Kanada. Das Land der endlosen Wälder, der Weite, der unberührten Natur. Wilde Tiere, Lagerfeuer, ein Hauch von Freiheit, Wildwestromantik, Trapperleben. Wir durchfahren den ziviliserten Teil des Landes. Farmen, Ranches, Weide- und Ackerland. Obstplantagen, Weinanbau, Gemüse, Pferde- und Rinderzucht. Vieles erinnert uns an Europa. In dem ja auch die Wurzeln dieses noch recht jungen Landes liegen. Gerade mal 225 Jahre alt ist Merrickville und wirkt trotzdem wie aus der Zeit gefallen. Genau wie die Schleusen entlang des Rideau-Kanala, die wir uns mal mehr mal weniger ausgiebig angucken. Überall stehen Hinweisschilder auf ein historisches Gebäude. Die Kanadier sind sich ihrer Geschichte bewusst und bewahren das alte, historische. Ein offenes Land. Camping, Grillen, Picknick, Angeln - man ist gerne draussen und das zeigt sich in den vielen, öffentlich zugänglichen Plätzen. Von denen die Kanadier gerne und oft Gebrauch machen. Picknicktische und fest montierte Grills, zahlreiche Campingplätze und Radewege gibt es. Und wo kann man in Deutschland schon einfach so an das Schleusenbecken ran gehen oder über die Schleusentore spazieren, den Schleusenwärtern sprichwörtlich über die Schulter gucken bei ihrer schweisstreibenden Arbeit.
Wasser, überall Wasser. Sumpfgebiete, die zu Bauzeiten des Kanals vielen Arbeitern Fieber gebracht und das Leben genommen haben. Hauptsächlich Iren waren es, die hier ihre Erfahrung eingebracht und die Granit- und Kalksteinblöcke in Form gehauen haben. Ein bisschen “Irish” mutet auch Merrickville an. Mit seinen Steinhäusern, mit Pub, Vinyl-Plattenladen und sonstigen kleinen Läden. In einer kleinen Kirche wird heute Antikes und Trödel verkauft und vielleicht auch darin gewohnt? Das Kanalwasser teilen sich Gänse, Enten und Schildkröten. Letztere legen jetzt ihre Eier auf dem Gelände des Campingplatzes ab. Vier Exemplare leben hier und eine davon haben wir schon beim Sonnenbad beobachten können. Ja, wir sind bekennende Spanner und schrecken auch vor einer Turtle nicht zurück.
Die Weite Kanadas zeigt sich uns in grossen Gartengrundstücken und ziemlich leeren Strassen. Zwar hält sich auch hier - ausser uns Touristen - niemand ans vorgeschriebene TEmpolimit. Aber gedrängelt oder gar äusserst riskant überholt wird man nicht. Stehe ich mal bei Rot als Rechtsabieger an der Ampelkreuzung und vergesse, das ich eigentlich fahren darf, hupt mich trotzdem keiner nb. Es wird geduldig gewartet, bis ich es geschnallt habe oder die Ampel grün zeigt.
Was wir sehen von Kanada, macht Lust auf mehr. Lust auf die unberührte Natur, auf endlose Wälder und Seen. Die gibt es aber auch hier. Miteinander verbunden durch unzählige Kanäle, Flüsse, Bäche und was es sonst noch an Wasserwegen gibt. Die Bezeichnung “1000 Island Region” ist noch untertrieben. Ob es jetzt über 1700 oder sogar mehr als 1800 Inseln im MÜndungsgebiet des St. Lawrence in den Lake Ontario gibt, darüber streitet man sich nicht wirklich. Jeder kleine Felsen wird als insel bewertet. Und auf vielen stehen ein Baum und ein Haus. Für mehr wäre kein Platz mehr. Immer wieder blitzt Wasser durch die Bäume, immer wieder fährt man über eine Brücke oder sieht Hinweisschilder auf einen See, auf einen Strand. Eine Welt, die sich nur auf dem Wasser wirklich erschliesst. Mit einem Kanu, langsam und lautlos dahingleiten. NIcht grundlos ist Kanoeing hier derart beliebt.
Es passiert grad nicht viel in unserem Landleben. Keine anspruchsvolle Navigation, keine Stürme, keine Ankergründe. Alles ist so einfach geworden. MIt dem Auto zum Supermarkt und zur Waschmaschine. Manchmal heisst es  “Bitte wenden” und im schlimmsten Fall muss man etwas mehr kurbeln, weil sich die gewählte Strasse als Sackgasse heraus gestellt hat. Einkaufen wird zur Lust, an jeder Ecke gibt es Supermärkte und Walmart ist in jeder grösseren Stadt gleich mehrfach vertreten. Wo es uns gefällt, halten wir an. Keine Nachtwache, kein Wetter gucken. Wir sehen viel, kommen schnell ins Gespräch mit den Menschen, die offen und neugierig sind. Und es toll finden, dass wir von Deutschland kommen und uns ihr Land anschauen. In einem Gespräch zwischen Schleuse und Campingplatz erfahren wir schnell, was man unbedingt anschauen und wo man unbedingt hinfahren sollte.
Am Abend versuchen wir, unser Lagerfeuer in Gang zu bringen. Vergeblich. Zum Brandstifter haben wir definitiv kein Talent. Gut geräuchert hält länger ist unser heutiges Motto und schauen beschwörend die zarten Flammen an. Die sich davon nicht beeindrucken lassen und bald wieder verlöschen. Es qualmt ordentlich und leicht frustiert suchen wir unser Matratzenlager im Auto auf.
Die Ballfrogs singen uns in den Schlaf, im Baum über unserem Zelt schimpfen die Krähen noch ein wenig miteinander und ein Einzelkämpfer unter den kanadischen Moskitos hat es geschafft, in unser Schlafgemacht vorzudringen. Zum Glück sind die Moskitos hier grösser und etwas flugträge. Unsere Fangquote ist daher überdurchschnittlich hoch.
Der kanadische Sommer ist jung und kühl. Zumindest am Abend und in der Nacht. Aber liebenswert. Was das Schlafen im Auto recht angenehm macht.