Irgendwie reizt uns alles grad nicht mehr so wirklich.  Wir nähern uns Toronto und alles ist industrieller, wirtschaftlicher orientiert. Vorbei ist es mit Landwirtschaft und vom Tourismus geprägten Ortschaften, nix ist mehr aus der Zeit gefallen wie Merrickville oder der Rideau Kanal. Hier herrscht das Geld, die Autos fahren schneller und hektischer, das Benzin ist teurer, die Campingplätze liegen direkt am Highway. Strommasten und Schornsteinschlote beherrschen den Himmel.
Toronto ist nett, hat mit dem CN-Tower ein wirklich beeindruckendes Bauwerk und mit dem “Old Distillery District” ein ebenfalls beeindruckendes Beispiel dafür, was man aus alten Industriegebäuden machen kann. Restaurants, Shops, dazwischen ein bisschen Kunst und ein klitzekleines bisschen an Information zu den früheren Aufgaben der Gebäude. Kopfsteinpflaster, glatt getreten früher von Pferdehufen, heutzutage von Slippern, Flip-Flops unzähliger Touristen. Asiaten sind hierbei in der Überzahl. Was vielleicht auch daran liegen mag, das Toronot über ein Chinatown verfügt und entsprechend viele Asiaten hier ihren Wohnsitz haben. Neben Indern. Klein Italy geht da schon irgendwie unter und fällt auch nicht so sehr auf, wirkt zu sehr kanadisch. Trotzdem ein nettes Viertel, in dem idyllisches Wohnen in älteren Reinhäusern mit viel Grün drumherum und einem quierligen Geschäftsleben auf der Main-Street ganz dicht beieinander liegen.
Überhaupt ist Toronto eine sehr grüne Stadt und nennt sich selbst “Stadt im Park” .Bezeichnend und auch treffend wie wir finden. Trotzdem sind wir nach ein paar Stunden Sightseeing “satt” und suchen wieder einmal das Weite. Das finden wir hier in dieser Region allerdings nicht so wirklich. Zumindest nicht in der Nähe des Sees. Industrie, grosse Gebäude, Shoppingviertel. Manchmal ist der Übergang von einer Stadt zur nächsten fast fliesend. Sind wir jetzt noch in XY oder schon  in Z?? Naturparks, Parks am Wasser, Marinas - weit draussen auf dem See, am Horizont zieht ein grosses Frachtschiff dahin. Fast könnte man meinen, man sei am Meer. Segelboote fahren raus und kreuzen vor der Küste.  Prachtbauten von Häusern, mit Säulen und mindestens 3 Garagentoren, breit wie Scheunentore, reihen sich aneinander. Gepflegte Rasenflächen und beeindruckende Zufahrten davor, Seeblick dahinter. Wehe, wenn Protzilein los gelassen. Auffallend häufig begegnen uns auch Fahrzeuge der M-Klasse und Cabrios werden ebenfalls gerne spazieren gefahren. Man hat was und man zeigt, was man hat.
So nähern wir uns unmerklich NIagara Falls. Weingärten (Berge kann man ja nicht sagen hier) reihen sich aneinander, Schilder am HIghway verkünden, welche Weingüter da an der nächsten Abfahrt zu erreichen sind. “Coyotes Farm”, “The 2 Sisters”, “Red Frog Pond”, “Between the lines”  um nur einige zu nennen. Am besten gefällt mir aber “Organised Crime Winery”, das ist doch mal ein interessanter Name für ein Weingut!
“Sind wir jetzt etwa schon gleich wieder in den USA????”. Leichte Panik überfällt uns, das wollten wir doch noch nicht, die Grenze überschreiten. Noch knapp 2 km sind es bis dahin und wenn man so auf dem Highway sinnig vor sich hinbrummt, kann das vielleicht ja schonmal passieren, dass man so eine Grenzgeschichte zu spät wahrnimmt. Stell ich mir nicht so prickelnd vor: ich mach meinen berüchtigten U-Turn auf der Strasse, um wieder zurück nach Kanada zu fahren, an der Heckstossstange 20 Blaulicht-Autos klebend, die mich verfolgen weil sie eine kriminelle Straftat vermuten. Zuviel Steve Mc Quinn geguckt? Könnte sein.
Wir tuckern stattdessen lieber durch Niagara Falls. Schrecklich, was hier alles für den Tourismus auf die Beine gestellt wird! Warum braucht man Spielcasinos, wenn man hierher kommt, um sich die Wasserfälle anzugucken? Und muss man die aus einem gigantisch hohen Turm angucken? Da gefällt uns der Niagara Parkway deutlich besser. Der führt einfach so, ohne Eintritt, an den Wasserfällen und am Fluss entlang, bis nach Fort Erie kann man fahren. Und da wir hier immer noch in der Vorsaison rumdümpeln, mit erstaunlich wenig Verkehr und wenig Touristen, ist das eine richtig nette, gemütliche Sache.
Neben uns donnert das Wasser die Felsen runter, verwirbelt, die Gischt steigt fein und doch dicht wie eine Wand in die Höhe, benetzt alles in der Umgebung. Die Strasse ist feucht, öffnet man das Autofenster oder steigt aus, riecht man Wasser, fühlt man Wasser. Gigantisch. Klar, es sind nicht die grössten, beeindruckendsten Wasserfälle der Welt. Iguazu soll noch höher, grösser, breiter sein. Mir aber reicht Niagara vollkommen. Hier zu stehen, dieses Naturwunder zu bestaunen, das ist die Erfüllung eines Kindheitstraumes. Der mit einer simplen Postkarte von den Niagarafällen begann, die meine Eltern irgendwann mal von Bekannten bekamen und die den Weg in mein Kinderzimmer fand. Ich bin grösser geworden, die Augen sind abgeklärter, haben viel gesehen in all den Jahren und trotzdem bin ich hin und weg, zappelig wie ein kleines KInd zu Weihnachten. Kann es kaum abwarten, näher ran zu kommen, alles richtig anzuschauen, zu fotografieren, zu bewahren. Bis morgen muss ich mich noch gedulden. Jetzt geht es erst einmal auf den Campingplatz, den wir uns ausgeguckt haben. Duschen, Wäsche waschen, Zelt aufstellen und mal unsere Plünnen durchsortieren, damit das in den letzten Tagen entstandene Tohuwabohu in unserem Auto mal wieder etwas geordneter wird. Auf dem Oaklands Campingplatz, direkt am smaragdgrünen Welland River gelegen, können wir das alles. Nur wenige Plätze sind belegt. Einer davon, direkt gegenüber, von einem jungen Paar aus Deutschland, das mit einem MIetauto für mehrere Wochen Kanada erkundet. Reiselustig sind die Beiden, haben schon viel gesehen, schwärmen von Indonesien. Da sollten wir auch unbedingt mal hin. Wer weiss, wir wollten ja auch nie in die USA und Kanada war auch nicht geplant.

Klein-Italy in Toronto

Klein-Italy in Toronto

Brotauswahl in der Distillery-Bakery in Toronto

Brotauswahl in der Distillery-Bakery in Toronto

Altes Gelände mit neuer Nutzung -Distillery in Toronto

Altes Gelände mit neuer Nutzung -Distillery in Toronto

Bügeleisen-Gebäude und Skyline von Toronot

Bügeleisen-Gebäude und Skyline von Toronot

Kosmetikverkauf der etwas anderen Art, clean, weit, angenehm duftend - Toronto

Kosmetikverkauf der etwas anderen Art, clean, weit, angenehm duftend - Toronto

Park in der Park-Stadt Toronto

Park in der Park-Stadt Toronto