Tages-Archiv 26. November 2015

….Zeit

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“Ihr habt ja jetzt Zeit. Seid frei, zu tun, was euch gefällt !”. Mit einem kleinen Anflug von Neid hören wir diesen Satz in verschiedenen Variationen immer wieder. Zeit, ja die haben wir. Die benötigen wir aber auch, dauert doch alles bei uns deutlich länger als im früheren Landleben. Wir sind entschleunigt, meistens. Manchmal aber werden wir ziemlich hektisch und manchmal geht alles viel zu schnell: viel zu schnell ist gemeinsame Zeit mit lieben Menschen vorrüber; viel zu schnell geht ein wirklich schöner Tag zu Ende; viel zu schnell kommt die Mole näher und Fender sowie Leinen sind noch nicht an Ort und Stelle ?. Viel Zeit verbringen wir mit Behördengängen, damit auf den Bus zu warten, mit profanen Alltagsdingen. Aber das Thema hatten wir schon, irgendwann einmal. Hier geht es eher um die Zeit, die wir für unsere Reise so “eingeplant” haben. “Wie lange wollt ihr denn unterwegs sein?” Gute Frage. Können wir bitte die nächste Frage bekommen oder gibt es einen Telefonjoker? ?. Wir wissen es nicht. Wollen wir es vielleicht nicht wissen? Gerade dieses “Zeit haben”,  “zeitlos sein” ist doch der Luxus unseres Lebens, unserer Art zu reisen. Vor allem in unserem Alter. Ist man jung, sieht das noch etwas anders aus. Dann ist eine solche Reise sicherlich eher eine kurze Etappe, ein prägendes Erlebnis, auf das man im weiteren Leben aufbauen kann. Unsere Lebenszeit dagegen ist schon etwas fortgeschritten, da warten manche Dinge nicht mehr auf uns, sind bereits gelebt. Und vielleicht bewahrt uns dieses “Zeit lassen” auch vor persönlichen Enttäuschungen. “Wir wollten in 3 Jahren einmal rund, jetzt hängen wir schon ein Jahr hier in der Karibik/auf Aruba”. Andere geben sich 3,5 oder vielleicht sogar 5 Jahre. Oder sind schon seit 10 Jahren und länger unterwegs und wissen immer noch nicht, wie lange sie unterwegs sein werden. Sind wir nicht beständig und immer unterwegs? Kommen wir überhaupt jemals an? Bleibt vielleicht zeitlebens eine innere Unruhe, eine Rastlosigkeit in uns? Sind wir nirgendwo mehr so wirklich richtig zu Hause? Wanderer zwischen den Welten, zwischen welchen Welten? Müssen wir um die Welt? Ist die Welt, die wir bis jetzt gesehen haben, nicht genug? Müssen wir immer mehr erleben und sehen, immer weiter? Sind wir rastlos auf unsere Art so wie viele andere nach anderen Dingen streben, rastlos sind? Rastlos ist jedenfalls die Zeit. Die uns gefühlt mit 7-Meilen-Stiefeln vorneweg prescht, die wir nicht einfangen, nicht einholen können. Die uns das Gefühl gibt, vielleicht doch nicht mehr alles zu “schaffen” in diesem Leben was wir uns so vorgenommen, gewünscht hatten.

Manchmal fühlen wir uns müde, müde vom Reisen. Vom Schauen, Erleben, Hören, Fühlen, Schmecken, Riechen; vom Sprechen in fremden Sprachen, vom ewigen Wind, von der sengenden Sonne ausgetrocknet, verdampft. Sind des ewigen Reparierens, Kümmerns müde. Wollen einmal ruhig durchschlafen, ohne auf den Anker horchen zu müssen oder die Position zu überprüfen. Einen Teil dieser Müdigkeit kann man in einer Marina aufarbeiten, für andere Bereiche benötigt man eine Auszeit. An Land, in einem ganz anderen Land. Zuhause, bei der Familie, bei “alten” Freunden. Bei Menschen, die uns schon ewig kennen, denen wir nicht immer alles von vorn erzählen müssen. In einem Land, dessen Vielfalt und Möglichkeiten so verblüffend gross sind. Wo es alles irgendwo/irgendwie gibt. Wo wir kurze Wege und für alles andere ein Auto haben. Wo wir verstanden werden wenn wir in unserer eigenen Sprache sprechen. Diese Auszeiten sind uns wichtig, anderen eher nicht. Und sie verlängern unsere Gesamtreisezeit. Denn in gewisser Weise bewegen wir uns ja nicht vorwärts in dieser Zeit, bleiben stehen und bewegen uns doch. Bereiten Geist und Seele vor für Neues, ruhen aus, rasten und tanken auf. Klingt verrückt? Ist es vielleicht auch, irgendwie. Nichtsdestotrotz empfinden wir es so. Und es fühlt sich auch nicht schlecht oder schlimm an. Es ist ganz einfach ein auf sein Inneres hören und danach handeln. Und tun wir das nicht viel zu selten? Weil wir vielleicht keine Zeit dazu haben - oder sie uns nicht geben/nehmen? Zeit zu haben für eine Aus-Zeit, auch das ist ein Luxus, den wir geniessen. Dann ist es auch keine Zeit, die irgendwo fehlt, die uns auf eine andere Art davon läuft. Es ist eine schöne Zeit, die uns viel gibt. Und jetzt nehm ich mir Zeit, die Möwen und Pelikane bei ihren akrobatischen Flugübungen zu beobachten. Oder mache es wie die Möwen gestern auf den Pollern vorm Restaurant: sitze einfach nur da und schaue in eine Richtung. Zeit dafür hab ich ja. Werner schält heute die Bratkartoffeln :-))

Mit dem Dinghi zum Varadero Aruba

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26.11.2015 ? Auf dem Varadero von Aruba Irgendwann hatten wir doch schon mal beim Varadero auf Aruba angefragt, ob wir auch hier evtl. unser Schiff überarbeiten können?.. die entsprechenden Emails sind längst gelöscht, nichts ist mehr davon zu finden. Wo wir nun hier so unsere Tiefenerfahrungen gemacht haben, interessiert uns aber brennend, ob wir denn überhaupt ohne Probleme zu dem Varadero gekommen wären. Also schwingen wir uns ins Dinghi und preschen gegen Wind, Welle und eine harte Strömung in Richtung Barcadera. Weit voraus zieht der Ausflugssegler Tranquila seine Bahn, mit stark gerefftem Grosssegel. Der kennt sich aus, weiss, wo er fahren kann. Irgendwo hier soll doch ein markierter Zufahrtskanal sein? Wir können weit und breit keine Tonnen erkennen. Die dicken, roten an backbord sehen nach allem möglichen aus, aber nicht nach Fahrrinnenmarkierungen. Und die unmotiviert dicht beiander liegenden weissen kann man auch nicht als solche deuten. Ein Stück weiter schälen sich dann aber doch tatsächlich ordentliche und gut sichtbare rote und grüne Baken aus der Wasserfläche, eine schmale Zufahrt zum Varadero Aruba markierend. Kurz vor den Stegen hat man dann aber wieder die freie Wahl. Bedenklicherweise liegen nur wenige und nicht ganz so grosse Segelboote an den Stegen, die Motorbootfraktion ist eindeutig in der Überzahl. Rundherum verteilt liegen noch ein paar Schiffe, einige wirken verlassen, einen Catamaran erkennen wir wieder, ein kurzzeitiger Nachbar auf Curacao. Wir machen das Dinghi fest und schlendern übers Gelände. Vor einer noch geschlossenen Bar kommen wir ins Gespräch mit der Bordfrau eines kanadischen Segelbootes. ?I?m only responsible for the cleaning on board? verweist sie uns zu Tiefgangs- und Ankerfragen an ihren Mann Adam. Der wuselt aber noch mit dem Sohnemann an Deck des gerade ins Wasser gesetzten Bootes herum. Selbst die kleine Tochter weiss besser, wie gross das eigene Boot ist. Aber: die Familie ist gemeinsam unterwegs, das ist viel wichtiger. Auch wenn ich gleich die Frage gestellt bekomme, ob ich das Bootleben liebe. Meine spontane Antwort ?meistens, aber manchmal hasse ich es auch? lässt sie verständnissinnig nicken, geht ihr wohl auch so, zeitweise eben. In einer Art Aufenthaltsraum sitzen zwei junge Damen, eine ausgebildete Grundschullehrerin und ihre vielleicht 10jährige Schülerin. Sie freut sich total, dass wir gekommen und uns vorgestellt haben. Das mache sonst niemand. Seit 2 Monaten hat sie mit niemand fremdem mehr in ihrer Heimatsprache gesprochen, solange ist sie als Lehrerin auf einem Schweizer Catamaran angestellt, segelt mit der Familie über die Meere ? wenn denn der Cat irgendwann mal wieder ins Wasser kommt. Denn der steht nun schon recht lange hier auf dem Boatyard: Kurzschluss, Brandschaden, Ärger mit der Versicherung, schleppender Reparaturfortgang. Dabei wollte die Familie in 3 Jahren um die Welt. Hat den Cat hier in der Karibik aus einer Charterflotte erworben, renoviert und ausgerüstet. Jetzt hängen sie schon so viele Monate auf Aruba. Wo sie nur hin gesegelt sind, weil Freunde hier sein wollten. Die Freunde sind nie hier angekommen, sitzen auf Curacao und der Skipper des Catamarans lässt erstmal seinen Frust und Ärger über all das heraus. Jetzt wollen sie zurück nach St. Maarten und Werners Informationen über die Windverhältnisse auf diesem Kurs bringen weder Bordfrau noch Skipper viel Freude. Wir wiegeln erstmal wieder ab, vielleicht kommt ja ein schöner Norder (für uns jetzt nicht ganz so günstig) für ein paar Tage, der sie rüber schiebt. Während unserer Unterhaltung donnern die Flugzeuge neben dem Boatyard über die Lande- und Startbahn, unter dem Schiff jault die Schleifmaschine mit der ein Mitarbeiter des Yards das Coppercoat wieder aktiviert. Einen etwas trostlosen Eindruck macht der Boatyard, auch wenn Kran und Roddtrailer gut in Schuss sind. Insgeheim beglückwünschen wir uns zu unserer Entscheidung für den Haule out auf dem Boatyard der Curacao Marine. Die Aussage, dass man auch schon mal ein Schiff mit 9feet Tiefgang (wir haben 8 feet) aus dem Wasser genommen hat - bei absolutem Hochwasser - finden wir nicht so wirklich überzeugend. Auch wenn wir hier nur eine Momentaufnahme zu Gesicht bekommen, ist Curacao doch sicherlich in vielen Bereichen für Langfahrtsegler die bessere Wahl. Aruba wird wohl eher die Insel der Kreuzfahrer und Hotelurlauber bleiben. Und die der Venezulaner, die hier in Scharen einfallen um mittels der hiesigen Geldautomaten ihre Bolivarkonten in Dollar umzuwandeln. Und mit Gewinn evtl. auch wieder zurück. Zurück geht es auch für uns wieder, mit der Welle, gemächlich am Renaissance Strand vorbei tuckernd. Ganz klein liegt unser Zuhause vor der Kulisse gleich dreier Cruiserliner. Aber es ist unser Zuhause und wir können hier bleiben, solange es uns gefällt, kein Signalhorn trötet uns zurück an Bord. Denn wir haben Zeit ?..und wir haben Freunde, auf die wir uns verlassen können. Die Verabredungen einhalten und auch sonst für uns da sind. Das ist ein schönes, ein gutes Gefühl.