25.01.2015 Sonntag in der Kearton Bay auf St Vincent

11:26 ….. 11:26???? Wo ist die Zeit hin? Eben noch war es 9, allerbeste Fruehstueckszeit.Regengrau schiebt sich ueber die Berge hinter der Kearton Bay. Die Brandung rauscht verhalten an den Strand, rechts oben von einem anderen Huegel erklingt erst die Stimme eines Predigers, dann Musik und Gesang. Sonntag auf St. Vincent. Waehrend sich einige Jugendliche schon am Strand tummeln und aus dem Ort moderne Musik herueber schallt, geht ein Teil der Bevoelkerung in die Kirche. Hunde bellen, Schafe und Ziegen sind zu hoeren, der Hahn hat sein fruehmorgendliches Kraehkonzert bereits wieder beendet.

Und wir, wir gammeln durch den Tag. Lesen mal wieder Revierfuehrer, raeumen Ordner im PC auf und widmen uns dann mal dem Chaos unter Deck. Die Entscheidung, heute in aller Fruehe NICHT weiter zu fahren, wurde innerhalb weniger Sekunden und sehr einstimmig getroffen. Die auf die Persenning prasselnden Regentropfe, das truebe Morgenlicht taten das ihre dazu.

Draussen zieht ein grosses Segelboot vorbei, unter Maschine. Wind? Wohl eher keiner vorhanden, heute frueh. Auch unserer Windgenerator ruht sich aus, das Wasser in der Bucht ist nur maessig bewegt.

Der Kaeptn vertieft sich in den Panama-Guide. Der Kanal. Noch so weit weg und doch schon so praesent. Befreundete Crews sind gerade durch gegangen, haben den Pazifik erreicht. Und reparieren munter weiter. Wir goennen es niemanden, wahrlich nicht. Wuenschen jedem ein gut funktionierendes Schiff. Aber ein klein wenig troestlich ist es doch immer wieder, zu hoeren, dass es nicht nur uns so geht mit dem ewigen reparieren. Viele gehen dazu ueber, gar nicht mehr davon zu reden. Es gehoert zum Alltag wie Kaffee kochen und ist keine Erwaehnung mehr wert. Auch will man gar nicht mehr bemitleidet/bedauert werden. Schwingt da nicht vielleicht ja auch manchmal etwas Haeme mit? Ausgesprochen oder dezent verpackt. Sprechen wir doch von selbst gemachten Leiden. Warum muessen wir auch mit einem Segelboot durch die Welt reisen und so exotische Gegenden wie Brasilien, Karibik oder gar Panama aufsuchen? Ist es vielleicht der Preis, den wir fuer die schoenen bunten Fotos zahlen, fuer die einmaligen und ganz besonderen Erlebnisse mit anderen Menschen, anderen Kulturen? Fuer die ganz besonderen Stunden auf dem Meer, eins mit Wind und Wellen, mit atemberaubenden Impressionen von Himmel und Sonne. Fuer den Anblick der mit unserem Schiff spielende Delphinschulen? Schwimmen in samtweichem Salzwasser, mal tuerkisgruen, mal dunkelblau.

Trotzdem baut sich Frust auf. Bei den Maennern, den Skippern. Die ja meist an Bord die Verantwortung fuer die zahlreichen Reparaturen tragen, sich zum Ersatzteile kuemmern muessen, aus- und einbauen, Werkzeug suchen, Loesungen erdenken muessen. Und ab und an entlaedt sich der Frust dann auch beim Partner. Das ist ja in der Regel die Bordfrau. Die steht dann irgendwann an der Waschmaschine und klagt wiederum ihr „Leid“ den anderen „Wasch“frauen.Die haben auch alle so ein Mechanikerexemplar zu Hause auf dem Schiff, verstehen die andere nur allzu gut. Und sinnen auf Flucht aus dem Alltag. Kleine Fluchten muessen sein, im taeglichen Bordleben. Distanz zueinander, Abstand gewinnen, den Blick neu fokussieren auf alles, was ausserhalb der eigenen Bordwaende liegt. Herz und Augen weit oeffnen, sich neu ausrichten bzw. wieder in die Spur kommen. Maedelstage oderauch nur Stunden. So einfach zu bewerkstelligen, auch in fremden Laendern. Gemeinsame Ausfluege, Yogastunden, Spazieren gehen, ein Einkaufsbummel nur unter Frauen, sich mal selbst in den Mittelpunkt ruecken und Abstand gewinnen.

Und gerade merke ich, dass mir das auch derzeit etwas fehlt. Ganz alleine liegen wir hier in der Bucht. Das Nachbarboot ist heute frueh weiter gezogen und Kontakt kam eh keiner auf. Soviel Individualitaet ist unterwegs. So viele Boote ziehen ihre Bahn, ihren eigenen Zeit- und Kursplaenen folgend. Irgendwie ergibt sich kein gemeinsames weiter segeln mehr. Oder aufeinander warten. Schade. Waere schon schon, mal eben zum Nachbarn schwimmen zu koennen oder gemeinsam in die Nachbarbucht zu fahren. Die eigene Lauffreude mit einer anderen Bordfrau teilen zu koennen und den kleinen Ort zu erwandern. Auszutesten, ob es zu Fuss wirklich nur 15 Minuten in die Wallilabou Bay sind. Gucken, ob die Waesche vom gestrigen Waschtag noch vor den Haeusern haengt oder schon getrocknet ist. Aber da geht es mir wie den Einhandseglern: alleine macht alles nur halb soviel Spass und manche Dinge kann man mit dem Skipper einfach nicht machen.