Monats-Archiv Juni, 2018

Kanada

Kanada. Das Land der endlosen Wälder, der Weite, der unberührten Natur. Wilde Tiere, Lagerfeuer, ein Hauch von Freiheit, Wildwestromantik, Trapperleben. Wir durchfahren den ziviliserten Teil des Landes. Farmen, Ranches, Weide- und Ackerland. Obstplantagen, Weinanbau, Gemüse, Pferde- und Rinderzucht. Vieles erinnert uns an Europa. In dem ja auch die Wurzeln dieses noch recht jungen Landes liegen. Gerade mal 225 Jahre alt ist Merrickville und wirkt trotzdem wie aus der Zeit gefallen. Genau wie die Schleusen entlang des Rideau-Kanala, die wir uns mal mehr mal weniger ausgiebig angucken. Überall stehen Hinweisschilder auf ein historisches Gebäude. Die Kanadier sind sich ihrer Geschichte bewusst und bewahren das alte, historische. Ein offenes Land. Camping, Grillen, Picknick, Angeln - man ist gerne draussen und das zeigt sich in den vielen, öffentlich zugänglichen Plätzen. Von denen die Kanadier gerne und oft Gebrauch machen. Picknicktische und fest montierte Grills, zahlreiche Campingplätze und Radewege gibt es. Und wo kann man in Deutschland schon einfach so an das Schleusenbecken ran gehen oder über die Schleusentore spazieren, den Schleusenwärtern sprichwörtlich über die Schulter gucken bei ihrer schweisstreibenden Arbeit.
Wasser, überall Wasser. Sumpfgebiete, die zu Bauzeiten des Kanals vielen Arbeitern Fieber gebracht und das Leben genommen haben. Hauptsächlich Iren waren es, die hier ihre Erfahrung eingebracht und die Granit- und Kalksteinblöcke in Form gehauen haben. Ein bisschen “Irish” mutet auch Merrickville an. Mit seinen Steinhäusern, mit Pub, Vinyl-Plattenladen und sonstigen kleinen Läden. In einer kleinen Kirche wird heute Antikes und Trödel verkauft und vielleicht auch darin gewohnt? Das Kanalwasser teilen sich Gänse, Enten und Schildkröten. Letztere legen jetzt ihre Eier auf dem Gelände des Campingplatzes ab. Vier Exemplare leben hier und eine davon haben wir schon beim Sonnenbad beobachten können. Ja, wir sind bekennende Spanner und schrecken auch vor einer Turtle nicht zurück.
Die Weite Kanadas zeigt sich uns in grossen Gartengrundstücken und ziemlich leeren Strassen. Zwar hält sich auch hier - ausser uns Touristen - niemand ans vorgeschriebene TEmpolimit. Aber gedrängelt oder gar äusserst riskant überholt wird man nicht. Stehe ich mal bei Rot als Rechtsabieger an der Ampelkreuzung und vergesse, das ich eigentlich fahren darf, hupt mich trotzdem keiner nb. Es wird geduldig gewartet, bis ich es geschnallt habe oder die Ampel grün zeigt.
Was wir sehen von Kanada, macht Lust auf mehr. Lust auf die unberührte Natur, auf endlose Wälder und Seen. Die gibt es aber auch hier. Miteinander verbunden durch unzählige Kanäle, Flüsse, Bäche und was es sonst noch an Wasserwegen gibt. Die Bezeichnung “1000 Island Region” ist noch untertrieben. Ob es jetzt über 1700 oder sogar mehr als 1800 Inseln im MÜndungsgebiet des St. Lawrence in den Lake Ontario gibt, darüber streitet man sich nicht wirklich. Jeder kleine Felsen wird als insel bewertet. Und auf vielen stehen ein Baum und ein Haus. Für mehr wäre kein Platz mehr. Immer wieder blitzt Wasser durch die Bäume, immer wieder fährt man über eine Brücke oder sieht Hinweisschilder auf einen See, auf einen Strand. Eine Welt, die sich nur auf dem Wasser wirklich erschliesst. Mit einem Kanu, langsam und lautlos dahingleiten. NIcht grundlos ist Kanoeing hier derart beliebt.
Es passiert grad nicht viel in unserem Landleben. Keine anspruchsvolle Navigation, keine Stürme, keine Ankergründe. Alles ist so einfach geworden. MIt dem Auto zum Supermarkt und zur Waschmaschine. Manchmal heisst es  “Bitte wenden” und im schlimmsten Fall muss man etwas mehr kurbeln, weil sich die gewählte Strasse als Sackgasse heraus gestellt hat. Einkaufen wird zur Lust, an jeder Ecke gibt es Supermärkte und Walmart ist in jeder grösseren Stadt gleich mehrfach vertreten. Wo es uns gefällt, halten wir an. Keine Nachtwache, kein Wetter gucken. Wir sehen viel, kommen schnell ins Gespräch mit den Menschen, die offen und neugierig sind. Und es toll finden, dass wir von Deutschland kommen und uns ihr Land anschauen. In einem Gespräch zwischen Schleuse und Campingplatz erfahren wir schnell, was man unbedingt anschauen und wo man unbedingt hinfahren sollte.
Am Abend versuchen wir, unser Lagerfeuer in Gang zu bringen. Vergeblich. Zum Brandstifter haben wir definitiv kein Talent. Gut geräuchert hält länger ist unser heutiges Motto und schauen beschwörend die zarten Flammen an. Die sich davon nicht beeindrucken lassen und bald wieder verlöschen. Es qualmt ordentlich und leicht frustiert suchen wir unser Matratzenlager im Auto auf.
Die Ballfrogs singen uns in den Schlaf, im Baum über unserem Zelt schimpfen die Krähen noch ein wenig miteinander und ein Einzelkämpfer unter den kanadischen Moskitos hat es geschafft, in unser Schlafgemacht vorzudringen. Zum Glück sind die Moskitos hier grösser und etwas flugträge. Unsere Fangquote ist daher überdurchschnittlich hoch.
Der kanadische Sommer ist jung und kühl. Zumindest am Abend und in der Nacht. Aber liebenswert. Was das Schlafen im Auto recht angenehm macht.

Gartengedanken

DieLinse glüht, der Akku schwächelt. Zu viele Fotomotive in einem so kleinen Ort für meinen Fotoapparat. Alte Häuser, aus Holz, aus Stein oder aus Beidem. Veranden, mit liebevoll geschnitzten Ornamenen verziert. Haustüren, die es Wert sind, in meinem Türenalbum verewigt zu werden. Gärten, die mein Erdherz erwärmen und die Sehnsucht nach einem eigenen Garten aufkommen lassen. Ganz tief hinten regt sich ein Gedanke. Das es vielleicht auch schön wäre, selbst auf so einer Veranda zu sitzen, die von vorbeikommenden Touristen fotografiert wird. Blumen, Bäume und Sträuche in einem Garten wachsen zu sehen, der von mir gestaltet, gehegt und gepflegt wird. In dem ich lebe, drin stehe und nicht nur von aussen reinschaue. Raus- statt reinschauen. Darin wandeln, Garten(t)räume erschaffen, die mich täglich erfreuen. Ideen nehme ich mit, für diesen Garten der Zukunft. Den es irgendwann auch geben wird. Irgendwo, wenn die Sehnsucht des Reisens, des Unterwegs seins, gestillt ist. Und die Knochen endgültig müde sind, sich erst zusammen zu falten, bevor sie sich am Abend im Bett ausstrecken können. Und die Füsse platt gelaufen sind von den vielen Sightseeings in Städten oder Wanderungen auf Pfaden, die nirgendwohin führen.

Tau unter den Füssen

Gras, Klee, Butterblumen streicheln sanft meine Fussohlen. Nass vom Tau der Nacht, ein ganz besonderes Fussbad, in keinem Spa dieser Welt erhältlich. Wann hab ich das zum letzten Mal eigentlich gemacht, bewusst erlebt? Barfuss durchs Gras laufen. Die Sonne wärmt angenehm, vom Schleusentor her rauscht es, fast wie ein kleiner Wasserfall. Ganz still liegt das Wasser oberhalb der Schleuse da. Vögel begrüssen den Morgen und ab und an fährt ein Auto oder ein sportlicher Radler oben auf der Strasse vorbei.
Am Zelteingang sucht eine bunte Raupe schon seit gestern den Weg in nahrhaftere Gefilde, Familie Chipmunk balgt sich aus purer Lebensfreude, flitzt den Baum hoch und runter, erste Besucher zücken die Kamera, oben fährt ein endloser Zug langsam über die Brücke. Das Geräusch verändert sich, eine zweite Lok ist zwischen die Güterwaggons gekoppelt, zwei Züge zu einem vereint und hört und hört nicht auf. Der Gegenzug hat es eiliger - hoffentlich hält die Brücke dieser Last stand.
Samstagmorgen an der Schleuse. Ruhig, friedlich. Bald treffen die Schleusenwärter ein, dann beginnt das Arbeitsleben hier. Mit aufschliessen der zahlreichen Ketten, die um jede Winde und jedes Bedienelement der Schleusenanlage geschlungen sind. Zur Sicherheit, damit kein Unbefugter seinen Schnabernack treibt. Ich muss an den Roman “der keltische Ring” denken. Sehr eindrucksvoll wird in einer Szene beschrieben, wie sich die Schleusentore unvermutet öffnen und eine wahre Flutwelle auf ein davor wartendes Segelboot zurollt. Der “Caledonian Chanel” spielt eine grosse Rolle in diesem Roman und auch hier. Zwillinge seien sie, der Rideau Kanal und der Chaledonian. Beide im frühen 19. Jahrhundert zu militärischen Zwecken erbaut, beide verbinden mehrere kleinere Seen miteinander und werden heutzutage nur noch von Hobbyschippern genutzt. Wirtschaftlich oder gar militärisch haben sie keine Bedeutung mehr. Ob der 10 Jahre ältere (18229 Chaledonian als Vorbild für den Rideau (1832) diente, geht aus den INformationstafeln nicht hervor, ist aber gut vorstellbar. Erinnert doch sowohl in Kanada als auch in den USA so manches an die europäischen Wurzeln der heutigen Bewohner.

Schleusencamping - Kingston Mills

Bööööt-böööhöööhöööt-böööt - ein schwerer Güterzug donnert an uns vorbei, leicht erhöht und unüberhörbar. Ob die Lokführer direkte Nachfahren der Jungs sind, die früher mit ihren Dampfrössern die wilden Bisonherden und Indianertrupps von den Schienen gescheucht haben? Und noch nicht mitbekommen haben, dass es sowas heute nicht mehr gibt? Aber wahrscheinlich sind die Signaltöne einfach nur der allgemeinen Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen geschuldet.
Die Grossfamilie Gans lässt sich jedenfalls von dem Getröte nicht stören und führt ihren Nachwuchs eifrig Kopfnickend zum Grasen auf die Campingplatzwiese, direkt neben unserem Auto. Eines der Ganskinder ist rauflustig und jagt seine Geschwister, Cousinen, Cousins schnabelpickend übers Gelände. Zur Abkühlung der übermütigen Brut wird die Schar mal eben wieder ins Wasser gejagt.
Campingplatzidylle neben luxuriösen Megatrailern. Mit ausschiebbaren Seitenteilen, Veranden und Vorgärten, Pavillongs und Gartenhäuschen, Hollywood-Schaukeln und als Drittwagen dient ein Golfplatzvehicel. Schilder mit den Vornamen verkünden unübersehbar, wer hier residiert. Aber viele der halben Häuser sind ganz offensichtlich unbewohnt. Zweit- oder Drittwohnsitz? Zu früh im Jahr, noch zu kalt, zu regnerisch? Mit Grossbildschirm und Satelittenschüssel, WLAN-Anschluss und allem Komfort und Zurück lassen sich aber auch Schlechtwetterlagen gut aushalten. Wir dagegen halten uns im Waschmaschinenraum auf. Nah am WLAN-Hotspot, der leider nicht bis zu unserem Basic-Stellplatz reicht. Und nah an den Steckdosen, damit die electronic Devises auch wieder funktionsfähig sind. Unsere Küche verlegen wir etwas später kurzerhand auch in die Laundry. Bläst es uns doch trotz Windschutz fast die Flamme am kleinen Kocher aus und so richtig gemütlich ist das auch nicht, so hinterm Auto zu stehen, um sich sein Abendessen zu brutzeln. Etwas Naserümpfend kommt eine Dame zu späterer Stunde, um noch eine Waschmaschine zu bestücken und findet es ganz offensichtlich nicht lustig, dass wir hier rumlungern. Uns ist das wurscht, für über 40 Kanada-Dollar pro Nacht muss das drin sein.
Der nächste Übernachtungsplatz wird dann noch mal etwas urbaner ausfallen. Ohne Dusche, aber mit Toilettenzugang. Artig haben wir den Chef der Kingston Mills Schleuse gefragt, ob wir vielleicht auf dem Gelände zelten dürfen. Ja, klar. Wir haben freie Platzwahl. Normalerweise sei es ja nur für die Kanuten und Radler gedacht. Umgehend bekommen wir schonmal den Toilettenschlüssel ausgehändigt. Heute wird schon um 16 Uhr Feierabend gemacht und wir wissen nicht, wann wir von Kingston zurück kommen. Bezahlen? 4 Dollar pro Kopf und Nacht und morgen früh dann wieder, wenn das Office geöffnet hat. Wir sind schwer beeindruckt von soviel Gastfreundschaft und Vertrauen.
Und so sitzen wir nun im letzten Tageslicht mit Blick auf die Schleuse vor unserem Zelt. Haben endlich windgeschützt kochen können und können jetzt Züge zählen. Denn die donnern nun ganz nah an uns vorbei. Vor uns rauscht das Wasser aus dem Becken vor der letzten Schleusenkammer eine Stufe tiefer. Schade nur, dass es die Geräusche von Zug und dem ebenfalls nahe gelegenen Highway nicht übertönen kann.
Wir werden trotzdem gut schlafen, nach einem Tag Sightseeing in Kingston. Davon aber morgen mehr, in der Zusammenfassung “Kingston”.

Kingston Mills Lock - Schleuse zum Rideau Kanal

Wir sind in Kingston, Ontario. Kanada.
Nicht zu verwechseln mit Kingston, Jamaica. Was nicht schwer fällt, sind die Unterschiede doch sehr deutlich. Von Montreal führt uns unser Weg am Wasser entlang ins deutlich kleinere Kingston. Hier beginnt der Rideau Kanal. Ein Wasserweg, der Kingston und den Lake Ontario mit Ottawa verbindet. Heute befahren Sportboote und Kajaks den Kanal. Als er gebaut wurde, diente er als wichtiger Transportweg. Ein System von Schleusen und Schleusentreppen überwindet die Höhenmeter.

Hier in Kingston Mills sind es 4 Kammern, die durchfahren werden. Für uns völlig ungewohnt: man darf als Besucher das gesamte Schleusengelände betreten, über die Schleusentore laufen und sich alles ganz genau anschauen. Um diese frühe Uhrzeit ist kaum Wasser in den Schleusenkammern. Mit lautem Hupen kündigt sich ein Güterzug an, der in schneller Fahrt die Brücke oberhalb der Schleuse passiert. Ein paar Angler stehen am Wasser, ein Wanderer verschwindet auf dem schmalen Pfad zwischen den Felsen. Ruhe. So viel Ruhe, das der Skipper argwöhnt, die Schleuse sei gar nicht mehr in Betrieb. Doch dann kommt Bewegung in die Sache.  Vier gestandene Schleusenwärter betreten das Gelände, bedienen die Kammern und Tore mit reiner Muskelkraft. “I Love my Job” sagt der Chef, wir können das gut verstehen. Urlaub ist im Winter angesagt, im Sommer gibt es keine Freizeit. Jetzt ist es noch ruhig. Ein Boot hat am unteren Steg festgemacht und wartet darauf, dass die Schleusen bedient werden. Das amerikanische Paar lebt auf seinem Motorboot und will den “great Loop” fahren.
Mächtig strömt das Wasser in die Kammern und die beiden auf dem Boot müssen die Leinen gut fest halten. Die werden komfortabel um Drähte gelegt, die an den Spundwänden von oben nach unten laufen und so ein unkompliziertes Festmachen ermöglichen. In aller Gemütsruhe geht es nach oben. Kurze Zeit später kommen zwei andere Motorboote, die nach unten wollen. Dazwischen wird Rasen gemäht oder sonstige Instandhaltungsarbeiten verrichtet. Zu tun gibt es sicherlich immer was auf dem weitläufigen Areal.
Wanderer, Kajakfahrer, Angler kommen hier im Gebiet der “1000 Islands” voll auf ihre Kosten. Kilometerlange Trails führen am Wasser entlang, es gibt spezielle Trails für Radler und für Wanderer. Aber auch mit dem Auto kommt man immer wieder ans Wasser ran und kann die Landschaft geniessen. Für die Nacht fällt daher auch unsere Wahl auf einen Campingplatz, der am Wasser liegt und wir machen im Rideau Acres Campingpark fest. Zeltler sind hier allerdings auch keine anzutreffen, die Gestaltung der Stellplätze lässt auf viele Dauiercamper schliessen.

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