Monats-Archiv August, 2015

Kein Dortmunder aber ein Maedken

Es brummt und summt; ein Gefuehl, als saesse frau in einem ueberdimensionalen Bienenkorb. Alles (naja fast alles) um mich herum ist schwarz-gelb, Fahnen werden geschwenkt, Hymnen gesungen und Haende gehoben im Takt der Trommeln. Unten auf dem Rasen im Signal-Iduna Stadion von Dortmund laufen die Spieler der Fussballmannschaft BvB Dortmund und Hertha BSC ein, werden euphorisch begruesst – der Geraeuschpegel steigert sich noch, unglaublich!

Und wir mittendrin statt nur nebendran bzw. vor dem Fernseher. Live im Stadion erlebt der Kaeptn nun schon zum zweiten Mal ein Spiel „seiner“ Fussballtruppe mit! Und die Bordfrau ist dieses Mal auch dabei, stopft sich die Ohren notduerftig mit Papierstueckchen zu, um dem drohenden Gehoersturz vorzubeugen und die arg strapazierten Flimmerhaerchen im Gehoergang etwas zu entlasten.

42°C werden auf dem Rasen gemessen, ueber dem Stadion woelbt sich ein stahlblauer Himmel. Schon die kurze Bahnfahrt von Froendenberg zum Stadion war eine schweisstreibende Angelegenheit. Im Pulk aber erstaunlich zuegig dann der Einlass ins Stadion. Eine eindrucksvolle Stimmung, hier fast in der Suedkurve. „Die stehen alle???“ - die Bordfrau staunt ueber so viel Standhaftigkeit und Fan-Enthusiasmus …. und ist schon froh, sich auf den Klappsessel niederlassen zu duerfen. Allmaehlich fuellen sich die Raenge; 80500 Besucher sollen es heute sein. Luftballons in den Vereinsfarben steigen in den Himmel. Wildfremde Leute begruessen uns mit Handschlag. Und als das erste Tor faellt – natuerlich fuer den Heimatverein – fallen sich erwachsene Maenner mit geruehrter Augenfeuchtigkeit in die Arme, hauen sich gegenseitig auf die Schultern, strahlen um die Wette. Bei soviel schweisstreibender Aktivitaet ist erstmal ein Bier faellig. Und auch den Spielern unten auf dem Rasen wird eine Trinkpause gegoennt.

Irgendwie hatte ich gedacht, dass auch hier im Stadion das Spielgeschehen mehr kommentiert wuerde. Aber das ist wohl nur bei besonderen Spielsituationen oder wenn ein Spieler ausgetauscht wird der Fall. Unklar bleibt mir auch der Grund fuer die Pfeifkonzerte, die in meinen Ohren ja eindeutig missbilligend klingen. Fussball – ich werd dieses Spiel wohl nie verstehen. Aber die Atmosphaere, hier im „schoensten Stadion der Welt“ (O-ton Stadionsprecher) ist schon gewaltig, zieht auch mich in ihren Bann und ich fiebere mit, wenn der Ball neben dem Tor ins Auffangnetz geht oder einer der gelb-schwarzen Spieler abrupt von einem der gegnerischen Mannschaft gestoppt wird.

Eine kleine Wespe verirrt sich zu uns auf den Rang, steht kurz und offensichtlich verwirrt vor den grossen schwarz-gelben Kollegen, dreht ganz schnell ab und ergreift die Flucht. Nein, auch wenn es hier so klingt, es ist kein Wespennest.

Dann sind 90 plus 4 Minuten vorrueber, viele der Zuschauer springen auf und verlassen fast fluchtartig das Stadion. Das hatte ich mir jetzt auch anders vorgestellt … werden die Helden nicht gefeiert? Nein, man strebt zum Bahnhof und nach Hause, diskutiert auf dem Bahnsteig und spaeter im Zug lebhaft ueber Spiel und Spieler. Auf dem Bahnsteig ist schwarz-gelb ebenfalls dominierend. Ein „Opa Joern“ schiebt seine roten Apfelbaeckchen ueberm Fussballkugelrunden Bauch im quietschgelben Borussen Shirt ueber den Bahnsteig, laesst sich von einer besonders lautstarken mittelalten Fantruppe die mitgefuehrte Bierflasche oeffnen. „Dortmunder Maedchen“ stoeckeln in dezentem schwarz durch die Massen waehrend andere den Namen ihres favorisierten Spielers auf dem Ruecken spazieren tragen. Man kommt hier schnell ins Gespraech, tauscht sich aus ueber Ergebnisse anderer Fussballspiele oder ob welche Kinderkleidung der Nachbar gerade bei ebay vertickt. Die Borussen – irgendwie nett. Und ich finde, „ich bin zwar kein Dortmunder aber ein Maedken“. Und der Ausflug in die Welt des Fussballs hat mir gut gefallen, ein schoener Abschluss dieses Sommers, unseres Deutschland-Sommers. UEbermorgen sitzen wir im Flugzeug nach Curacao, sind auf dem Weg zu unserem Zuhause.

Bahnhof Froendenberg - auf dem Weg zum Stadion

Bahnhof Froendenberg - auf dem Weg zum Stadion

Suedkurve - hier findet man die absoluten, die wahren Fans

Suedkurve - hier findet man die absoluten, die wahren Fans

Aufwaermphase der Spieler und Zuschauer

Aufwaermphase der Spieler und Zuschauer

Auf der Ueberholspur durch Deutschland - Stippvisite im Sauerland

Gemuetlich aussehende Haeuser, mit Fachwerk, Schiefer oder auch ganz schlicht dastehend, recken sich und ihre Daecher in die Morgensonne. Angenehm warm ist es, ein richtig schoener Spaetsommertag im August, der in Amecke, am Sorpesee, ganz gemaechlich erwacht. Nur keine Hektik! Pferde grasen auf den Weiden, irgendwo plaetschert ein kleiner Bach. Seit vielen Wochen haben wir mal ausschlafen koennen, geniessen die Ruhe und Beschaulichkeit dieses Samstagmorgen. Mit einem geselligen Fruehstueck in netter Gesellschaft unserer Freunde Reiner und Gerd geht es im Gastraum der “Hoepke” weiter. Nur Gerd muss etwas auf die Tube druecken, Einkaeufe stehen auf dem Zettel, damit seine Frau und meine Namensvetterin Elke heute Abend wieder was leckeres in die Pfanne bringt fuer die hungrigen Gaeste der Hoepke. Und Rainer steht schon in den Startloechern fuer die finale See-Umwanderung.

Familienbesuch, Treffen mit Freunden, Wiedersehen mit Ecken und Flecken, die tief in des Kaeptns Kindheits- und Jugenderinnerungen ruhen. Nur die Schleichwege, die findet er nicht mehr so auf Anhieb. Und die ehemaligen Kumpel haben sich irgendwie auch veraendert. Da sind lange Haare schon mal einer Glatze gewichen und wer ist die Frau daneben? Auch im Leben der Anderen ist kein Stillstand, gab es Trennungen, neue Verbindungen. Bei so manchem Namen der am Stammtisch in der Gastwirtschaft “Hoepke” aufgerufen wird, wird das Gesicht bedauernd verzogen und wir erfahren wann der — oder diejenige aus dem Leben gegangen sind. Und mein Kaeptn wird an meiner Seite immer stiller, wortkarger, nachdenklicher. Dafuer laufen die anderen der kleinen Runde zur Hochform auf und geben Anekdoten aus ihrem bewegten Leben preis. Die Damen, zu der Zeit ja noch nicht mit den Herren bekannt, bekommen ganz grosse Augen und so manches Mal zuckt die Augenbraue etwas hoeher. Ich bin in der Beziehung ja bereits abgehaertet, kenne ja schon die ganzen wilden Stories von Drugs and Rock’n Roll, von den irrwitzigen Reisen durch Europa oder auch noch darueber hinaus. Dementsprechend nicke ich immer mal wieder zwischen den Storys am Tisch fast ein, mich reisst so schnell nix mehr hoch. Erst gegen zwei in der Fruehe des naechsten Tages fallen wir ins gemuetliche Gaestebett in der “Hoepke”. Durch kleine Ortschaften, ueber kurvenreiche Strassen, die sich durch ueppig gruene Weiden und dichte Waelder schlaengeln, fahren wir von Amecke nach Lendringsen und weiter nach Menden. Friedlich liegt das Sauerland da. “Hier ist die Welt wohl noch in Ordnung” — “ist sie das wirklich?” frage ich den Kaeptn. Oberflaechlich an einem ruhigen Samstagmorgen betrachtet ganz sicherlich. Wie eine Mischung aus Bayern und Niedersachsen wirkt das saure Land, das ich als gar nicht so sauer empfinde. Dass die Menschen hier sich Zugezogenen auch nicht so schnell erschliessen, eroeffnet mir ein Gespraech abends am Stammtisch mit einer Koelnerin, die ihrer zweiten Liebe ins Sauerland gefolgt ist; das Stadtleben in Koeln tauschte mit der Beschaulichkeit vonLendringsen. Lendringsen ….bevor ich den Kaeptn kennenlernte, wusste ich nicht wirklich, wo das ist. Und Sorpesee, Sauerland — ja, gibt es …. aber dagewesen? Nee. Und jetzt bestaune ich mit kindlichem Interesse die grossen Bauernhoefe, Campingplaetze, die mit Schiefer verkleideten Haeuser, die Segelboote auf dem See; aber auch den Leerstand in Ladengeschaeften oder Einheitsbrei aus Nagelstudios und China-Restaurants, aufgelockert durch diverse Doenerbuden, Baeckereien und Versicherungsbueros.

Und wir finden wieder einmal: Deutschland im Sommer ist fuer uns wirklich schoen und durchaus sehr reizvoll. Aaaber: wir sind ja auch nur zu Besuch, bereiten seit einigen Tagen sehr intensiv unseren Rueckflug vor. Beschaffen noch diverses Bootszubehoer, essen uns nochmal richtig satt an Dingen, die wir wohl bald nicht mehr so leicht einkaufen koennen. Fahren meist auf der UEberholspur im komfortablen und gut motorisierten Auto quer durch Deutschland, fallen ueberraschend und herzlich begruesst bei hochbetagten Tanten ein oder ueberraschen andere Kumpels aus der Schulzeit am Arbeitsplatz oder zu Hause. So mancher Besuch bleibt trotzdem auf der Strecke. Es ist einfach zu viel, wir sind nicht mehr aufnahme- und kommunikationsfaehig. Reizueberflutung, wieder einmal. Und irgendwann schalten wir ab, wollen nur noch zurueck, in unser zweites Zuhause in Langwedel-Daverden. Mit uns fahren lecker Appelmus, Erdbeermarmelade und frische Erinnerungen an das “Buetterken” und die Erzaehlungen von Tante Hilde, Tante Gertrud, Tante Maria und all den anderen lieben und liebenswerten Menschen, die da im Sauerland leben, unsere Reise mitverfolgen und sich schon jetzt aufs naechste Jahr freuen. Denn dann “kommt ihr doch ganz sicher auch wieder zu uns”. Kommen wir, ist hiermit versprochen.