Fado-Abend Maria von der Yosoy schreibt nicht nur Buecher und singt Chansons, sie singt auch Fado’s. Und das so richtig live und in Farbe vor Publikum heute Abend in Lissabon, mitten drin in der Baixa Alta, in der “No Bar A Seculo, Rua de Seculo. 2-3 Sitzplaetze in ihrem Auto sind frei. Locke, Cajado und ich nehmen die Einladung zum Mitfahren gerne an. Wer laesst sich schon so etwas entgehen? O.k. unsere Maenner: Andy grossherzig als Babysitter an Bord bleibend und Werner laesst ihn natuerlich nicht im Stich, verzichtet ebenfalls auf dieses Event. Wir parken am Tejo-Ufer,von dort seien es noch ca. 15 Minuten zu Fuss bis zur Bar. Cajado ist nicht so gut zu Fuss, was Maria und Steven aber nicht wissen konnten. Die beiden laufen also und wir fahren den Rest mit dem Taxi, was ebenso interessante Ausblicke bietet und uns definitiv weniger durch geschwitzt ankommen laesst. Geht es hier doch ganz schoen steil bergauf! Die Seitenstrassen gehen erst ein kurzes Stueck steil bergab um dann relativ schnell und lange wieder steil aufzusteigen. Wie sich windende Schlangen sieht das aus. Ueberall sind noch geoffnete kleine Laeden, Restaurants, Bars. Anhalten an einer roten Ampel mitten am Berg, da haette jeder deutsche Fahrlehrer seine Freude. Nach wenigen Minuten und 4 Euro Fahrpreis sind wir da. Die Bar liegt an einem schoenen kleinen Platz, Baeume, das typische Pflaster, eine Statue, Baenke und alles schoen beleuchtet. Einige Gaeste und Fado-Fans sind auch schon da. Maria und Steven noch nicht. Wir parken uns auf einer Bank und nach und nach treffen mehr Leute ein, jung und alt - alles ist vertreten. Die schmale Strasse ist gut frequentiert von Autos. Gegenueber in einem Torbogen liegt ein Obdachloser auf Pappkarton und eingewickelt in eine helle Decke. Nichts ist von ihm zu sehen, nur die Form laesst den Mensch darunter erahnen. Was fuer ein Kontrast: geparkte Nobelkarossen am Strassenrand, die monumentalen, schoenen Leuchten links und rechts vom Tor, gegenueber gut gekleidete Menschen die sich hier treffen, um Musik zu hoeren, etwas zu trinken, Spass zu haben. Die Crew einer weiteren Yacht vom Boatyard in Amora trifft ein, setzt sich zu uns. Niederlaendisch, Englisch, Deutsch, Portugiesisch - wieder einmal ein buntes Sprachgemisch. Aber die Niederlaender sind eindeutig in der Ueberzahl hier: auf niederlaendisch wird das bunte Volk in die Bar gebeten - der Fado-Abend beginnt! Verschiedene Saenger, maennlich wie weiblich treten vor das Publikum, ziehen alle in ihren Bann, mal mehr mal weniger. Perfekt begleitet von zwei portugiesischen Gitarristen. Bei manchen Stuecken singt das Publikum mit. Es wird ein langer Abend. Hin und wieder faellt mein Blick auf den Mann im Torbogen, den mit der Glatze und dem langen schwarzen Bart. Er hat sich aus der Decke gewickelt, kratzt sich den Bart, schaut die Strasse hoch und runter. Andere gehen an ihm vorbei, keiner schaut zu ihm hin, alle ignorieren ihn. In der Bar lauschen wir weiterhin den hingebungsvoll vorgetragenen portugiesischen Texten. Auch wenn ich kein Wort davon verstehe, ist es toll. Und gar nicht so, wie ich mir Fado vorgestellt habe. Teils mitreissend, ironisch-witzig, teils auch tragisch - Volksmusik auf portugues halt. Kleinere Pausen ermoeglichen die Getraenkebestellung. Ein typisches Fado-Lokal ist das hier allerdings nicht, dafuer ist es zu neu, zu modern-stylisch. Der Begeisterung des Publikums fuer die Vortraege der Kuenstler tut das keinen Abbruch. Eine japanische, zierliche Saengerin mit einem erstaunlichen Stimmvolumen wird ganz unverhohlen von einem jungen Mann angehimmelt und verehrt. Auch Theo, der Niederlaender der mit seinem Boot schon seit einigen Jahren im Boatyard in Amora liegt und dort lebt, singt einige Lieder. Extra rasiert hat er sich sogar fuer heute, wir erkennen ihn kaum wieder. Trotz allem fallen mir immer wieder mal die Augen zu. Sie sind ueberanstrengt, es ist alles ungewohnt, um diese Uhrzeit sind wir normalerweise brav in der Koje. Vor uns sitzt eine Frau, die etwas overstylt wirkt fuer diesen Rahmen. Locke spricht sie an, fragt, ob sie auch Fado singe. Ja,ja aber normalerweise in Brasilien, da kommt sie her. Locke spricht mit Maria und dem Organisator des Abends und so bekommt die Dame aus Brasilien noch Zeit fuer eine Darbietung ihres Koennens, was sie gerne wahrnimmt. Das klingt dann nach Fado, wie ich ihn mir vorgestellt habe: Tragik in der Stimme, in der Mimik aber ein enormes Stimmvolumen lassen uns gebannt lauschen. Applaus und Schluss. Man tauscht Komplimente und Visitenkarten aus, verabschiedet sich freundschaftlich von bis dato wildfremden Menschen. Steven hat extra fuer Cajado das Auto etwas naeher geholt. Durch die Rua o Seculo gehen wir zum Parkhaus. In das Pflaster vor einigen Gebaeuden hier sind tatsaechlich Firmennamen in schwarzen Steinen eingelegt! Etwas konfus (trotz oder wegen des Navi) fahren wir zurueck nach Seixal, uebersehen beinahe rote Ampeln, werden von portugiesischen Autofahrern wuetend angehupt, bleiben zwischen Fahrspuren stehen um die Orientierung wieder zu bekommen, landen schliesslich mitten in einem Wohngebiet (das Navi behauptet, wir haetten unser Ziel erreicht!) und finden Dank Cajados Ortskenntnis und trotz Nebel doch noch den Weg zur Werft. Nach 2 Uhr? nicht der Morgen graut, sondern mir graut vor dem aufstehen!