Bööööt-böööhöööhöööt-böööt - ein schwerer Güterzug donnert an uns vorbei, leicht erhöht und unüberhörbar. Ob die Lokführer direkte Nachfahren der Jungs sind, die früher mit ihren Dampfrössern die wilden Bisonherden und Indianertrupps von den Schienen gescheucht haben? Und noch nicht mitbekommen haben, dass es sowas heute nicht mehr gibt? Aber wahrscheinlich sind die Signaltöne einfach nur der allgemeinen Sicherheit an unbeschrankten Bahnübergängen geschuldet.
Die Grossfamilie Gans lässt sich jedenfalls von dem Getröte nicht stören und führt ihren Nachwuchs eifrig Kopfnickend zum Grasen auf die Campingplatzwiese, direkt neben unserem Auto. Eines der Ganskinder ist rauflustig und jagt seine Geschwister, Cousinen, Cousins schnabelpickend übers Gelände. Zur Abkühlung der übermütigen Brut wird die Schar mal eben wieder ins Wasser gejagt.
Campingplatzidylle neben luxuriösen Megatrailern. Mit ausschiebbaren Seitenteilen, Veranden und Vorgärten, Pavillongs und Gartenhäuschen, Hollywood-Schaukeln und als Drittwagen dient ein Golfplatzvehicel. Schilder mit den Vornamen verkünden unübersehbar, wer hier residiert. Aber viele der halben Häuser sind ganz offensichtlich unbewohnt. Zweit- oder Drittwohnsitz? Zu früh im Jahr, noch zu kalt, zu regnerisch? Mit Grossbildschirm und Satelittenschüssel, WLAN-Anschluss und allem Komfort und Zurück lassen sich aber auch Schlechtwetterlagen gut aushalten. Wir dagegen halten uns im Waschmaschinenraum auf. Nah am WLAN-Hotspot, der leider nicht bis zu unserem Basic-Stellplatz reicht. Und nah an den Steckdosen, damit die electronic Devises auch wieder funktionsfähig sind. Unsere Küche verlegen wir etwas später kurzerhand auch in die Laundry. Bläst es uns doch trotz Windschutz fast die Flamme am kleinen Kocher aus und so richtig gemütlich ist das auch nicht, so hinterm Auto zu stehen, um sich sein Abendessen zu brutzeln. Etwas Naserümpfend kommt eine Dame zu späterer Stunde, um noch eine Waschmaschine zu bestücken und findet es ganz offensichtlich nicht lustig, dass wir hier rumlungern. Uns ist das wurscht, für über 40 Kanada-Dollar pro Nacht muss das drin sein.
Der nächste Übernachtungsplatz wird dann noch mal etwas urbaner ausfallen. Ohne Dusche, aber mit Toilettenzugang. Artig haben wir den Chef der Kingston Mills Schleuse gefragt, ob wir vielleicht auf dem Gelände zelten dürfen. Ja, klar. Wir haben freie Platzwahl. Normalerweise sei es ja nur für die Kanuten und Radler gedacht. Umgehend bekommen wir schonmal den Toilettenschlüssel ausgehändigt. Heute wird schon um 16 Uhr Feierabend gemacht und wir wissen nicht, wann wir von Kingston zurück kommen. Bezahlen? 4 Dollar pro Kopf und Nacht und morgen früh dann wieder, wenn das Office geöffnet hat. Wir sind schwer beeindruckt von soviel Gastfreundschaft und Vertrauen.
Und so sitzen wir nun im letzten Tageslicht mit Blick auf die Schleuse vor unserem Zelt. Haben endlich windgeschützt kochen können und können jetzt Züge zählen. Denn die donnern nun ganz nah an uns vorbei. Vor uns rauscht das Wasser aus dem Becken vor der letzten Schleusenkammer eine Stufe tiefer. Schade nur, dass es die Geräusche von Zug und dem ebenfalls nahe gelegenen Highway nicht übertönen kann.
Wir werden trotzdem gut schlafen, nach einem Tag Sightseeing in Kingston. Davon aber morgen mehr, in der Zusammenfassung “Kingston”.