Monats-Archiv Mai, 2018

Kaffeepause

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Von meinem iPhone gesendet

Regen

Grauer Himmel, mal mehr, mal weniger. Dunkelgrau und bedrohlich, dann wieder hoffnungsschimmernd hellgrau. Regen. Viel Regen, Landregen, sinniger Regen, Platzregen. Alles ist vertreten. Es prasselt aufs Deck, auf die Luken. Sturzbäche ergiessen sich von der Persenning abwärts wenn es dem Stoff zu viel wurde. Es tröpfelt auf die Polster. Tropfen bahnen sich ihren Weg zwischen Baum und Kederschiene, die das Sonnen-Regensegel festhält. Jede kleinste Ritze, ein nur minimal geöffnetes Luk - die Tropfen finden diesen Durchlass. Wasser ist so erbarmungslos, sucht und findet immer einen Weg. Wasser. Manchmal kann ich es echt nicht mehr sehen. Vor allem nicht, wenn es sich an Orten aufhält, wo es meiner Meinung nach nix zu suchen hat. Das ist ungefähr so wie mit Ameisen im Haus. Da draussen ist so viel Platz, Bitteschön bleib draussen. Entwickele ich grad eine Phobie, spüre Tropfen auf meiner Haut, wo gar keine sind, keine sein können?

Dabei mag ich Wasser, mag Regen. Schwimme gerne im Regen, gehe im Regen spazieren. Vor allem, wenn die Luft trotz Regen noch angenehm warm ist. Seit Dienstag regnet es, mal mehr, mal weniger - Regenzeit. Pfützen bilden sich auf dem Boatyard und im Wetterbericht wird vor Überflutungen gewarnt. Ob wir schon den Anker nach unten gelassen haben wollen die Freunde auf dem anderen Boatyard wissen.

Aus dem dichten Grün hinter uns erklingt das Froschkonzert. Woody Woodpecker klopft die Bäume ab, blauschwarze Krähen, rote Kardinalsvögel und noch einige andere konzertieren vielstimmig und unermüdlich bis tief in die Nacht. Eine Schnappschildkröte quert die Strasse, in gebührendem Abstand von einem Radfahrer umrundet. Man sollte ihr nicht zu nahe kommen, agressiv seien sie und ihren Namen haben sie nicht grundlos.

Regenzeit. Zeit, um Arbeiten im Schiffsinneren zu verrichten. Aber auch Zeit, um gemütliche Lesestunden ohne schlechtes Gewissen geniessen zu können. Und sich auf sonnigere Zeiten zu freuen.

Bilgenyoga oder Elke reck dich, Elke streck dich

Die Erleuchtung - ich wollt das Elend gar nicht so genau sehen

Die Erleuchtung - ich wollt das Elend gar nicht so genau sehen

Was braucht Frau eine Yogasession, wenn sie ein Boot mit einer teilweise schwer zugänglichen Bilge hat? Schlangenmenschengleich windet sich Frau durch irgendwelche Öffnungen im Boden, die eindeutig nicht für Menschen gebaut wurden. Schiebt Schläuche und Kabel beiseite, deren Sinn und Zweck weitgehend im Dunkel des Schiffsbauchs verborgen liegt. Sie reckt und streckt sich und doch sind die Arme zu kurz. Werkzeuge und Hilfsmittel  wie Schraubendreher und Messer oder die portable Beleuchtung stürzen immer wieder ab, in die Tiefe und müssen mühsam wieder herausgefischt werden. Das Wasser im Eimer färbt sich braun, der Wischfeudel steht ihm farblich in nichts nach. Ein Kissen polstert etwas ab, macht das Liegen auf dem harten Schiffsboden angenehmer. Wie ein Aal windet sich die Bordfrau wieder aus dem engen Fach heraus, um gleich darauf im nächsten zu landen. Dann noch die Bodenbretter schrubben, Klappe zu, Bilge hoffentlich nicht tot aber sauber und geruchsfrei. Die Gesichtsfarbe normalisiert sich wieder und die Schweissrinnsale werden gestoppt. Auch das Ächzen und Stöhnen verstummt. Für heute reicht es uns. Morgen geht es weiter.

Suchst Du was??

Suchst Du was??

Geballte Pferdestärken

Sie hängt ganz unschuldig an unserer Backbordseite und mir liegt sie im Magen: unsere uralt-Rollanlage der Marke Profurl. Mit der hochtrabenden Bezeichnung Titanium. Nicht nur, dass die Trommel mit der Reffleine für ständige Diskussionen an Bord sorgt, nein, jetzt hält das Profil unsere Fock fest. Kein Ruckeln, kein Witschen - nix kann unser Segel dazu bewegen, den Gang nach unten anzutreten. Verflixt und zugenäht, was hoch ging, muss doch auch wieder runter kommen.

Scott eilt uns zu Hilfe. „Today is the day“ - er meint, das Wetter sei gut und er will in den Mast klettern, um das gesamt Vorstag oben am Masttopp zu lösen. Vielleicht richten wir am Boden ja mehr aus.

Gesagt, getan. Relativ schnell ist die ganze Rollanlage demontiert und liegt neben unserem Schiff. Ganz schön lang, das Teil. Wo wir schon dabei sind, wird gleich die Trommel auch noch zerlegt, was uns in punkto Segel bergen jetzt aber auch nicht weiter bringt.

Ratlosigkeit mischt sich in die Scheisstropfen, die uns auf der Stirn stehen. Scott will wissen, ob wir eine Anhängerkupplung am Auto haben. Äh, ja so was ähnliches. Das reicht, befindet er, bastelt eine Leine ans obere Ende der Rollanlage und eine unten an den Segelhals. Dann wird das ganze Konstrukt zwischen einen halbwegs stabil wirkenden Baum und unser Auto gespannt. Langsam gebe ich Gas und fahre an. „Go, go“ schallt es von hinten, dann winkt Scott energisch ab, während der Skipper mir zubrüllt „weiter, warum, hältst Du an??“. Irritation seitens der Fahrerin, was denn nu, go oder stop?? Eine Pfütze war im Weg aber da muss unser Segel jetzt halt durch. Scott sieht ein, die Pfütze ist das kleinere Übel. Also weiter. Und ich glaub es kaum: das Segel ist aus dem Profil und sogar noch heile! Unser „Envy“ hat es gerichtet, geht doch nix über ein paar kräftige Pferdestärken.

Die Männer meinen zwar, das dürfe man niemand erzählen. Ein Segel mit dem Auto aus dem Profil des Vorstags ziehen, wo gibts denn sowas. Aber über Premieren muss ja berichtet werden. Und das war definitiv eine, für uns zumindest.

Da liegt sie, unsere Rollanlage. Samt Segel

Bastelstunde - die Rollanlage wird demontiert

unsere Fock. Der kleine schwarze hats gerichtet

Endlich getrennt von der Rollanlage: unsere Fock. Der kleine schwarze hats gerichtet

Charming Deltaville

Was könnte mich besser mit einem Tag in der Bilge, mit schwarzen Ölschlieren auf Händen und Armen, mit glitschigem Schmodder und einem zu stark gekrümmten Rücken versöhnen, als hier am Abend am Steg zu sitzen. Den Ospreys beim Flug zuzusschauen, dem Geklingel der Fallen an den Masten und dem Zwitschern der vielen Vögel zu lauschen? Eine leichte Brise umweht uns, kräuselt das Wasser und sorgt für einen feinen Wellengang. Noch ist der Himmel blau, die Sonne versinkt gerade so hinter den Bäumen die den Boatyard umgeben. Weiter hinten ziehen Wolken auf, hellgraue Schleierwolken. Ein Gewitter soll es geben meinte die Kassiererin bei Hurds, unserem Lieblingsgeschäft in Deltaville. Egal, was man sucht, der erste Weg führt zu Hurds. Und wenn die es nicht haben, dann wird es bestellt. Zu guten Konditionen. Einen Hurds müsste jede Stadt haben, auch in Deutschland. Früher gab es die auch, heutzutage sind sie leider ausgestorben. Hier in Deltaville ist die Welt auch in dieser Hinsicht noch in Ordnung. Auch wenn man an der Tankstelle im Voraus bezahlen muss. Als Stammkunde vielleicht auch nicht mehr. Ein friedlicher Abend nach einem schönen Tag, auch wenn wir ihn einige Stunden mit Bilge säubern verbracht haben. Und auch wenn wir genau wissen, dass diese Arbeit morgen noch einmal auf uns wartet. Charming Deltaville versöhnt uns mit vielem.

Die Fotos sind auf einem Spaziergang entlang der Berryville Road, am Ufer des Piankatank River entstanden

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