Monats-Archiv Juni, 2018

Softcamper

Campen. Das hat was von Romantik. Von Lagerfeuer, Kerzenschein, Sonnenuntergängen, Naturerlebnis. Back to the Roots. Leben in und mit der Natur, Genuss pur, neue Wahrnehmungen und Erinnerungen an was auch immer.  Und wenn man keine solchen Trapper-Roots hat?

Typische Camperschuhe. Leider hab ich meine Gummistiefel an Bord unserer naja "vergessen"

Typische Camperschuhe. Leider hab ich meine Gummistiefel an Bord unserer naja

Wenn Campen eher was von Räuchern hat? Weil das Lagerfeuer mehr Rauch als Feuer produziert, auch das der Nachbarn? Und Holzfeuergeruch ja ganz nett ist, aber nicht wenn er in den Klamotten hängt, mit denen ich ins Bett gehe. Wenn statt Ruhe und Naturgeräuschen Strassenlärm, Flugzeuge, Kleinkindergebrüll (nix gegen Kleinkinder!) und Hundegebell an unser Ohr dringt?
Moskitos dringen mit einsetzender Dämmerung in unser Schlafgemach ein. Wo sie uns gerade erst hinein getrieben haben, weil ihre Stechattacken auf der ach so urigen Picknickbank des Campingplatzes nicht mehr auszuhalten war. Da hilft kein Rauch und kein Sprüh (Off), die Viecher sind irgendwie immun.
5 Uhr früh, der Regen plätschert sinnig auf unser Dach. Kuschelig. “Ist doch schön, wenn der Regen so aufs Zeltdach prasselt”. Ja, schön. Unser Zeltdach ist ja aus Blech, da ist es doppelt schön. Leider ist ein gewisser Gang absolut und auch mit der schönsten Kuscheligkeit nicht mehr hinaus zu zögern. Also beherzt Türe auf, Regenjacke übergezogen, rein in die Flip-Flops (mangels Gummistiefel und Temperaturmässig auch noch tragbar) und ab über die nasse Wiese Richtung Toilettenhäuschen. Oder vielleicht doch lieber den Smilie-Pee-Eimer im Zelt nutzen?? Zeltcamper haben offenbar alle einen Eimer, mehrere der Smilie-Eimer begegnen mir, vor anderen Zelten stehend und verschämt rübergrinsend. Das Camperklo 2018 ist der 2,50 Smilie Eimer aus dem Dollarama, in verschiedenen Farben, von grasgrün über zitronengelb zu pink. Vorsichtig taste ich mich um Abspannleinen, Zelthaken und das ungesicherte Feuerloch herum - Mist, Brille vergessen, na geht auch so, die paar Meter. Es geht und im Toilettenhaus hängt schon eine andere Camperin überm Waschbecken, reibt sich den Schlaf aus den Augen. Eigentlich hatte ich den Zwergenaufstand aus den Gruppenzelten hier vermutet. Sind Kinder nicht notorische Frühaufsteher? Die hier in den Zelten offenbar nicht.
Viel Rauch um wenig Feuer

Schön ist es dann, unter die immer noch kuschelig temperierte Decke zu kriechen. Aber vorher Flip-Flops auf der Fussmatte ausziehen und die Füsse am ollen Handtuch trocken reiben. Nach so viel Anstrengung am frühen Morgen verfalle ich in absoluten Tiefschlaf und bekomme noch nicht mal, das unsere Nachbarn sich vom Platz bewegen. Dabei seien die richtig laut gewesen. Typisch, Waschbären neben dem Auto bekomme ich mit, aber das ein grosser Wohnwagen samt dazugehörigem PIck-Up-Truck sich vom Platz bewegt, das berührt mich nicht im geringsten. Muss der wieder einsetzende Regen doch seeeehr sinnig gewesen sein.

Hier zelten offenbar Camper mit Regenerfahrung - Gruppenkuscheln unter der zusätzlichen Plane

Hier zelten offenbar Camper mit Regenerfahrung - Gruppenkuscheln unter der zusätzlichen Plane

Go West

Zarte Musik dudelt seit einer gefühlten Ewigkeit in mein Ohr, unterwandert auf suptile Art sogar die Geräuschkulisse des nahen Highway 401. Was zum Henker ist das? Hier sind viele Familien mit Kindern, lauschen die etwa diesen Kuschel-Kling-Kling-Tönen? Ja, sie lauschen. Stehen erwartungsvoll am Rande ihrer Stellplätze und halten Ausschau nach - jawoll, dem Eiswagen! Der dreht langsam seine Runde über den Glen Rose Campground. Genau wissend, dass hier Umsatz zu generieren ist und leere Kindermägen mit der kühlen Köstlichkeit zu füllen sind.
Kaum ist der Eiswagen durch, fallen die ersten, angekündigten, Regentropfen aufs Zeltdach. Wir sitzen gut geschützt im Zelt. Das hat schon was, so ein Zelt. Mit Stehhöhe, Stuhl und Tisch drinnen. Und Stromanschluss. Auch wenn wir dafür erst nochmal loszuckeln mussten, ein längeres Stromkabel besorgen. Dafür gibt es dann für jeweils 2 Stellplätze sogar einen eigenen Wifi-Hotspot, welch Luxus. Das alles nur wenige Autominuten von den nächsten Einkaufsmöglichkeiten entfernt und dicht vor den Toren Torontos gelegen. Nicht zu vergessen der Fish&Chips-Laden in dem ich den Traum meiner schlaflosen Nächte getroffen habe: blaues Netzhemd über - immerhin braun gebrannter - Falten-Schwabbelhaut, darunter abgewetzte Cordhosen auf Turnschuhen. Das alles in der Alterskategorie 70+ … lässt das Alter abstumpfen, dem eigenen Äusseren gegenüber? Oder sind sowohl die Spiegel als auch die Hineinsehenden im Laufe der Jahre blind geworden?
Ganz allgemein scheinen uns die Unterschiede zwischen Toronto und Montreal recht gross zu sein. Französischer Feingeist gepaart mit sportlichen Aktivitäten, Figur- und Gesundheitsbewusstsein in der Einen, Fish&Chips Mentalität (grob gesagt) in der Anderen? Man fährt agressiver hier, überholt im Zick-Zack wie wir es sonst nur von Deutschland her kennen. Die Menschen lächeln weniger und fragen nicht mehr, wo man her kommt. Wenn man ins Gespräch kommt, dann mit anderen Reisenden, Radtouristen aus Montreal z.B.
Warum nur sind wir aus dem Land der 1000 Inseln so früh weg gefahren? In Kingston ist es gut 5 Grad wärmer, hier frieren wir schon etwas, was vielleicht auch am Wetterumschwung liegen mag. Die Landschaft gibt nicht mehr viel her, ist zugebaut mit Kraftwerken, grossen Fabriken. Hier wird das Geld gemacht, hier bringt nicht der Tourismus oder die Landwirtschaft das Geld. Kein gemächliches am Kanal entlang tuckern. Und prompt läuft das Auto “Amok”, es leuchtet hartnäckig “Engine Service soon” auf. Ich vermute einen anstehenden Ölwechsel, das Handbuch belehrt uns eines Besseren. MIt unserem Emissionen stimme etwas nicht, vielleicht schlechten Sprit getankt? Man solle zügig die nächste Werkstatt aufsuchen, na super! Vielleicht hätten wir doch nicht im Cannabis-Dreieck tanken sollen ….

Cobourg, Lake Ontario

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Cobourg - nein, es handelt sich um keinen Schreibfehler. Und die Stadt hat auch absolut nichts mit der in Deutschland gelegenen, ähnlich geschriebenen, zu tun.
Cobourg in Ontario verfügt über eine nette Marina, einen kleinen Campingplatz der direkt daneben liegt und über einen Sandstrand. Und über viele Möwen.
Die Promenade wird fein gemacht, Blumen werden gepflanzt, Metallbänke laden zum Verweilen ein, Spielplätze, Beachvolleyball, eine Sliprampe. Vor der Marina kann man sogar ankern und hat dabei Ausblick auf die neuen, aber doch ganz ansehnlich gestalteten Appartmenthäuser, die den Hafen säumen. Geht man in die zweite Reihe, trifft man auf erstaunlich viel leerstehende Häuser und Geschäfte. Kaffee trinken dagegen kann der geneigte Kaffejunkie alle paar Meter, da steigt der Koffeinpegel ins Unermessliche.
Irgendwie schade und auch etwas unverständlich. Der Ort hat alles, was Touristen anzieht und trotzdem ist so wenig Leben auf der Mainstreet. Vielleicht ändert es sich ja noch.
Uns zieht es jedenfalls weiter. Eine Nacht auf dem Campingplatz ist genug. Der Platz ist klein, dicht an dicht stehen die fetten RV’s, stopfen ihre Abflussrohre in die dafür im Gras eingelassenen Rohre und fangen alle paar Minuten das Brummen an. Man grüsst sich kaum, viele stehen wohl auch hier die Saison über - Blumenampeln, Gartenzäune etc. zeugen von Sesshaftigkeit. Und für den Seeblick (der bei der Weite des Lake Ontario und dem Möwengekreisch auch gut ein Meerblick sein könnte) nimmt man auch in Kauf, dass der Sand vom Strand mal unter die Markise geweht wird oder neugierige Strandläufer die Abkürzung über den Platz nehmen. Dazu das Piepen der Parkuhr vom Parkplatz vor der Hecke des Campingplatzes und am Abend die Beschallung durch die Automusikboxen der Dorfjugend. Ja, wirklich nett.
Ein Radlerpaar rollt auf den Platz, parkt direkt neben uns ein. Baut zu vorgerückter Stunde ein MIniminiZelt auf. Bewundernswert! Aus Montreal sind die Beiden und das Französiche ist unüberhörbar ihre eigentliche Sprache. In Toronto waren sie schon, jetzt geht es zurück nach Montreal. 60-70 Km versuchen sie, am Tag zurück zu legen. Und dann nachts in dem kleinen Zelt schlafen. Wie das wohl in den nächsten Tagen bei dem angekündigten Regen ist? Nein, wir sind dann doch Softcamper, freuen uns über die Behaglichkeit unseres Bettmobils und linsen schon mal orientierungsmässig in Richtung Wohnwagen.
Fotos folgen - das Internet will grad nicht so, wie ich es will!

Von meinem iPhone gesendet

Wer rumpelt und pumbelt mitten in der Nacht…

Nächte im Wald können ja auch etwas unheimlich sein. Vor allem, wenn sich jemand direkt neben meinem Kopfkissen an etwas zu schaffen macht. Zum Glück ist das Autoblech dazwischen und das Etwas ist nicht das Türschloss, sondern die vor der Tür geparkte Kühlbox.

Bewaffnet mit der starken Taschenlampe bin ich heldenhaft tapfer und öffne die Tür. Nix zu sehen, aber vielleicht haut mir gleich jemand was auf die Rübe??? Elke, du liest zuviele Krimis! Unschuldig liegt die Kühlbox im Busch, auf die Seite gekippt. Zum Glück hat die Deckelverriegelung dem nächtlichen Interessenten Stand gehalten. Sicherheitshalber kommt sie jetzt in die Obhut des Fahrersitzes.

Jetzt hält es den Navigator auch nicht länger auf der Matratze. Und prompt stört er den Fan unserer Kühlbox bei weiteren Aktivitäten rund um unseren Picknicktisch: ein Waschbär blinzelt zutraulich ins Licht und sieht keinen Anlass, das Weite zu suchen. Gut, das der Müllbeutel, Brot etc alles gut im Auto  weg gepackt war!

Emily

Zwei Nächte hat sich das Bettmobil die Reifen auf schnödem Asphalt platt gestanden. Wir haben J-Flight und seine Annehmlichkeiten wie Duschmöglichkeit (natürlich gegen Bezahlung), Frühstücksdiner, preiswertem Kaffee, leckerer Pizza, TV- und Internetzugang kennen- und schätzengelernt. Das die 401 dicht an unserem Schlafzimmer vorbei braust, hat uns wenig gestört. Immerhin gab es dafür auch keine Moskitos, die erlegt werden mussten, um in Ruhe schlafen zu können. Die zweite Nacht war dann der Walmart-Parkplatz dran. Naja, reden wir nicht darüber, sagen wir mal: wenn ich mit dem Kopf etwas tiefer schlafe, ist das nicht ganz so mein Ding.
Entsprechend übellaunig bin ich am nächsten Morgen, dazu geplagt mit beginnendem Kopfschmerz und einer sich breit machenden Gleichgültigkeit. Schlecht, weil am Wegesrand wirklich nette Ortschaften mit tollen Wohnhäusern, Kirchen und sonstigen Gebäuden liegen. Rinderzuchtfarmen, Bilderbuchfarmen und Strassen, die sich endlos über sanfte Hügel schwingen. Hier herrscht etwas mehr Verkehr und trotzdem ist es immer noch beschaulich, im Vergleich zu Deutschland, zu Europas Strassenverkehr. Liegt es daran, dass die LKW gleichberechtigte Partner sind was die Geschwindigkeit betrifft? Das “man”, sprich Frau, eher von einem LKW überholt wird als das man einen solchen überholen müsste??? Liegt es an der Geschwindigkeitsbegrenzung, die für ALLE gilt??
Der Lake Ontario ist gross, sehr gross und irgendwie haben wir das Gefühl, genug vom See gesehen zu haben. Die riesigen Grundstücke am Wasser mit ebenso riesigen Häusern sind nett anzusehen, aber irgendwann ist auch gut. Die derzeitige Challenge lautet: einen nicht zu teuren, netten Campingplatz zu finden, auf dem wir ein paar Tage rasten können und wollen. Das Zelt aufbauen, ein paar Ausflüge in die umliegende Stadtbotanik machen, thats it. Wir sind ja genügsam :-).
Nach mehreren erfolglosen Anläufen und einem Zwischenstop in Petersborough an der höchsten, hydraulisch betriebenen Trogschleuse der Welt (mir kommt die im Kreis Lüneburg beheimatete ähnlich anzusehende Schleuse immer noch höher vor, aber wahrscheinlich kann die nicht hydraulisch betrieben werden) gibt es einen aufmunternden Kaffee an einer Strassenkreuzung. “where are you from?” - die Frage kennen wir schon. Und das danach kommende, verständnisvolle, Nicken auch. Ja, klar, der Akzent verrät uns als Germans, manchmal gingen wir auch als French durch (was mich immer wieder überrascht - Scherie, mach disch nackisch vor misch). Dieses Mal ist es aber anders, ganz anders. Denn unser Gegenüber legt auf kanadisch-englisch eingefärbtem aber ebenso eindeutigem hessisch los! Ein echtes Frankforter Mädsche steht da und schenkt uns den Kaffee ein. im zarten Alter von 5 Jahren haben die Eltern sie zwangsimigriert. Und so lebt sie nun seit 45 Jahren in Kanada, hat eigentlich niemanden mehr, mit dem sie deutsch sprechen kann, spricht es dafür aber nahezu perfekt. Wir - speziell ich - sind hin und weg! Endlisch widder hessich babbele - wenn auch mit Klangfärbung, soooo schön.
Leider ist die Dame ziemlich busy, das Diner ist sehr gefragt, der Kaffe lecker und preiswert, die Kunden stapeln sich und dazwischen klingelt es auch noch im Headset. Wir machen winke-winke zum Abschied und sind wieder on the road. Weiterhin mit mässigem Erfolg. Die nächsten Camp-Areas erweisen sich alle als Flops und ähneln eher Schrebergärten. Zelte sind hier nicht erlaubt, man steht hier mit dem Wohnwagen und das eher langfristig.
Mit Hilfe unserer App finden wir dann den Weg zu Emily. Emily …. allein der Name, schön oder? Vorsaison, dementsprechend relaxt ist hier alles. Keine Schranke verwehrt die Zufahrt zu dem Park. Denn das ist Emily, ein Mitglied der Ontario-Parks Gemeinde. Und ein äusserst nettes obendrein. Wir bekommen im Hauptbüro (das glücklicherweise noch geöffnet hat), einen netten Stellplatz raus gesucht. Warum die Bettmobilistin allerdings aus 176 spontan 179 gemacht und angesteuert hat, erschliesst sich uns trotz intensiver Gehirnwäsche immer noch nicht.
Und so gräbt das Bettmobil seine Reifen heute in weichen, mit Gras und Klee bewachsenen Waldboden. Der Weg zu Dusche und Toilette ist nicht gerade kurz aber idyllisch und kurzweilig. Von schräg gegenüber klingen Holzfällergeräusche herüber, der dazugehörige Hund bellt und das ebenfalls dazugehörige Kleinkind kräht begeistert. Dann knackt es im Gebälk des Campfeuers (gegenüber). Unseres schweigt mangels Holzmaße, dafür glüht die Holzkohle sanft vor sich hin und könnte noch ein paar Steaks garen.
Friede, Ruhe, um uns herum, in der Bettmobilistin drinnen. Das Kopfweh hat sich verflüchtig. Ob dazu Stellplatz, Rotwein oder Abendessen samt Kaffegenuss beigetragen haben? Wen interessiert es, mir geht es wieder gut, der (Seelen)Friede ist wieder hergestellt, der verspannte Fahrerinnennacken wird liebevoll vom Navigator malträtiert, Bettschwere stellt sich ein (was eindeutig am ontarischen Rotwein liegt).

Fotos folgen, also bitte-gerne nochmal reinschauen !!

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