Monats-Archiv Juni, 2018

Ortswechsel mit Überraschungen

Die Landschaft verändert fast unmerklich ihr Aussehen, die Strasse ist irgendwie gerader, wirkt länger, wippt kleinere Hügel auf und ab und ist doch lange sichtbar. Wir sind immer noch in Ontario. Haben Kingston hinter uns gelassen, fahren am Nordufer des Lake Ontario entlang. Vom See ist nichts mehr zu sehen, der liegt irgendwo links unter uns.

Eine graue Wolkenwand schiebt sich auf uns zu, der angekündigte Regen lässt nicht länger auf sich warten. Beste Voraussetzungen, um die Nacht - wo auch immer - im Auto zu verbringen ;/). Zelt wird heute definitiv keines mehr aufgebaut.

Der Regen setzt ein, wir ignorieren die Fahrhinweise unserer Navigationsdame geflissentlich, rollen über schmale Landstrassen. Und landen plötzlich und unerwartet im Cannabis-Paradies. Leuchtreklamen mit dem unverwechselbaren grünen Blatt preisen die Ware an wie andern Orts so manche D

ame ihre Gewerbe anpreist. Wo die Eine mit rot heimleuchtet, ist es hier eben grün. Phantasievolle Namen wie “Oasis”, Smoke on the water”, “Pot Shoppe” oder “Farmers Market” machen neugierig. Die dazugehörigen Buden allerdings schrecken irgendwie auch wieder ab. Fast-Pot im Imbissbudenstil. Nix für uns. Schnell ein Foto, leicht verwaschen. Was am Regen liegt und nicht am Konsum der grünen Pflanze :-). Ehrenwort.

Jones Falls

Ein klein bisschen Kanada-Natur-Feeling
Wir kommen um die Kurve, langsam weil der Weg aus einer Schotterpiste besteht. Braun steht es da, rotbraun. Sanfte, wissende Augen im schmalen, edlen Kopf.  Die Lauscher aufmerksam nach vorne gestellt, den Kopf uns zu gewandt verharrt das Reh für einen Moment am Wegrand, verharrt. Wir schauen uns an, unverwandt, unfähig, uns zu rühren, dann springt es elegant die Böschung runter Richtung Wasser.
Ein Stück weiter läuft ein brauner Kugelblitz mit einem etwas platt wirkenden, kurzen Schwanz eilig über die Strasse. Biber oder nicht-Biber?
Wir sind nicht in einem der unzähligen und unendlich weiten Naturparks Kanadas. Aber wir bekommen eine klein wenig eine Ahnung davon, wie es dort sein könnte, in der weiten, weiten Wildnis. Unser Ziel ist Jones Falls, eine weitere Schleuse im Reigen der Rideau-Canal-Schleusen zwischen Kingston, Ontario und Ottawa, Ontario.
Den Tipp haben wir von einem Paar in Merrickville bekommen. Wenn wir zurück nach Kingston führen, sollten wir unbedingt einen Halt in Jones Falls einplanen. Noch eine Schleuse, sind die nicht alle zwar irgendwie schön aber auch irgendwie gleich? Ja, sind sie. Und doch empfängt uns auch hier wieder ein ganz besonderer Zauber, ist Jones Falls einzigartig. Und wir sind froh, den Abstecher hierher gemacht zu haben.
Zwischen urzeitlichen Felsblöcken erheben sich mächtige Schleusentore. Bis zu 15 Fuss sind die Schleusenkammern tief und das Gefälle ist schon beeindruckend. Rund um die Schleusenanlage, die wieder aus 4 Kammern besteht, 3 davon als sog. “Flights”. Ein Höhenunterschied von insgesamt 17,8 Metern wird dabei überbrückt. Rund um die Schleusenkammern führt ein Fussweg, der teils mit Treppenstufen die Höhe überwindet. Dabei wandert man von der Holzbrücke, die zum Hotel Kenney hinüberführt über die Besucherinformation zum “Sweeney House”, das früher dem Schleusenwärter als Wohnhaus diente und noch original ausgestattet ist. Der Weg führt eigentlich weiter zum auch heute noch beeindruckenden Damm. Den schenken wir uns aber, die Wanderung ist so schon schweisstreibend genug und die junge Dame, die im historischen Gewand im Sweeney House auf neugierige Besucher wartet, beneidet uns nicht darum, in der Sonne herum zu wandern. Mit der gestärkten weissen Haube auf dem Kopf und dem fest gewirkten Stoff ihres langen Kleides wäre das sicherlich auch kein wirkliches Vergnügen. Leise pustend hebt sie fächelnd den Rock immer wieder etwas an.
Vor der Schleuse hat eine Art Ausflugsboot festgemacht. Die ganze Truppe steigt vergnügt aus und bezieht um einen der unvermeidlichen Picknicktische Stellung. Wir tasten uns über das Schleusentor auf die andere Seite zur alten Schmiede. Die ist immer noch in Betrieb und schmiedet kleine Werkstücke wie Schlüsselanhänger, Wandhaken, Serviettenhalter oder Zahlen. Heute allerdings wird nicht geschmiedet. To hot. Verstehen wir. Wer will sich bei den sommerlichen Temperaturen schon selbst einheizen? Über einen urwüchsigen und kaum erkennbaren Pfad geht es über Stock, Stein und eine Holzbrücke durch den Wald zurück zum Parkplatz. Mit unseren Flip-Flops und Bootsschuhen sind wir wieder perfekt ausgerüstet für dieses steinige, manchmal etwas glitschige Wegstück. Wie die Gemsen klettern wir über Stock und Stein und kommen doch leicht ins Schnaufen. Kondition geht irgendwie anders. Eine doppelgeflügelte Libelle schwirrt vor uns her, Farnkraut wächst auf Felsen und ganz dicht am Wasser. Da machen wir doch heute ganz unvermutet noch eine Naturwanderung, wer hätte das gedacht.
Nach Kingston Mills, Merrickville hat uns nun auch Jones Falls sehr beeindruckt.  Wer allerdings im zugegebenermassen idyllisch aber auch sehr einsam gelegenen Kenney-Hotel die Zimmer bevölkern und für Leben sorgen soll? Und was passiert hier im Winter? Schotten dicht und ab in den Süden? Oder werden dann die Schlittenhundgespanne und die Langlauf-Skier ausgepackt? Ontario im Winter - das wäre sicher auch eine spannende Erfahrung.

Wenn sie von der Rolle sind

Beschaulich sitzen wir vor unserem Zelt, Frühstückskaffee die Erste. Mit Sonnenschein, man glaubt es kaum nach dem gestrigen Regentag. Und dann macht es “Wruuum! PS-Boliden mit wuchtigen Motorhauben, riesen Fahrerkabinen und einer grossen Ladefläche; Autos, für die man zum Einsteigen eine kleine Trittleiter benötigt, mit ebenso monströsen Trailern hintendran. Angekuppelt auf einer richtigen LKW-Sattelkupplung die für diesen Zweck auf die Ladefläche der Pickup-Trucks montiert wird. Truck, das ist der richtige Ausdruck. Es sind kleine Trucks, die da Einer nach dem Anderen auf der plötzlich sehr schmal wirkenden Campingplatzzufahrt anrollen. Dazwischen Wohnmobile und an so manchem Gespann hängt auch noch ein Bootstrailer. NIcht nur das Land ist grösser, weiter. Auch die Campinggespanne bewegen sich in für uns bis dato unbekannten Dimensionen. Poppen oder Sliden out und in, je nach Platzbedarf wird damit das Raumangebot mit kleinen Erkern erweitert ….. ja, was habt ihr denn gedacht??
Es ist Freitag, irgendein wichtiges Event im Leben der Anglergemeinde, das Bass (oder vielleicht doch Brass) -Wochenende, steht bevor. Der Campingplatz ist voll ausgebucht, da bleibt kein Stellplatz frei.
Geübt wird eine Wagenburg gebaut. Geselligkeit ist angesagt, man kennt sich, will sich in die Augen sehen und zusammen sitzen, grillen, Feuer machen, von den Heldentaten mit der Angel erzählen. Die Angelboote werden direkt neben unserem Zelt ins Wasser gelassen, was für uns einen hohen Unterhaltungswert hat. Bemerkenswert und auffällig sind die relativ bescheiden wirkenden Boote, die aber sehr oft vorne am Bug noch mit einem Elektromotor ausgestattet sind. Wohl eher, damit die Fische mit den Aussenbordern nicht aufgeschreckt werden. Schade nur, das viele der Neuankömmlinge einen für uns nur schwer verständlichen Nuschel-Dialekt sprechen und wir peinlicherweise mehrfach nachfragen müssen, was da denn gerade mitgeteilt wird. Die 4. Nachfrage ist uns dann megapeinlich und so lachen oder nicken wir nur Verständnis miment. Spass haben wir trotzdem.
Nach Speck riecht es, der Grill vor dem Megawohnwagen wird schon zum Frühstück in Betrieb genommen, die Bierflasche ist ebenfalls schon morgens um 9 im Einsatz. Kein Wunder, das in den zum Verkauf angebotenen, gebrauchten Trailern die Küchen oft wie neu und ziemlich unbenutzt aussehen. Musik, Gelächter, Autotüren klappen, Gespanne rangieren hin und her -  der Campingplatz lebt, nix mehr mit beschaulicher Ruhe am Rideau-Kanal. Der wird auch immer belebter. Täglich fahren mehrere Boote Richtung Schleuse oder kommen heraus. Jollen ziehen unter Segel ihre Bahn über die Wasserfläche und Kanuten paddeln bei Wind und Wetter an uns vorbei.
Und direkt neben uns haben wir so eine Art Hafenkino. Oder besser:  Sliprampenkino. Die Fahrkünste der diversen Gespannfahrer sind so oder so bewundernswert. Und wie meistens: die, die unbeteiligt auf der Bank sitzen, am Rand des “Spielfelds”, wissen es eh immer besser. Höflich halten wir uns aber mit guten Ratschlägen zurück, nehmen höchstens mal eine Leine an oder gucken besorgt, falls ein Autoreifen unseren metallenen Zelthaken zu nahe kommt. Nicht das wir Angst um die Haken hätten. Ins Wasser rein geht jedenfalls bei jedem schneller und einfacher als raus.
Morgens um 4 ist dann die Nacht rum. Lichtkegel zucken durchs Dunkel, im Schein der Taschenlampen werden die Boote gesucht und das Equipment verpackt. Die ersten Angler stürzen sich in die Boote und auf die Angelruten. Schnell wird in dunkler Nacht noch ein Boot ins Wasser gelassen. Dann  geht es raus aufs freie Wasser. Kreisförmig beziehen die Angelboote weit draussen im Fahrwasser Ihre Plätze.  Und kommen am späten Vormittag völlig überhitzt zurück. “Its too hot outside”. Glauben wir gerne. Lässt sich doch höchstens das Pappellaub von einem schwachen Windhauch ins Flirren bringen, alle anderen Bäume zeigen sich unbeeindruckt. Von grossen Fängen ist nichts zu sehen und zu hören. Man hält sich bedeckt, war wohl auch den Fischen zu heiss, um nach dem Haken zu schnappen.
Dafür ist im Ort einiges los. Die Patios der Restaurants und Pubs sind gut gefüllt, die Hexen-Fritten-Bude hat geöffnet und kann nicht über Kundenmangel klagen.  Im Schatten alter Bäume findet ein Mini-Flohmarkt statt. Antik- und Trödelobjekte stehen auch hier hoch im Kurs.

Dann ist Sonntag. Kein Angelboot findet mehr den Weg aufs Wasser. Alle wirken etwas Partygeschädigt. Die Mülleimer quellen zur Freude der Krähen und diversen Hörnchenarten über. Alles wird wieder verstaut, die Gespanne rollen nochmal über die Entsorgungsanlage und dann endgültig vom Platz. Da kann es schon mal zu Stau kommen. Wenn dann noch ein Motorbootgespann auf den Platz drauf will, muss auch schon mal das Zufahrtsschild dran glauben. ICH wär ja nicht raus gefahren, von mir aus hätte der blöde Mobo-Fahrer bis zum Sanknimmerleinstag da in der Einfahrt stehen können. Der Kanadier aber lässt sich rauswinken und hat prompt das Malheur: sein Wohnwagen kommt besagtem Schild nah und näher. Den Ausgang der Aktion bekommen wir nicht mehr mit, uns zieht es noch einmal ins Städtchen. Fish & Chips sind angesagt, nicht nur bei uns. Wobei Hotdogs offensichtlich auch sehr hoch im Kurs stehen. Liebenswürdig bewältigen die beiden Mädels im Imbiss den Kundenansturm. So viele “my love” und “my dear” habe ich selten gehört. Und das will sowohl in Kanada als auch in den USA was heissen.

Die letzte Nacht gönnen wir uns einen anderen Ausblick. Wir stehen direkt vorm Duschhäuschen, hinter uns der Kanal zur Schleuse. Grünflash vom Feinsten. Es ziueht sich langsam zu, das Zelt haben wir vorsorglich schon heute Vormittag abgebaut. Jetzt kann es von uns regnen, das kümmert uns wenig in unserem Bettmobil. Prompt platschen die ersten Tropfen aufs Kanalwasser, bilden grosse Kreise und verlieren sich wieder. Zeit, ein Dach überm Kopf aufzusuchen. Canadiansummer - manchmal kühl, manchmal regnerisch aber immer wieder schön.

Sanft schaukelt….

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…die Hängematte unterm Weidenbaum. Kinderlachen vom Strand, Vögel schnattern miteinander… Sommerabend am Rideau Kanal, Kanada

Von meinem iPhone gesendet

Auch schöne Tage haben ein Ende, aber ein schönes, relaxtes - cheers

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Wein von Lake Erie, Ontario, Kanada. Sehr lecker

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