Nicht mein Tag

Oder besser gesagt: nicht unser Tag. Fing es doch gestern Abend schon an: Wasser in der Bilge. An und fuer sich und fuer unser Schiff nichts Ungewoehnliches. Man lebt damit, irgendwie und funktionierender Bilgepumpen sei Dank auch relativ entspannt. Dieses Mal aber ist es anders; ein OElfilm schliert auf dem ausgepumpten Wasser rum, dicht gefolgt von einer muddeligen kackgelb-braunen Bruehe, undefinierbar, weitgehend geruchlos (Faekalientank scheidet also aus zweierlei Gruenden aus). Im Bereich der Motorbilge dann etwas russig wirkendes Wasser. Umgehend wird der schon in Brasilien reparierte Wassersammler verdaechtigt. Aber woher kommt diese andere Bruehe? Ist uns was in den Staufaechern ausgelaufen? Aber was und warum, wann????

Es regnet. War ja klar. Geht aber wieder vorbei. Ganz langsam wird es heller. Haetten wir doch gestern Abend schon losfahren sollen? Um 21 Uhr war die Sicht irgendwie besser…. aber jetzt ist es wie es ist. Von den Mooringleinen kommen wir gut frei. Haben ja auch alles gestern schon praepariert. Das Dinghi wird wieder lieblos hinterher gezerrt. Gross hoch, Genua dazu, alles brav eingerefft. Kaum sind wir aus der Abdeckung von St. Vincent raus, geht der Tanz auch schon los. Wind zwischen 20 und 30 Knoten, eine beachtliche Welle rauscht von seitlich vorne heran. Ab geht die wilde Luzie, zeitweise laufen wir um die 9 Knoten, nicht schlecht fuer Frau Panzerkreuzer mit ihrem geschaetzten Bruttogewicht von 18 Tonnen. Aber etwas moderater waere fuer uns auch o.k. gewesen. So manche Welle knallt nicht nur gegen den Rumpf, sondern rauscht auch uebers Deck. Und eine besonders vorwitzige weckt mich aus meinem Sekunden-Nickerchen, indem sie mit Getoese ueber Sprayhood und Cockpit fegt - genau neben meinem rechten Ohr und ueber meinen Kopf hinweg. Das reisst hoch.  Und bringt sogar unseren Windgenerator zeitweise so aus dem Konzept, dass er eine Ruhepause einlegt.

Dafuer umkreisen uns Seevoegel, schweben im Abwind unserer Segel auf der Stelle, um sich dann seitlich vom Schiff kamikazeartig ins Wasser zu stuerzen. Beutezug, fast immer erfolgreich. Aus einem werden 2, dann 3,4. Zuletzt fuehlen wir uns leicht umzingelt. Dicht vorm Bug wird vorbei geflogen, seitlich laesst man sich versetzen, stuerzt sich ebenfalls direkt vorm Schiff ins Wasser, um Sekunden spaeter wieder zu starten. Luftakrobatik vom Feinsten bekommen wir geboten. Das lenkt ab und den Blick von den hohen Wellen hoch in die Luefte. Bis es wieder rummst und unser Anker umspuelt wird. Alles ist salzverkrustet. Ob es heute wohl nochmal regnet? Das waere echt praktisch.

Leider verlieren wir etwas unsere Kurslinie aus dem Blick und laufen so mit gut 12 Meilen fast an St. Lucia vorbei. Anluven ist auch nicht mehr so wirklich moeglich. Bloed gelaufen, die letzten 7 Meilen motoren wir mehr oder weniger gegenan. Zwischendrin besorgte Blicke in die Bilge: natuerlich – wieder Wasser drin. Auspumpen. Denkste, die neu installierte Bilgenpumpe streikt. Etwas spaeter zweiter Versuch und siehe da: das Puempchen tutet wieder. Wir hinterfragen das jetzt nicht so genau. Dafuer hat der Motor heute frueh die Batterien nicht so geladen wie er sollte. Keilriemenpruefung – alles korrekt. Na, vielleicht loest sich ja auch dieses Problem ueber Nacht von selbst.

Zwischendrin, so hoch am Wind klatscht dann noch ein grosser Schaekel vor der Windschutzscheibe runter. Schaekel und Bolzen werden geborgen, aber woher kommt das Teil??? Fragende Blicke zum Baum – aah, da fehlt einer. Seiner bisherigen Aufgabe, dem Halten der Lazy-Jack Leinen, beraubt, hat er sich wohl gedacht, eine Auszeit waere fein. Wie sich Schaekel oeffnen koennen, die Frau unter normalen Umstaenden nur mit einem Imbusschluessel aufbekommt, wird mir ein ewiges Raetsel bleiben.

Kurz vor der Einfahrt in die Marigot Bay reisst dann noch das Dinghi-Schleppseil. Dick und doch nicht dick genug. Und schon gar nicht gewappnet gegen eine saebelnde Suellkante. Glueck im Unglueck: der Sicherungsdraht war noch angeschlossen. Der schabt jetzt am vorderen Wulst der armen Gummiwutz. Gut, dass wir gleich da sind und Fahrt wegnehmen muessen. Wutzen atmet auf aber offenbar nicht aus, sieht etwas ramponiert aus, wirkt aber noch dicht.

Per Funk ordern wir eine Mooringboje in der Capella Marina. Die hab ich mir traenenreich erkaempft oder besser gesagt erschwiegen. Ist naemlich nicht gerade preiswert mit 30 USD pro Nacht. Und teilen will anscheinend auch keiner seine Mooring. Das wuerde das Liegegeld naemlich halbieren und die Moorings sind darauf ausgelegt, bis zu 3 Schiffe zu beherbergen. Gewichtsmaessig vielleicht, platzmaessig sieht das teilweise ganz anders aus. Egal, wir werden exclusiv zu No 5 geleitet. Customs und Immigration arbeiten auch noch bis 16:30, also nix wie hin. Gleich nebenan duerfen wir 40 ECD bei der Hafenbehoerde fuer was auch immer berappen, eine Tuer weiter vorne wird die Liegegebuehr kassiert. In der ist zumindest Free-Wifi am Liegeplatz enthalten. Und ausserdem darf man den Resorteigenen „lower Pool“ nutzen. Auch „Towels“ werden zur Verfuegung gestellt. Na, das ist doch mal ein Angebot, das lass ich mir definitiv nicht entgehen! Ist nur die Frage, wann ich das nutzen werde. Vielleicht morgen frueh, wenn der Kaeptn sich die Ankerwinsch zur Brust nimmt? In der Hoffnung, dass wir baldigst dem Resort entfliehen und wieder vor Anker liegen koennen.

Wir schlendern durch die Marina, vorbei an blitzblank polierten Yachten. Da glaenzt und spiegelt alles. Nix haengt an der Reling, keine farblich und groessenmaessig zusammen gestoppelten Fender stoeren die edlen Linien. Man verzichtet grosszuegig auf Nachbarn, die solche Abstandshalter notwendig machen. Wie machen die das nur? Bekommen die wirklich alle Leinen immer trocken in ein dafuer vorgesehenes Fach gelegt? Wieviel Stauraum hat so eine Yacht wohl und ist da drin auch alles blitzeblank und sauber? Kommt da nie mal irgendwie auf wundersame Weise Salzwasser rein und wird zu spaet bemerkt? Erstarre ich jetzt in Ehrfurcht vor soviel penibler Ordnung und Sauberkeit oder seufze ich resigniert und finde unser Boot einfach “gemuetlich”? Obwohl davon unter Deck derzeit mal wieder wahrlich keine Rede sein kann. In wilder Unordnung ist alles von hinten zur Mitte gewandert, was vor und im Stauraum im Wege lag. Nach dem Motto “wird sich schon ein Plaetzchen finden” und ich nehme mir ganz fest vor, vorm naechsten Heimflug gruendlich auszumisten! Auf das die heimatlichen Landschraenke voll werden!

Da unser Dinghi-Antrieb nicht mehr aus der waagrechten Transportlage in die aufrechte Fahrlage zu bewegen ist, muessen wir die Wege an Land paddelnd zurueck legen. Gut, das wir es nicht weit haben und hier in der inneren Lagune kaum Stroemung und wenig Wind herrscht. So kommen wir flott voran und sind rechtzeitig zum Dinner wieder an Bord. Das koennten wir auch drueben im Top Ten Fine Dining Restaurant Rainforest Hideaway einnehmen. Mit Live-Mucke, Gesang und allem Pi-Po. Uns aber steht der Sinn weder nach Bananen, noch nach Papayas und schon gar nicht nach Restaurant. Wir wollen einfach nur sitzen und unsere Ruhe haben. Das ist jetzt allerdings auch an Bord nicht so einfach. Knattert doch im Minutentakt das Lagunentaxi-Boot wahlweise vor unserem Bug oder hinter unserem Heck vorbei. So dicht wie nur irgend moeglich. Damit wir auch ja alles gut mitbekommen. Was liegen wir auch mitten in der Fahrschneise!

So wirklich viel los ist hier ja nicht. Wie es wohl in der Rodney Bay aussieht? Die ja von den ARC-Yachten frequentiert wird. Aber die ARC ist schon einige Wochen vorbei, die teilnehmenden Yachten sind in der Karibik angekommen und haben sich mittlerweile auf die verschiedenen Inseln verteilt. Nehmen wir zumindest mal an. Aber auch hier in der Bucht haben die Catamarane das Sagen. Und ein guter Teil davon faellt in die Kategorie „Charter“.

Einige unserer Nachbaryachten bekommen noch Besuch vom Customs-Officer. Der sitzt mit weissem, frisch gestaerktem Hemd und dunkler Hose im Bug des Marina-Schlauchbootes, wedelt mit irgendwelchen gruenen Zetteln rum und laesst sich von Boot zu Boot chauffieren. Warum? Wir verstehen es nicht, war ja klar, dass er zu uns nicht kommt; wir waren ja gerade erst bei ihm im Buero.

Hinter den Palmen glueht es orangerot, die Sonne geht ein Stueck weiter links hinterm Berg unter. Noch ist das so. ist ja noch kein Sommer. Dann strahlt sie am Abend direkt in die Lagune hinein, das sieht bestimmt richtig kitschig-schoen aus. Dazu das Frosch-Konzert von Land, Grillen zirpen dazu. Irgendwie klingt es hier doch ganz anders wie noch auf St. Vincent. Andere Insel – andere Froesche?

Abendhimmel in der Marigot Bay, St. Lucia

Abendhimmel in der Marigot Bay, St. Lucia

Wellengang mit Salzgeschmack - das Deck wird heute ordentlich gespült

Wellengang mit Salzgeschmack - das Deck wird heute ordentlich gespült

Akrobatik am Himmel - schwereloses Gleiten in der Thermik unserer Segel

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Grau und nebel verhangen nimmt St. Vincent von uns Abschied

Grau und nebel verhangen nimmt St. Vincent von uns Abschied

Segeln unterm Regenbogen - Vor St. Vincent keine Seltenheit

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