Tages-Archiv 30. Juni 2018

PC’s

PC = Parkcamper, Picknickbankcamper
Nein, nicht im klassischen Sinne sind wir Park-Camper. Wir schlagen in keinem der vielen Naturparks unser “Lager” auf. Am Ufer des Erie-Sees gibt es viele Grünanlagen, die als Park bezeichnet werden. Oft mit einem Strand, immer mit Sanitäranlagen, Picknicktischen und einem tollen Blick aufs Wasser. Seltener mit hohen, schattenspendenden Bäumen. Eher zufällig haben wir den Waver-Beach-Park gefunden. Ein überschaubares Stück Rasen, schattige Parkflächen, Picknickbänke, besagter Blick aufs Wasser - wir wollen nix mehr. Fliessend Wasser für usneren Abwasch und sogar einen Stromanschluss entdecken wir. Der speist jetzt unsere Kühlbox sowie sämtliche Ladekabel. Drauf gebracht hat uns ein Einheimischer, der den Elektroroller kurzerhand mit dem mitgebrachten Kabel an die Steckdose klemmte.
So nehmen wir hier unser Frühstück ein, kochen auch noch einen zweiten Kaffee. “Sorry, we are a little bit late, it was so much traffic” … häh, kennen wir die?? Ein Pferdeschwanztyp, braun gebrannt und muskulös samt einer Frau, Typ “ist sie seine Mutter oder wirkt er einfach nur so jugendlich?” steuern einen anderen Tisch an. Tja, Kaffee ist leider grad alle geworden. Sie versprechen aber, zur Lunchtime wieder hier zu sein. Sind sie auch und er zieht kurzerhand mal den Picknicktisch in die Sonne. Wow, ist der stark. Wir haben den zu zweit nur einen Meter bewegt bekommen.
Radler, Jogger, Jundebesitzer, Strandliebhaber - ein ständiges Kommen und Gehen. Aber einige Gesichter sind man immer wieder, man kennt sich schon, grüsst etwas herzlicher, Wiederholungstäter. “Such a lovely place” versichert man sich gegenseitig und kommt ins Gespräch. Unsere Nachbarn sind aus Toronto geflüchtet, da ist es ihnen zu heiss. Heute sollten es 36 Grad werden und das in der Stadt, nicht auszuhalten. Da flüchtet man lieber an den Lake Erie, lässt sich die Brise um die Nase wehen und guckt sich die Gegend hier ein bisschen an. Zum Abendessen gibt es lecker Grillhähnchen von Walmart, auch fein. Wir brutzeln lieber auf unserem Gaskocher vor uns hin. Die Gerüche unserer Campingküche und auch die einladend offenstehende Heckklappe unseres voll gepackten Bettmobils sorgen imer wieder für Gesprächsstoff mit den Locals.
Und dann wird es gegen Abend doch noch richtig feierlich, hier im Park. Eine Hochzeitsgesellschaft trifft ein. Klein, aber fein gemacht. Der Standesbeamte wartet auch schon und nach anfänglichen Vermutungen, die in Richtung “Fotosession” gehen legt der in dezentes Grau gekleidete Herr los: die Trauung beginnt. Einfach so, zwischen den Bäumen. Der Text wird mehr oder weniger vom Tablet abgelesen. Die blonde Braut strahlt ihren dunkelhäutigen Bräutigam über die Gänseblümchen hinweg an, er nickt ganz verzaubert von den Worten immer wieder heftig. Ja, will er alles. Soll alles so geschehen, wie der Standesbeamte das verkündet und einfordert. Wir sind ganz ergriffen. Nicht nur Erinnerungsbänke an Verstorbene stehen hier, jetzt wird auch noch der Bund fürs Leben hier geschlossen. “Da müssen wir gratulieren” sagt der Skipper und will schon los. “Nein, das können wir nicht machen” quakt die eher schüchterne Steuerfrau. “Doch, doch, das muss sein, wenn wir schon hier sind”. Gut, dass ich ihn erstmal ausgebremst habe. Erst werden die Unterschriften geleistet, auf schnödem Papier auf einem noch schnöderen Picknicktisch und doch wird diese Unterschrift sicherlich unvergesslich werden. Dann folgen weitere salbungsvolle Worte. Klar, Ringe werden auch getauscht, der Skipper nimmt es erleichtert zur Kenntnis …. “ich dachte schon, das gibt es hier nicht”.
Dann lachen alle erleichert auf und fallen sich in die Arme. Der Brautvater läuft uns in selbige und wir schütteln ihm herzlich die Hände, gratulieren zum frisch gebackenen Schwiegersohn. Der sei aus Kolumbien verrät er uns. Der Einbürgerungsantrag läuft. Heiraten wollten sie sowieso aber damit das mit der Einbürgerung schneller klappt, haben sie sich entschlossen, auch etwas früher zu heiraten. Wir drücken die Daumen, dass alles gut wird und ich drücke auch noch den Auslöser der Kamera fürs Gruppenfoto.
Hach, wat war dat schön. Wir sehr einen doch das Glück anderer Menschen beseelen, glücklich machen kann.

Picknickbank-Camper

Picknickbank-Camper

Fort Erie und Lake Erie

Der Niagara Parkway führt uns noch ein Stück am Fluss entlang und endet dann kurz vor Fort Erie. Breit, ruhig, gemächlich windet sich der Niagara River neben uns durch eine sehr angenehme, hübsche Landschaft. Typisch auch hier die grossen Häuser auf riesigen Grundstücken. Alles sehr gepflegt, die endlosen Rasenflächen werden mit Aufsitzmähern hingebungsvoll bearbeitet, überall brummt es.
Kleine Parkplätze bieten Rastmöglichkeiten, mit Blick auf Fluss, auf vereinzelte Sportboote und Bootsanleger. Schmale, Brücken mit Geländern aus Stein führen über Bäche, die den Niagara füttern. Ein breiter Radweg schlängelt sich zwischen Gärten und Strasse entlang.
In Fort Erie führt die Friedensbrücke, die Peace-Bridge, über den Fluss. Ein paar ziemlich tot wirkende Häuser und Geschäfte bilden eine Art Ort. Hübsch hässlich das Ganze.  Wir suchen und finden mit Waverly Beach ein bisschen Idylle und Strand. Ein kleiner Park, ein Stückchen Strand und viele  Mauerreste im Wasser und im angrenzenden Wäldchen. Informationstafeln klären uns auf: hier konnte man sich bis 1930 im Erie Beach Park amüsieren, tanzen, in einem Hotel mit Seeblick wohnen und fein dinieren. Der “Welt grösster Outdoor-Pool”, Casino, Rennbahn, Kamelreiten, Achterbahn und verschiedene Fahrgeschäfte liessen die Menschen voller Vorfreude in Massen für Tickets anstehen. Viele davon kamen von Amerika mit der Fähre über den See und auch das wurde schon als ein grosses Vergnügen gepriesen. Erinnert ein klein wenig an die Fährverbindungen zwischen Dänemark und Deutschland?!
Dann kam die Wirtschaftskrise und den Betreibern des Parks ging die finanzielle Luft aus. Vieles wurde an andere Vergnügungsparks verkauft.  Ein Feuer zerstörte grosse Teile der Gebäude und über den Rest ist viel Wald und Gras gewachsen. Vielleicht findet sich auch noch der eine oder andere Stein in den umliegenden Wohnhäusern?
Heute ist es mehr “back to the roots”. Die Menschen kommen wieder zum Picknicken hierher, treiben Sport, Fahrradfahrer nutzen den kilometerlangen, gut ausgebauten und sogar mit Reparaturstationen versehenen “Friendshiptrail”. Am Ufer stehen schöne Parkbänke, die alle mit Erinnerungsplaketten versehen sind. Erinnerungen an Menschen, die hier einmal gelebt haben, denen dieser Ort wichtig war und deren Angehörige sie auf diese Art unvergesslikch machen. Auf dem See donnern die Motorboote vorrüber und am Strand platschen Hunde begeistert einem Ball oder Stock hinterher.
Der kleinste der Seen ist der Lake Erie. Und ist doch schon unvorstellbar gross.Hier ist er noch schmal.  Dunst verhüllt das andere Seeufer, nur langsam hebt sich der Schleier und Windkraftanlagen werden sichtbar. Hier in Kanada setzt man mehr auf Solaranlagen und Wasserkraft. Windräder haben wir zumindest in diesem Teil des Landes bislang keine gesehen.

Strand am Lake Erie

Strand am Lake Erie

So sah es hier am Ufer mal aus - unglaublich, wenn man heute die kläglichen Betonreste in Wasser und Wald sieht

So sah es hier am Ufer mal aus - unglaublich, wenn man heute die kläglichen Betonreste in Wasser und Wald sieht

Its Lilientime - diese hier wachsen wild überall und oft flächendeckend

Its Lilientime - diese hier wachsen wild überall und oft flächendeckend

Überwachsen - nur noch Reste, Fragmente des früheren Vergnügungsparks hier am Erie See sind noch zu sehen. Die Natur holt sich alles zurück

Überwachsen - nur noch Reste, Fragmente des früheren Vergnügungsparks hier am Erie See sind noch zu sehen. Die Natur holt sich alles zurück