Monats-Archiv März, 2018

Blutmond

fest am Dock des Chesapeake Boat Works Boatyard

Sonntag: fest am Dock des Chesapeake Boat Works Boatyard

Fishingbay bei Tag

Fishingbay bei Tag

Stege der Fishingbay Marina

Stege der Fishingbay Marina

Glutrot steigt der Mond über der Chesapeake Bay auf. Rot wie Blut, Blutmond. Wir sitzen in der Plicht, steuern von Hand und staunen über dieses Farbspektakel. Wenige Minuten später steht der Vollmond höher und verändert seine Farbe zu gelb. Kostbare Minuten, einmaliger Anblick und nur auf die interne Festplatte gebannt. Zu wertvoll war der Moment, um erst noch den Fotoapparat zu holen, diese ganz besondere Stimmung hätte sowieso kein Apparat dieser Welt einfangen können.

Wir, fast allein in der Chesapeake Bay. Auf dem Weg nach Deltaville. Tonnen blitzen grün und rot, weisse Lichter an Land und Positionslichter leuchten dazwischen auf. Steht da ein Leuchttürmchen mitten im Wasser? Das Türmchen bewegt sich, die Lichter verändern sich - ein flaches Arbeitsboot schiebt sich an unserer Backbordseite vorbei.

Kurswechsel, Segelwechsel - unaufhaltsam schiebt uns der Wind in Richtung Fishingbay. Letzte Stunden unterwegs. Unwiderruflich, unwiederbringlich. Es wird dunkel, auf der elektronischen Seekarte sind es nur noch wenige Meilen. Wir rufen unseren Freund und Mitspieler nach oben. Die Ansteuerung wollen wir in seine erfahrenen Seglerhände legen.

Zu dritt gleichen wir Elektronik und Realität ab, shiften Segel, wenden und halsen in dem engen Fahrwasser, dass uns von der breiten Chesapeake Bay in die Fishingbay bringt. Spannend, diese Nachtansteuerung, nur unter Segeln. Der Motor streikt noch immer, will nicht starten. D.h. wir haben es auch gar nicht mehr probiert. Für den worst-case steht das Startpilot Spray bereit, könnten wir den Motor kurzzeitig starten. Wollen wir aber eigentlich nicht, es muss auch so gehen. Sagt Peter. Und wir beugen uns seiner Erfahrung, seinem seglerischen Können. Allein zu zweit wären wir so sicherlich nicht hier eingelaufen. Eine neue Erfahrung und eigentlich eine gute. Dazu die neuerliche Erkenntnis: unser Schiff kann viel mehr wie wir. Frustrierend? Nein, einfach realistisch, ehrlich, selbst erkennend. Ist halt so. Wir sind keine geborenen Segler, naja dagegen wurde geboren, um zu segeln. Das ist ihre wahre Bestimmung.

In einer Ausbuchtung leuchtet ein Ankerlicht. Mist, die nächste Tonne können wir doch nicht anliegen, noch eine Wende ist nötig. Der Wind hat nachgelassen, Landabdeckung. Langsam geht der Bug durch den Wind, das Vorsegel wird auf die andere Seite gezerrt, der Grossbaum schwingt träge über. Kaum spürbar nehmen wir etwas Fahrt auf. Oder ist es der Strom, der uns schiebt? Das Schiff bleibt steuerbar, wir haben Druck auf dem Ruder, das ist wichtig.

Dann liegt die Fishingbay vor uns. An Land leuchten die Häuser. Wo ist der Boatyard??? Schemenhaft können wir Masten ausmachen, wenn auch wenige. Kein weiterer Ankerlieger zwingt uns zu Ausweichmanövern. Ein Aufschiesser, das Gross geht runter, die Fock ist schon eingerollt, der Anker fällt. Wir geben ordentlich Kette, sicherheitshalber. Platz haben wir genug, wir liegen mitten in der Bucht. Unter uns gute 5 Meter Wassertiefe.

Stille. Kurz gestört durchs Rattern der Ankerwinsch und der Kette. Ein einsames Segelboot, das sich still und leise in die Bucht geschoben hat und jetzt vor Anker liegt. Der Wind steht in die Bucht und lässt das Wasser am Rumpf gurgeln. Sonst ist nichts zu hören. Wir sind angekommen, richtig angekommen, haben das uns selbst gesetzte Ziel erreicht. Seit Key West nur unter Segeln, kein Motor der uns über die kurzzeitige Flaute brachte.  Kein Schaukeln mehr, kein Wackeln. Aber kalt ist es und wir frösteln trotz schwerem Ölzeug.

Statt Anlegebier gibt es eine heisse Brühe, die tut gut, wärmt uns durch und schmeckt mindestens genauso gut. In dieser Nacht schlafen wir tief und fest. Welcome in Fishingbay.

Key West bis Chesapeake Bay 24.-31.03.2018

Leuchttürme bei Norfolk, am Eingang der Chesapeake Bay

Leuchttürme bei Norfolk, am Eingang der Chesapeake Bay

Brücke über die Chesapeake Bay - hier verschwindet die Strasse in einem Tunnel, der wenige Meter weiter wieder in die Brücke übergeht

Brücke über die Chesapeake Bay - hier verschwindet die Strasse in einem Tunnel, der wenige Meter weiter wieder in die Brücke übergeht

Segeln in der Chesapeake Bay. Noch ist der Teddy-Anzug angesagt, aber die Sonne wärmt schon ganz gut.

Segeln in der Chesapeake Bay. Noch ist der Teddy-Anzug angesagt, aber die Sonne wärmt schon ganz gut.

Unter Segeln verlassen wir den Ankerplatz von Key West. Halbwindkurs. Die Crew eines entgegenkommenden Katamarans schreit begeistert „Yeah“ als wir aneinander vorbei preschen. An Steuerbord versinkt die Sonne im Horizont und im Klicken der Fotoapparate an Land, die grossen Fischertrawle spreizen dekorativ ihre Fangnetzarme und reihen sich am Horizont wie Perlen auf die Schnur.

Es geht Richtung Kuba … Kuba???? Halt mal, da läuft aber jetzt was schief wird sich der Laie fragen. Wollten dieweiter nordwärts, an der Ostküste der USA entlang?? Richtig, wollen wir auch immer noch. Aber heute, am Samstag, weht uns der Wind aus dieser Richtung noch auf die Nase. Also kreuzen wir und machen dazu erst einmal einen oderntlichen Schlag in Richtung Kuba. Laufen dabei einem Schleppverband in den Weg. Der Schlepper hupt uns ordentlich an. Peter steht hoch konzentriert am Steuer und lacht sich eins. Spielchen spielen kann er auch. Der Schleppverband zieht seines Weges und wir wenden. Es wird dunkel.

Irgendwann dreht der Wind und wir können am Wind segeln, später dann mit halbem Wind (der Wind kommt dann von der Seite). Vor uns funkeln weisse Lichter. „Das sind die Lichter der Keys“ meint der Käptn. Dicke Fragezeichen bei mir … vor uns??? Ist die Küste nicht eher neben uns?? Und wandernde Seezeichen??? Tauchtonnen kenne ich ja, vom Rhein, meinem früheren Heimatrevier. Hochseeangelboote sind es, gefühlte 100, sich bewegend, mal vor, mal neben uns. Wir schieben uns vorsichtig durch den Schwarm hindurch, lassen sie in unserem Kielwasser.

Der Wind nimmt zu und wir werden ordentlich durchgerüttelt, Wasser kommt wieder übers Deck und findet leider auch wieder seinen Weg ins Schiff. Dann wieder ist alles ruhig, wir laufen mit achterlichem Wind, setzen den Gennaker oder dümpeln mit geringer Fahrt vor uns hin. Der Strom schiebt, wenn auch schwach.

In der Nacht nimmt der Wind wieder zu, das grosse Leichtwindsegel muss weg, die Fock geht raus. „Es läuft doch grad so schön ….“ Silke steht mit entrücktem Gesichtsausdruck am Niedergang. Tja, nutzt nix. Wenig später würde es nicht mehr so schön laufen und Stress beim Bergen des grossen Vorspiels wäre trotz Bergeschlauch angesagt. Wir schaffen den Segelwechsel gerade noch rechtzeitig, braves Bauchgefühl.

Wechselhaft ist dieser Törnabschnitt. Windtechnisch und auch emotional. Die ruhigeren Phasen nutzen wir, um warme Mahlzeiten zuzubereiten. Ansonsten gibt es eher karge Kost wie Müsliriegel, Obst, Haferflocken oder mal eine Hühnerbrühe (aus den praktischen Würfeln zubereitet).

Segelwechsel sind angesagt. Noch ist es tagsüber angenehm warm, ist die Windvorhersage zutreffend. Nachts können wir Sterne gucken oder den Mond bewundern. Unendlich langsam schieben wir uns nordwärts, dem Cap Hatteras entgegen. Für uns eine Wendemarke, dann geht es links ab, Richtung Chesapeake Bay. Berüchtigt ist das Cap, weit weg davon soll man sich halten. Andere wiederum sagen, ganz dicht soll man dran vorbeifahren, weil dann der Strom so richtig schiebt. Der Golfstrom. Von dem wir bislang noch nicht allzu viel bemerkt haben und den zu erwischen wohl auch eine Gratwanderung ist. Nur wenige Meilen mehr zur Küste hin oder mehr seewärts - und schon hat man ihn verpasst oder er läuft nicht mehr ganz so stark.

Dann wird die Dünung ganz lang, die Wellen sind hoch und wir haben das Gefühl, bergauf zu segeln. Wir heben uns mit dem Atem des Meeres, es geht hoch und wieder runter. Langsam, stetig, ein Gleichmass an Auf und Ab. Fasziniert schauen wir in die langen Wellentäler und auf die vor uns aufragenden, aber mitlaufenden Anhöhen.

Dann nähern wir uns dem Cap Hatteras. Der Strom schiebt uns mächtig, die Logge geht nie unter 9 Knoten, steigt oft auf 11 Knoten und sogar darüber. Wenn wir das vor zwei Tagen auch so gehabt hätten …

Sonnenauf- und untergänge, der Mond nimmt zu, begleitet uns in der Nacht. Stromsparen müssen wir, alle überflüssigen Geräte sind ausgeschaltet. Immer wieder wird von Hand gesteuert, die Windfahne kann Wind von hinten nicht so gut  verarbeiten und der elektronische Steuermann verbraucht viel Strom. Der Windgenerator arbeitet energisch gegen unsere Verbraucher an, die Solarpaneele haben kapituliert und produzieren nix, die Maschine steht uns mangels Startwillen zur Stromerzeugung nicht zur Verfügung. Segeln in seiner Urform. Und segeln, das kann unser Schiff. Besser als wir vielleicht …. nein, das ist ganz sicher.

Wir lernen einiges auf diesem Trip. Und auch wenn ich manchmal in der Koje liege, mir die Decke über den Kopf ziehe und denke „nein, ich will jetzt nicht da raus“, so gibt es auch die schönen Momente. Die, wo ich an Deck sitze, im Schatten des Segels und auf dieses unendlich tiefe Blau schaue. Momente, in denen das Schiff einfach nur angenehm durch die Wellen zieht. Die Momente des Einsseins, des sich wohlfühlen mit dem was da ist, wie es ist. Wie entspannt könnte dieses Segeln sein, wenn wir in unserem eigenen Tempo, nicht fremd bestimmt und getrieben von anderen Faktoren die Küste der USA entlang segeln könnten? Mit Stops in Häfen und Buchten wenn wir meinen oder Wetter und Stimmung es nötig machen.

So aber sind wir getrieben und beseelt von dem Wunsch, unser Ziel möglichst schnell zu erreichen, diese Überführung zum Abschluss zu bringen, unsere Crew wieder nach Deutschland zu entlassen. Es ist wie es ist und ich versuche, mir auszumalen, wie es an unserem Ziel sein wird. Es fällt mir schwer. Und in meinem Kopf sind so viele Fragezeichen, Wenn und Aber. Ich fühle mich, uns, schlecht vorbereitet und diese letzten Meilen ziehen sich wie Kaugummi. Aber wir kommen vorwärts. Stetig und unaufhaltsam schiebt sich der Punkt, der unser Schiff darstellt, auf der elektronischen Seekarte nordwärts. Ankommen, ruhig liegen, keinen Veitstanz mehr beim Toilettengang aufführen. Nicht mehr in der Koje hin und her rollen bzw. rutschen. Nicht mehr in Ölzeug und Gummistiefel quälen, wenn man an Deck muss. Keine Nachtwache, keine einsamen Stunden unter der Sprayhood angestrengt in die Dunkelheit starren, auf der Suche nach anderen Positionslichtern.

Die letzte Nacht auf See. Noch einmal ist kreuzen angesagt. Der Wind hat - wie vorher gesagt - gedreht und weht uns entgegen. Frachter kommen uns entgegen, verlassen die Chesapeake Bay, der wir uns entgegen quälen und die wir mit dem neuen Tag endlich erreichen. Seit Cape Hatteras ist es empfindlich kalt geworden. Zum Glück empfängt uns die Chesapeake Bay mit wärmendem Sonnenschein. Frachter ziehen an uns vorbei, leer und hoch aufragend schieben sie sich mit ordentlich Speed durch die Lücke in der Brücke. An zwei Stellen geht die lange, die Bucht verbindende Brücke in einen Tunnel unter dem Wasser hindurch. Oben fahren wir, unten die Autos. Das Fahrwasser ist breit und auch ausserhalb der Betonnung haben wir ausreichend Wasser unterm Kiel. Trotzdem ist es spanend, hier durch zu fahren, da uns der Wind auch im Stich lässt und wir mehr von der Strömung getrieben werden, als das wir aktiv segeln. Aber noch ist Druck auf dem Ruder, bleibt das Schiff steuerbar.

Nach der Brücke können wir dann einen anderen Kurs anliegen, der Wind fällt günstiger ins Segel, nimmt auch wieder etwas zu und wir machen gute Fahrt. Trotzdem zieht sich die Bucht und wir benötigen noch einige Stunden, bis wir unser endgültiges Ziel erreichen. 8 Tage sind wir nun unterwegs, nur unter Segeln. Eine neue Erfahrung für uns, die wir sonst nur allzugerne Flautenphasen mit der Maschine überbrückt haben.

Ausschnitt aus Pocket-grib. Mit dieser App haben wir für 8 Tage unsere Wind- und Wellenvorhersage bekommen, absolut zuverlässig!

Ausschnitt aus Pocket-grib. Mit dieser App haben wir für 8 Tage unsere Wind- und Wellenvorhersage bekommen, absolut zuverlässig!

Welcome in the United States!

Café Plantation - unsere Einreise in die USA muss gefeiert werden, mit Kuchen & Kaffee

Café Plantation - unsere Einreise in die USA muss gefeiert werden, mit Kuchen & Kaffee

Schnuckelig aber leider unbezahlbar, so ein Häuschen hier in Key West old town

Schnuckelig aber leider unbezahlbar, so ein Häuschen hier in Key West old town

Yes, we made it und haben alle Hürden überwunden - Flauten, Motorprobleme, leere Gasflaschen und demzufolge kalte Küche, Salzwasser auf der Haut und zu guter Letzt Visaprobleme bei unseren Mitseglern - nichts konnte uns stoppen! Und so sind wir gestern gegen Abend auf den Ankerplatz von Key West gesegelt, haben unseren Anker einfach fallen lassen (einfahren war mangels Maschine) nicht möglich. Haben telefonisch unsere Ankunft gemeldet, heute früh ordnungsgemäss einklariert und sind nun offiziell in den USA eingereist. “What a experience” meinte der mega-meganette Beamte im Büro der U.S. CBP Behörde. Wie recht er hat!

Jetzt lassen wir uns verzücken und blenden von den Holzhäusern hier, vom künstlerischen Flair des Ortes, lauschen dem Wummern der fetten Harley Davidsons, die durch die Strassen donnern und essen leckeren Kuchen im Café Plantation.

Wie schrieb mir eine Freundin? “Key West ist ein verrückter Ort, Du wirst es lieben”. Ich liebe es jetzt schon, hier könnte ich leben. Glaub ich.

Dinghidock - first come, first save. Bezahlen muss aber jeder, damit man das Dinghy hier festmachen kann. Und wehe, man liegt auf der anderen Seite!

Dinghidock - first come, first save. Bezahlen muss aber jeder, damit man das Dinghy hier festmachen kann. Und wehe, man liegt auf der anderen Seite!

Premieren

Premieren

Für die nächsten Tage ist passender Wind gemeldet mit dabei moderaten Wellenhöhen. Also wird Donnerstags ausklariert und Freitags lösen wir die Mooringleine. Ade Grand Cayman. Noch einmal über Kanal 16 mit den netten Jungs von der Port Security schnacken und bye-bye sagen. Aber ob wir nochmal hierher zurück kommen wie es der Mann am anderen Ende der Leitung wünscht? Wohl eher nicht. Dieses Mal nicht.

Key West - typischer Anblick hier

Key West - typischer Anblick hier

Denn unser Weg führt nordwärts, ohne Umkehrticket.

Im Ausklarierungspapier steht als nächstes Ziel „Havanna, Cuba“. Spontan und angesichts der Windpfeile beschliessen wir, Key West anzulaufen. „Dann sind wir doch schonmal in den USA“. Aha, und was genau ist da der Vorteil??

Für mich ist es grad kein Vorteil, wollte ich mich doch geruhsam auf Kuba einlesen in die Regularien der USA. Stattdessen heisst es noch am Abreisetag auf Grand Cayman hektisches Abrufen von Telefonnummern, Adressen und sonstigen Infos zum Einklarierungsprozedere der USA.

Das die Männer dabei feststellen, dass unsere Navionics Goldkarte im Kartenplotter abrupt auf Höhe Ft. Lauderdale endet, spielt dabei schon kaum noch eine Rolle. Laden wir (in dem Fall ICH) doch mal eben noch eine Karte für die entsprechende Navigationsapp aufs iPad. Mal eben. Und ich hatte noch gefragt in Deutschland …. verärgertes Knurren des Skippers, lassen wir das Thema lieber. Wer wird schon gerne an die eigenen Versäumnisse und Fehler erinnert? Und wer bitteschön hat das mit dem PC fürs Pactormodem verbockt?? Räusper, Themawechsel!!!!

11 Uhr, die Mooringleine platscht ins glasklare blau-grüne Wasser vor George Town Grand Cayman. Wehmut liegt in meinem Blick: auch beim zweiten Besuch habe ich es nicht geschafft, mehr von der Insel zu sehen. Ob ich vielleicht doch nochmal zurück ….??

Der Ostwind ist uns gnädig und schiebt uns flott Richtung Kuba. Flautenlöchern begegnen wir mit ausgiebigen Motorsessions oder dem Einsatz unseres jungfräulichen Gennakers. Genau, jungfräulich ist der, war noch nie im Einsatz. Quadratmeterzahl und der raschelnde Stoff haben uns bislang immer von einem Einsatz zurück schrecken lassen. Peter, der Unerschrockene, aber rückt dem Teil auf den Bergeschlauch und nach anfänglichen Differenzen gleitet der Schlauch nach oben und das gelb-weisse Segel öffnet sich. Wow, sieht das toll aus! Und bringt auch gleich richtig Fahrt ins Schiff. Da wird die alte Lady richtig munter und setzt auch schlappe 4-5 Knoten Wind noch in ordentlich Fahrt um.

So zischeln wir durch die Nacht. Über uns ein phantastischer Sternenhimmel, um uns herum jede Menge Frachter. Segeln kann so schön sein … hatte ich aber irgendwo schonmal erwähnt.

Der Wind dreht immer mal wieder, wir drehen mit. Irgendwie passt es aber und wir laufen Key West an. Kurz vor der Zufahrt starten wir den Motor. D.h. wir wollen starten. Aber der Motor öddelt und öddelt …. und geht wieder aus. Dann halt nicht. Wie jetzt, dann halt nicht??? Grosse Augen blicken auf den derzeitigen Skipper Peter. Ja, macht doch nix, ist doch genug Platz. Laufen wir halt unter Segeln zum Ankerplatz. Wind passt auch, los geht das. Mit einigen Kurswechseln und Halsen bringen wir uns in eine gute Ausgangsposition und steuern die Tonnen an. Halber Wind, Madam legt sich auf die Seite und geniesst es offenbar.

Malerisch und wie Perlen aufgereiht liegen Fischkutter links vor uns. Dahinter neigt sich die Sonne dem Horizont zu. Am Ufer stehen Menschenmassen, Blitzlichter zucken - wäre doch nicht nötig gewesen, ein solches Empfangskomitee…. ach so, die gucken Sonnenuntergang. Ein kleiner Dreimaster zieht noch durchs Postkartenidyll, wir fotografieren auch.

Dann wird es ruhiger, wir nehmen das Vorsegel weg. Kurze Diskussion und Abgleich der Realität mit den Bildern auf den Seekarten. Dann steuern wir den Ankerplatz an, das Gross geht runter, der Anker fällt - wow, die 2. Premiere: anlaufen eines Hafens und Ankerplatzes nur unter Segeln. Die amerikanischen Nachbarn beäugen die Aktion skeptisch aber weitgehend unbewegt von ihrem Achterschiff aus.

Den ganzen Tag habe ich leichte Appetitlosigkeit. Ruht doch auf meinen zarten Schultern die Aufgabe, mit den Behörden in Kontakt zu treten. Für die USA heisst das, mit der US Border Control zu telefonieren! Jawoll, telefonieren! Dankenswerterweise bestätigt mir die hiesige Coast Guard noch einmal die zu wählende Telefonnummer und los geht es. Nachdem ich den Herrn am Funk, den von der US Cost Guard, schon nur mit 3 maliger Rückfrage einigermassen verstanden habe, graut mir vor dem Telefonat.

Nummer wählen, Ansage abhören, entsprechende Zahlentaste drücken - ich werde weiter geleitet. Was stand bei Noonsite nicht alles zu dem Thema? Und jetzt geht das ganz easy. keine Warteschleife, ein gut verständlicher Mann spricht am anderen Ende der Leitung mit mir, fragt Schiffsdaten, letzten Hafen und die Daten der Pässe ab. Die Buchstabierhürde mit internationalem (oder was auch immer) Alphabet meistern wir gemeinsam, entspannt, höflich und zeitweise leicht amüsiert. Ich bekomme eine Anmeldenummer und noch einige Informationen. Weiter geht es dann hier vor Ort und in Persona bei der zuständigen Filiale der U.S. CBP Behörde. Wir sind gespannt. Um 8 Uhr darf ich nochmal telefonieren, dann mit Key West, um einen Termin zu vereinbaren. Binnen 24 Stunden müssen wir das Einklarierungsprozedere durchlaufen haben. Es bleibt spannend!

3 Premieren an einem Tag - denn auch die US Einklarierung ist eine Premiere.

Aber jetzt schaukeln wir erstmal sanft hinter Tank Island - bzw. Sunset Island - vor uns hin und in den Schlaf. Ach ja, ein Christmas Tree Island gibt es hier auch noch.

Mit Gross und Gennaker - fast schon wie Passatsegeln

Mit Gross und Gennaker - fast schon wie Passatsegeln

Spannung beim anlaufen von Key West

Spannung beim anlaufen von Key West

Sonnenuntergang bei Key West

Sonnenuntergang bei Key West

Ankerplatz Key West, Christmas Tree Island liegt backbord voraus

Ankerplatz Key West, Christmas Tree Island liegt backbord voraus

Deep deep blue

deep deep blue

deep deep blue

Ruhe des Segelns 12.03.2018

kurz vor Grand Cayman, der Wind lässt nach, die Wellenhöhe hat sich deutlich reduziert. Wellen rauschen heran, zischeln unterm Schiff durch, klopfen auch mal hart an die Bordwand. Das Heck macht schwungvolle Bewegungen nach links und rechts, der Windgenerator säuselt vor sich hin. Was brauch ich einen Windmesser, wenn ich einen Windgenerator habe? Höre ich doch genau am Geräusch der Rotorblätter, welche Windstärke wir haben. Naja, fast genau.

Im Abflussrohr der Pflicht macht es „gluck“, das gegenüberliegende antwortet mit „glock-glock“ - was die sich wohl zu erzählen haben? Kommunizierende Abflussrohre?

Fische fliegen vorbei, hopsen von Wellenkamm zu Wellenkamm; auf der Flucht vor Räubern oder einfach ihrer Bestimmung folgend? Frachter tauchen auf, als AIS-Signal auf dem Bildschirm des Plotters und einige auch deutlich sichtbar, hinter unserem Heck herziehend, kleine Lichtpunkte in der Nacht und graue Schatten in der Morgenstimmung. Um uns herum ist das tiefdunkle Blau des Atlantiks, am Horizont ins leichte himmelblau übergehend. Segeln, wie es immer sein sollte. Die Schot ächzt, der Baum knarrt - Ruhe geht allerdings anders.

Der Skipper hat die Lee-Koje in Beschlag genommen, ich verbiege mich zwischen Tisch und Sprayhood, um auf der Luvbank einigermassen bequemen Halt zu finden - immer bemüht, den Absturz zu vermeiden. Der ihn dann irgendwann doch ereilt. Von unten dringt leises Gemurmel aus dem Schiff. Der Rest der Crew hat es sich auf der Salonbank gemütlich gemacht.

Als es hell wird, schreit des Skippers gequältes Ampereherz auf: wie stehen die Solarpaneele? Die sind ja gar nicht richtig ausgerichtet! Beherzt will er zur Tat schreiten und wird abrupt abgebremst von der Bordfrau. Die legt noch einige Gedenkminuten ein, die Handlung will wohl überlegt sein, das Deck birgt akute Rutschgefahr, ist von einer Salzwasserschicht überzogen. Naja im Salzmantel, ein neues Gericht auf der Speisekarte? Bei 36°C stundenlang gegart - lecker! So richtig hilft die Ausrichtung der Paneele unserer Strombilanz auch nicht auf die Sprünge. Es macht sich nun doch bemerkbar, dass Elli 2, die elektronische Steuerfrau, seit einigen Stunden ihren zwar spurtreuen, aber eben auch stromfressenden, Dienst verrichtet. Elli 3, die Windpilotanlage musste aufgrund einer lockeren Schraube kurzfristig wieder aus dem Betrieb genommen werden. Eine Reparatur war unterwegs nicht möglich und Elli 1, die Bordfrau, fiel aufgrund erhöhten Schlafbedarfes und damit verbundener Arbeitsverweigerung ebenfalls aus.

So ist das, das dee-deep-blue Segeln über 380 Seemeilen zwischen Providencia und Grand Cayman. Fast unwirklich schön.

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