schon etwas besser. Obwohl — schoen ist eindeutig was anderes. Abgesehen von vereinzelten, mehr interessanten Gebaeuden und einer sehr schoenen alten Kirche in einer der hinteren Strassen entdecken wir nicht wirklich viel Sehenswertes. Der heimgesuchte Supermarkt laesst die Verbraucherherzen auch nicht wirklich hoeher schlagen. Immerhin erstehen wir an verschiedenen Marktstaenden frische Bohnen, Suppengemuese kunterbunt, Bananen und entdecken nach langer vergeblicher Sucherei ploetzlich an ganz vielen Staenden die Frucht namens Soursop. Die soll Wunder wirken bei Krebs und der sonst so skeptischer Skipper ist ganz wild darauf, diese Frucht zu kosten.

Auf dem Rueckweg stoppen wir in Barroualie. In der hiesigen Polizeistation koennen wir immigrieren, so wurde uns erklaert. Nur wo ist die Polizeistation? Der Taxi-Kassierer weist Richtung Wasser. Da runter, dann rechts. Tatsaechlich — an einem alten, ehemals hellblau gemalerten Gebaeude steht es in verschnoerkelter und nicht mehr ganz vollstaendiger Schrift: Police Station. Die Tuer des kleinen, schlichten Office steht weit offen, eine Lady ist im Gespraech mit dem einzigen anwesenden Officer. Im Hof parkt ein relativ neuer Gelaendewagen, allerdings ohne irgendwelche Polizeiembleme. Haben wir hier ueberhaupt schon mal ein Polizeiauto gesehen auf der Insel??? Nicht wirklich! Na jedenfalls sind wir hier richtig, wir bekommen einen neuen Immigrationzettel und bringen den jungen Officer schwer in die Bredouille, da wir nur einen rosa Customs-Zettel haben. Eigentlich muesste da noch zweiter Formulardurchschlag sein und den rosafarbenen wuerde er gerne behalten …. Ob uns den vielleicht die Dame in Kingstown am Freitag gemopst hat als wir unsere Gaeste auf der Immigrationbehoerde dort haben austragen lassen? Wir koennen uns partout nicht erinnern, ob wir einen oder zwei in unserer Mappe hatten. Irgendwie regelt der nette Mensch das dann doch, traegt etwas in eines der zahlreich vorhandenen Buecher ein und stempelt unsere Paesse. Die Stempelfarbe wird wohl bald alle sein, wird doch vor jeder Stempelaktion erst einmal getestet, ob der Stempel auch richtig herum gehalten wird. Fast jedes Mal ist er falsch rum. Stempel drehen, Kontrollstempelung — siehe da, jetzt steht der Stempel richtig herum auf dem Papier. Dann finaler Stempel auf Pass oder Dokument. Gleiches Procedere mit dem Datumsstempel und mit den weiteren Stempeln ebenfalls. Eine faszinierende und zeitfuellende Aktion, die mit viel Charme und Liebenswuerdigkeit durchgefuehrt wird. Wir bedanken uns artig und ziehen von dannen. Verlaufen uns kurz in den Gassen des Ortes, auf der Suche nach der Hauptstrasse. Landen in einer Sackgasse, werden freundlich gegruesst und finden urbanes Leben in einem kleinen Ort fernab von Tourismus und Sightseeing-Attraktionen. Ob sich hierher viele Auslaender verirren? Wohl kaum. Einfache Holzhuetten stehen auf Stelzen ueber brauner, festgebackener Erde. Steine, Unkraut, Huehner, Waesche auf der Leine, rostige und undefinierbare Metallteile — ein buntes Wirrwarr. Dann wieder kleine Steinhaeuschen, liebevoll bunt angemalert. Die Flip-Flops stehen fein aufgereiht auf den gefliesten Treppenstufen. Toepfe mit schrillbunten Kunstblumen haengen auf der Veranda. Tiefe Rinnsteine lassen Rueckschluesse auf die zu bewaeltigenden Wassermengen der Regenzeit zu. Wir werden von einem Jugendlichen angesprochen. Ob wir in die Wallilabu-Bay wollen? Da geht es in die andere Richtung. Er ist 15, geht auf die Highschool und ist hier geboren. Mehr erfahren wir leider nicht, ein Taxibus rauscht heran und stopft uns noch irgendwo dazwischen. Rein-raus-rein-raus. Auf der kurzen Strecke muessen wir noch dreimal aus- und wieder einsteigen, weil einer der hinter uns sitzenden Fahrgaeste austeigen will. Dann sind wir schon an der Kearton Bay, zahlen wieder 2 ECD pro Person und stiefeln bergab Richtung Strand.

Unter einem breiten Baum steht ein aelterer Mann. Steht einfach nur und schaut. Gruesst verhalten zurueck und schaut. Regungslos steht er da. Wo in der Welt stehen sonst so viele Menschen einfach nur da und schauen. Vor einigen Haeusern wird Waesche gewaschen. Die Uniform einer Schuelerin haengt gleich dreifach auf der Leine. Dazwischen thronen Keramikhuehner und –schafe auf den Treppen und Mauern, der Sportplatz, von irgendjemand vor langer Zeit gesponsert, liegt verwaist. Noch nicht einmal die Ziegen und Hunde interessieren sich heute fuer ihn. Auf der Terrasse eines Hauses sitzt ein Mitarbeiter des Rock Side Caf?, zustaendig fuer Mooringbojen, Gartenarbeit und Faehrdienste. Dieses Wochenende hat er frei. Das neu in der Bucht angekommene Segelboot liegt vor eigenem Anker und benoetigt keine Hilfe. Wir sind nicht mehr allein hier in der Bucht und doch fuehlen wir uns so. Kommt doch kein Kontakt mit den Nachbarn zustande. Kein Winken, kein gegenseitiges Besuchen. Manchmal ist das halt so.

Ein leeres Schiff. Ganz ungewohnt. Es regnet — mal wieder. Ein wunderschoener Regenbogen spannt sich anschliessend ueber die Bucht, liegt vor der Huegelkulisse. Ich lausche den Geraeuschen, die von Land herueber dringen waehrend der Skipper in der Vorschiffskoje Schweiss laesst und sich dem Ausbau unserer Ankerwinsch widmet. Eine einzelne Schraube widersetzt sich hartnaeckig, ist aber zwei Stunden spaeter doch besiegt. Mit zitternden Fingern sitzt ein geschaffter Skipper in der Plicht und braucht erstmal einen Kaffee. Jetzt steht dem endgueltigen Ausbau der Winsch nichts mehr im Wege, alle Schrauben sind geloest. Hoffen wir mal, dass es bei einer Reparatur bleibt und wir keine neue Ankerwinsch benoetigen. Damit wir nicht in vorzeitige Lethargie verfallen, widmen wir uns gleich der naechsten Aufgabe: mit dem Dinghi zuppeln wir unsere Mooringleinen zurecht, faedeln eine neue ein. Damit wir morgen in aller Fruehe autark losmachen koennen. Das dauert, die Zeit rennt und wir wollten doch noch in die Wallilabou-Bay, endgueltig ausklarieren. Endlich sind die Leinen zurecht getuedelt. Jetzt nix wie ins Dinghi und los geht’s. Ein kleines Fischerboot, voll beladen mit Touristen, tuckert in die Hoehle neben unserem Liegeplatz. Weit geht es nicht hinein. Wir trauen uns nicht und ausserdem muessen wir ja puenktlich im Customsoffice sein. Das schaffen wir auch. Fuers Ausklarieren muessen wir wieder einige ECD berappen, dann sind wir frei. Darauf trinken wir erst einmal im Wallilabou Anchorage Restaurant einen Passionsfruchtsaft. Das Essen auf dem Nachbartisch duftet inspirierend und so wird die zu Hause schon gekochte Gemuesesuppe kurzerhand fuer morgen reserviert. Wir widmen uns stattdessen BBQ-Pork und Creol-Chicken. Sehr lecker.

Am Nachbartisch sitzen wieder die beiden jungen Oesterreicher von der Rosinante. Wir kommen ins Gespraech, Werner zaehlt alle unsere Freunde und Bekannten auf, die unter der gleichen Flagge fahren wie Rosinante. Schon erstaunlich, dass die Jungs kein einziges der Boote kennen. Erst als der Laptop-Akku aufgibt und wir unbestritten die letzten Gaeste sind, machen wir uns auf den Heimweg. Im stockdunklen geht es zurueck zum Dinghi und in unsere Bucht. Achtung: Hund liegt im Weg. Die hier zahlreich vorhandenen Vierbeiner haben es sich teilweise als lebende Stolperfallen auf dem Steg bequem gemacht. Vielleicht in der Hoffnung, dass sie jemand als Bordhund adoptiert? Wo war jetzt die einzelne, als Hinderniss im liegende Boje? Wir halten uns an einen hell beleuchteten Catamaran, dann liegt die Boje auch schon backbord querab. Komisches Gefuehl, so um die Felsen herum zu tuckern, die Stirnlampe blendet mehr als sie fuer Wegweisung sorgt. Unser Ankerlicht weist uns den Weg zum Schiff. Liegen wir schon die ganze Zeit so weit hinten? Muss wohl so sein, denn die Nachbarbojen sind alle noch an Ort und Stelle. Von Land droehnt laute Musik herueber, auch am Strand herrscht noch Betriebsamkeit — Wochenendstimmung auf St. Vincent.

St. Vincent - Kearton Bay und Kingstown

IMG_2945komp.JPG
Ob hier der Film-Held seine mueden Glieder ausgeruht hat? Die Deko in der Anchorage Bar ist auf
jeden Fall sehr piratig

IMG_2928komp.JPG
Im Inneren einer Filmkulisse sind die Schauspieler an die Wand gepinnt. Ausserdem sind die einzelnen Set-Tage dokumentiert und man erhaelt Informationen zu dem Bau der Kulissen. Ganz interessant

IMG_2923komp.JPG

IMG_2916komp.JPG
Alte Telefone, Naemaschinen, Fernsehapparate, Schaltschraenke - alles dick mit Staub ueberzogen
und ohne jeglichen Hinweis darauf, wer das alles hier warum hortet

IMG_2908komp.JPG

Willkommen im Piratenland. Oder in dem, was davon uebrig geblieben ist. Nur noch wenige Requisiten erinnern an die Dreharbeiten zu “Fluch der Karibik”
IMG_2906komp.JPG
Festmachen in der Wallilabou Bay: Vor eigenem Buganker oder an einer Mooring, Heckleine zum nur noch halb vorhandenen Steg bzw. irgendwelchen Verankerungen an Land. Fuer uns gewoehnungsbeduerftig. Aber wir liegen hier ja auch nicht.

IMG_2897komp.JPG
Wir umrunden die Felsnase neben unserem Liegeplatz und schwupps, schon sind wir in der Wallilabou-Bay. Die hatten wir uns jetzt irgendwie groesser vorgestellt und frequentierter und ueberhaupt. Aber schoen ist sie trotzdem - irgendwie.

IMG_2880komp.JPG
Schwarzer Sandstrand in der Kearton Bay. In der Mittagssonne blitzt und funkelt es ganz mystisch

IMG_2878komp.JPG
Im Garten bzw. auf der Terrasse des Rock Side Café

IMG_2876komp.JPG
Die Bar des Rock Side Café - hier wirkt und wirbelt Orlando, Koch und Barkeeper in einer Person. Ausgebildet in Muenchen hat er hier eine neue, eigene Wirkungsstaette gefunden und fuehrt zusammen mit seiner Frau Rosi das Rock Side Café in der Kearton Bay auf St. Vincent

IMG_2302komp.JPG
Friedhof irgendwo an der Kueste zwischen Kingstown und Kearton Bay

IMG_2272komp.JPG

IMG_2263komp.JPG
Die Kreuzfahrer sind los - bzw. fest. In Kingstown hat die Aida-Luna angedockt, die Passagiere spuelen jetzt Geld in die Kassen der Insulaner, mit Inselrundfahrten oder durch Souvenir-Einkaeufe

IMG_2254komp.JPG
Auf dem Markt in Kingstown stehen auch viele solcher mobilen Verkaufsstaende. Was da immer so angeboten wird, erschliesst sich uns nicht auf den ersten Blick

IMG_2983komp.JPG
Unser Liegeplatz in der Kearton Bay - mal vom Dinghi aus fotografiert

23.01.2015 - St. Vincent — Kearton Bay und Kingstown

Viele Segelboote lassen diese Insel einfach aus, springen direkt von Bequia oder einer der anderen Inseln nach St. Lucia. Zu viele “bad news” hoert man von St. Vincent, so heisst es. Ankern in der Wallilabu-Bay mit Heckleine zum Land, nein, darauf hat man keine Lust. Wir laufen sie trotzdem an. Auch, weil unsere derzeitigen Gaeste von hier aus ihren Rueckflug antreten.

Doyle sei Dank finden wir einen Hinweis auf die Keartons Bay, direkt neben der sagenumwobenen Wallilabu-Bay. Warum die in aller Munde ist, weiss keiner so recht. Fluchen doch alle ueber aufdringliche Boat-People, die von Lobster ueber extrem fresh fruit bis zu irgendwelchem Tuennef so ziemlich alles im Portfolio ihres kleinen, schwimmenden Untersatzes haben. Und auch sehr anhaenglich sind. Hat man das eine Produkt erfolgreich abgeschmettert, wird garantiert was anderes zwischen den Planken hervor gezaubert. Dazu ein vermeintlich charmantes Laecheln und die Beteuerung “no problem”. Irgendwie tun sie uns ja leid, die wirklich extrem verkaufstuechtigen Locals, die auch uns in der Kearton Bay gleich “ueberfallen”. Die vielleicht wirklich keine andere Einkommensquelle haben und sich irgendwie ueber Wasser halten — im wahrsten Sinne des Wortes.

Nur allzuoft paddeln sie ueber die Bucht von Boot zu Boot. Verkaufsstrategie oder ist wirklich kein Aussenborder vorhanden? Bei 40% Einfuhrsteuer und entsprechenden Preisen fuer Aussenbordmotoren kann man letzteres durchaus in Betracht ziehen und fast schon verstehen, warum diese Antriebe so beliebte Objekte der Begierde sind und des oefteren ihrem urspruenglichen Besitzer abhanden kommen.

Aber zurueck zu den Verkaufsstrategen. Denen wir ebenfalls charmant und sehr bedauernd laechelnd mitteilen, dass wir auf Bequia eingekauft haben und absolut nichts benoetigen. So sorry, maybe tomorrow — was natuerlich die Sache lediglich vertagt. Als in der Bucht bekannt wird, dass wir bei Rosi und Orlando zum Abendessen sind, laesst man uns weitgehend in Ruhe, hilft lediglich beim Anlanden unseres Blei-Dinghis.

Das laesst sich im tiefschwarzen, in der Abendsonne funkelnden Lavasand nur schwer aufs Trockene hieven. Da sind vereinte Kraefte gefragt. Mit einem etwas unsicheren Gefuehl wird es einem Ast anvertraut, einen Stamm zum festschliessen erreichen wir trotz langem Sicherungskabel nicht. Und trotzdem sind die bereits gefuellten Wasserkanister zu vorgerueckter Stunde noch im Dinghi und selbiges noch an Ort und Stelle. Ob es vielleicht auch potentiellen Dieben zu schwer war?? Oder versetzt doch der Glaube auch hier Berge und verbannt potentielle Diebe aus unserem Dunstkreis? Wer weiss es schon. Wir glauben jedenfalls weiterhin an das Gute im Menschen, auch im karibischen.

Aber erst einmal sitzen wir extrem entspannt auf der Terrasse des Rock Side Caf? und lassen uns von Orlando bekochen. Geniessen den Blick auf die Bucht und unser im Sonnenuntergang daliegendes Schiff. Am Nebentisch schwelgt eine 8-Koepfige, oesterreichische Chartercrew. Deren Catamaran liegt an der Boje neben uns und man ist schon mal von Bord zu Bord kurz ins Gespraech gekommen.

Das Essen ist reichhaltig, creolisch gepraegt und sehr gut. Der Pinot Grigio aus Kalifornien hat den Begruessungscocktail abgeloest (Orlando ist gelernter Barkeeper) und nach dem Dessert setzt sich die Chefin Rosi noch zu uns. Erzaehlt aus ihrem und dem Inselleben waehrend Huendin April mit uns anbandelt. Die anderen vier Hunde halten mehr Distanz, sind aber nicht unfreundlich.

Im paradiesischen Garten des Rock Side Caf?s kann man ja auch nur freundlich sein. Eine schattige Terrasse bietet auch Schutz vor dem ploetzlich einsetzenden Regen. Bequeme Stuehle, aufmerksames “Personal”, persoenliche Betreuung durch die Hausherren — was geht’s uns doch gut! Unser Schiff liegt derweil gut vertaeut zwischen Bug- und Heckboje. Joint gefaellig? Ein sehr lockerer Insulaner schlendert zwischen den Cocktailschluerfenden Essensgaesten hindurch und bietet sein wahrscheinlich selbst angebautes Kraut an. Ich kapier das natuerlich wieder nicht umgehend, wundere mich nur, dass die Vendors selbst vor Privatgrundstuecken kein Halt machen. Rosi wedelt den ungebetenen Menschen weg.

An der Bar prangt ein uns bekanntes Schild “To-Stuetzpunkt”, daneben ein Bericht aus einer der Vereinszeitschriften mit dem Hinweis auf den neuen Stuetzpunkt hier auf St. Vincent. Aber nicht nur deshalb fuehlen wir uns hier wohl. Geniessen es, wenn auch spartanisch aber doch sauber und warm duschen zu koennen. Waesche koennten wir waschen lassen und den Wassertank fuellen ist ebenfalls moeglich. Alles in allem eine gute Alternative zur Wallilabu-Bay. Die schauen wir uns am naechsten Tag noch an. Mit dem Dinghi knattern wir um den Felsen, bestaunen den engen Durchlass, durch den die kleinen Fischerboote immer mit voll Speed fahren.

Dann empfaengt uns auch schon ein kuenstlicher Pirat aus Pappmach?. Ein Galgen droht mit der Hoechsstrafe fuer Piraterie, an der ehemaligen Filmkulisse lehnen diverse einfache Saerge. Zahlreiche Fotos und Texttafeln erzaehlen von den Filmarbeiten zu “Fluch der Karibik”. Kanonenrohre, Holzkisten, Baumwollballen erinnern noch an diese Zeit. Warum in einem der offenbar original alten Gebaeude aus echtem Stein jede Menge schwarze Uralttelefone, Naehmaschinen und aehnliches gebunkert werden, erschliesst sich uns leider nicht. Eine dicke Staubschicht liegt ueber allen Artefakten aus frueheren Zeiten.

Ein paar Tueren weiter residiert der Customsbeamte. Von 17 bis 18 Uhr und ganz puenktlich trifft er in seinem spartanisch moeblierten Buero ein. Hier kann man ein- und ausklarieren. Da wir auf St. Vincent ja zwei unserer Crewmitglieder “verlieren”, muessen wir allerdings auch noch zur Polizeistation in Barroualie. Oder zur Immigration in Kingstown. Dort waren wir heute frueh schon zwecks Crewliste bereinigen. Jetzt ist immerhin dokumentiert, dass 2 Leute St. Vincent nicht auf eigenem Kiel verlassen. Klar haetten wir auch schon ausklarieren koennen. Da wir aber noch nicht genau wissen, wann wir weiterfahren wollen, verschieben wir das eben auf spaeter. Und ausserdem lernen wir so dann ja auch noch die anderen Behoerden kennen.

Vor dem Office kommen wir mit der Besatzung einer Rustler 36 ins Gespraech. Das Schiff haben wir auch schon in der Bucht von Bequia gesehen, eine Insel weiter trifft man sich wieder. Waehrend wir ueber woher-wohin sprechen schaut sich Reiner ganz fasziniert das Anlegemanoever einer ankommenden Yacht an: Buganker fallen lassen, lange Heckleine an einen Helfer im Dinghi uebergeben, der diese wiederum an Land festmacht. Links und rechts haengen schon die Verkaufsboote an der Yacht, die Bordfrau scheint empfaenglich fuer die Angebote zu sein und tritt umgehend in ernsthafte Verkaufsverhandlungen ein. Ein ebenfalls einlaufender Cat dreht nach kurzer Lagesondierung umgehend wieder ab und zieht weiter.

Wir genehmigen uns einen kuehlen Drink auf der pittoresk mit Piratenelementen gestylten Terrasse des Restaurants mit Blick ueber die Bucht. Eine Reinke 10M zieht unsere Blickenicht nur wegen der rot-weiss-rot gestreiften Nationale auf sich und die jungen Maenner am Nebentisch outen sich schnell als zugehoerig. Fuer laengere Reinke-Fachsimpeleien bleibt allerdings keine Zeit, wollen wir doch unser 4. Crewmitglied nicht allzulange alleine an Bord lassen. Am Ende glaubt der noch, wir seien unter die Piraten gefallen und schickt Orlando als Suchtrupp los! Ach nein, geht ja gar nicht. Der Gute ist ja in Kingstown als Taxibootfahrer unterwegs und kehrt erst spaeter am Abend zurueck. Immerhin rechtzeitig, um auch heute wieder fuer uns zu kochen. Auch der Nebentisch ist wieder besetzt: von der Nachbarbucht reisen Amerikaner mit dem Dinghi an. Und machen sich einige gesellige Stunden spaeter mit etwas wackeligen Beinen auf den Nachhauseweg. Zumindest die Damen sehen sehr wackelig aus. Kein Wunder, dass es am Nachbartisch extrem laut und lustig zuging. Orlandos Rumpunsch kam wohl extrem gut an.

Mit uns ist heute Abend auch nicht mehr viel anzufangen. Der Tag war anstrengend und das, obwohl wir die geplante Sightseeing-Tour mit einem Privattaxi kurzerhand haben ausfallen lassen. Der junge Mann war uns doch etwas zu geschaeftstuechtig. War gestern noch die Rede von 2 weiteren Rundfahrtgaesten, soollten wir uns heute frueh mit 3 Erwachsenen und 2 Kleinkindern in den 7-Sitzer quetschen. Sardinenbuechsenfahrt fuer 20 USD pro Person? Da haben wir alle keine Lust drauf. Die Alternative heisst Taxi-Van. Und der Fahrer, den wir hier “erwischen” lehrt uns fuer 4 ECD pro Kopf das Fuerchten! Mit Vollgas geht es ueber die schmalen, kurvigen Strassen Richtung Kingstown. Bremsen, Gas geben. Kinder und Hunde koennen sich nur durch beherzte Spruenge in Sicherheit bringen. In jeder Kurve beten wir, dass Achse, Bremse etc. durchhalten moegen. Gewagte UEberholmanoever erzuernen nicht nur uns sondern auch die einheimische beleibte Dame neben uns. Laute Kritik aeussert niemand, die erste Reihe ist offenbar bekifft oder volltrunken. Jedenfalls wird jede Kurve mit lautem Gekicher kommentiert, was den Fahrer offenbar zu weiteren Hoechstleistungen mit dem Gaspedal antreibt. Selbst eine Baustelle kann ihn nicht wirklich bremsen. Als Entschaedigung bekommen wir von Rosi so einiges erzaehlt ueber die Insel und die vorbeifliegenden Buchten. Neben ihr sitzt ein Lehrer, der noch etwas zur Geschichte beitraegt und mit Zahlen aufwartet. Die Fahrt ist also fuer uns doppelt kurzweilig, fuer unsere Freunde einfach nur haarstraeubend. Nur schwer koennen die Beiden nachvollziehen, dass wir uns freiwillig und sehr haeufig auf diese Art und Weise fortbewegen. Ob wir keine Angst um unser Leben haetten? Wenn da in einer Kurve die Bremsen versagen, nicht auszudenken — freier Flug in den Abgrund …. Aber immerhin mit einem schoenen Ausblick. Galgenhumor. Wir denken ueber so etwas nicht wirklich nach, stellen wir zu unserer eigenen UEberraschung fest.

Aufatmen, als wir in Kingstown ueberraschendweise unversehrt ankommen. In Kingstown reiht sich an der Lower Mainstreet ein Obst- und Gemuesestand an den anderen. Dazwischen kurven die Taxi-Vans herum, hupend und nach Kundschaft Ausschau haltend. Hier haben die Vans keine Nummern, nur phantasievolle Namen und eine teilweise noch phantasievollere Bemalung. Wir sehnen uns schon wenige Minuten spaeter nach der Ruhe der Kearton Bay zurueck. Aber wenn wir schon mal hier sind. Reiner will die letzten Travellerschecks in Bargeld verwandeln. Freitag = Banktag. In so ziemlich jeder der zahlreich vorhandenen Banken bilden sich lange Schlangen vor den Schaltern. Nutzt ja nix, geduldig reiht sich unser Freund ein.

Am Faehrterminal hat die Aidaluna fest gemacht. An Bord befinden sich ehemalige Nachbarn. Leider klappt die Kommunikation nicht wie gewuenscht, die Kreuzfahrer befinden sich auf einem Ausflug und wir haben keine Lust, uns bis 17:30 und der um diese Uhrzeit avisierten Rueckkehr an Bord hier die Zeit zu vertreiben. Auch botanischer Garten, das Fort oder die Wasserfaelle koennen unsere Gaeste nicht mehr reizen. Die Beiden wollen den letzten Tag lieber an Bord verbringen, relaxen und geniessen. Und so geht es mit einem deutlich teureren, aber dafuer sehr entspannt fahrenden Taxi zurueck in die Bucht und an Bord. Die weiteren Aktivitaeten des Tages hab ich ja schon weiter oben beschrieben.

Next Page »