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Dominica. Was schreibe ich ueber unsere Zeit hier, ueber das was wir sehen, erleben. Ich tue mich ungewohnt schwer, die richtigen Worte zu finden. Nicht negativ sollen sie sein, aber auch nicht beschoenigend. Und wie ein Werbeprospekt soll es auch nicht klingen, abgedroschen, so oder aehnlich fuer so ziemlich jede der zahlreichen Karibikinseln schon vielfach gelesen.

Dominica. Die urspruengliche, die schoene mit viel Natur, Wanderwegen, Vulkanen, einem kochenden See, Schwefelquellen, unzaehligen Fluessen,Fluesschen, Baechen. Gruen ist sie definitiv. Das wird uns einige Tage spaeter bewusst, als wir das mittlerweile doch stellenweise recht braeunlich wirkende Martinique erreichen. Mit hohen Vulkankegeln, die sich oft hinter grauen Wolkenschleiern verbergen. Dominica ist arm, heisst es. Ganz so arm ist es dann auch wieder nicht. Und doch sind wir auf den ersten Blick auf die Haeuser (sofern man sie ueberhaupt als solche bezeichnen kann) in Portsmouth etwas nun ja, sagen wir mal: geschockt. Das ist schon Armut, die sich da praesentiert. “Da wohnt doch keiner mehr” meint der Kaeptn. Ich bin mir da nicht so sicher. Und tatsaechlich ist an einer fast schon zerfallenen Huette ein Fenster, eher eine Luke offen. Aus dem Spalt linst ein Kind heraus. “Was koennen wir, unsere Kinder uns gluecklich schaetzen, nicht in einer solchen Welt geboren worden zu sein”.Ein bisschen desillusioniert ist er, mein Kaeptn. Er wollte unbedingt auf diese Insel, wollte unbedingt nach Roseau, die Hauptstadt. Wurde doch so geschwaermt von der Insel, auf die man muss, die so schoen ist. Schoen sind sie doch alle — irgendwie, auf ihre eigene Weise, jede der Inseln hat eine kleine Besonderheit, die sie einzigartig macht. Aber im Grunde sind sie sich auch aehnlich. Zumindest die Lee- und Windward Islands. Bei den Virgins mag es wieder anders sein und Kuba und Jamaica sowieso.

Dominica ist definitiv eine Insel fuer Wanderschuhliebhaber. Wir bevorzugen ja eher Flip-Flops und Croqs. Laufen gerne stundenlang ueber Pflaster (vorzugsweise auf der Suche nach Ess- und Trinkbarem oder Bootszubehoer) aber eher ungern durch die Botanik. Zumindest gilt das fuer 50% unserer Crew und da ich als Frau ebenso zugegebenermassen nicht immer gerne alleine unterwegs bin, habe ich mich im Laufe der letzten 2 Jahre angepasst. Das Leben, auch unser Bordleben, besteht halt doch auch aus Kompromissen. Aber zurueck zu Dominica, unserem eigentlichen Thema.

Wir ankern in der Prince Rupert Bay, laufen durch den Ort Portsmouth und seine Ortsteile. Eine Medizinuniversitaet gibt es, einen grossen und modernen Supermarkt (sogar mit Frischfleischtheke), einen KFC und relativ viele hohe Appartmenthaeuser. Im Ort selbst dominieren die Bars, Beautyshops, Fingernagelstudios und “Grocery” Laeden — eine Art Gemischtwarenhandlung mit Kleidung, Lebensmittel und was man sonst so braucht. In einer Seitenstrasse, sehr dezent versteckt, finden wir sogar das Budget-Marine Schild. Nicht so ganz dem Stil der sonstigen Dependancen entsprechend, aber immerhin vorhanden . Direkt an der Hauptstrasse gibt es sogar einen Segelmacher und Polsterer.Steht das Schild in der Tuer auf “Sorry we are closed” stehen Segel draussen, ist laut Schild “Open”, sind die Segel drinnen in Sicherheitsverwahrung.

Immer wieder werden wir angesprochen. Mal einfach nur als Gegengruss, mal mit der Frage, wo wir her kommen, oft aber auch mit der eindringlichen Bitte, irgendwas an Obst oder Gemuese zu kaufen, damit der Lunch gesichert sei. Oder werden — unverbluemter — um eine “Donation” gebeten. Das Wort gab es bisher nicht in unserem Sprachschatz. Aber wir sind ja Blitzmerker. Trotzdem missversteht der Kaeptn in Roseau einen leicht lispelnden jungen Mann, der uns fachmaennisch das fehlende Dach der Kirche erklaert (yes, yes the roof is away, don’t know why) und gleichzeitig ebenfalls um eine Donation bittet, damit er sich Fruechte oder Gemuese kaufen kann. “We have an invitation for dinner tonight, we don’t need any fruits and vegetables” bedauert der Kaeptn. Worauf der junge Mann wissen moechte, ob er vielleicht mit uns nach Portsmouth zum Dinner kommen kann. Grosses Unverstaendnis in den Augen des Kaeptns, ich erklaere ihm,was hier genau Sache ist. Beide bedauern wir, unsere letzten EC’s benoetigen wir fuer die Rueckfahrt nach Portsmouth, frische Scheine wollten wir keine mehr am ATM holen. Nix wie weg hier. Unten an der Pier (jetzt gaenzlich ohne Kreuzfahrer) kommt der Naechste an: selbstkomponierte Musik oder ersatzweise vielleicht irgendwelche Arbeiten am Boot? Wir bleiben freundlich, blocken aber konsequent ab. Auch die “come, have a look” Rufe der Kunstmarkt-Damen. Nur noch wenige Staende hinter dem Dominica-Musem sind geoeffnet, Kunden Mangelware. Da wird natuerlich um jeden potentiellen Kaeufer gerungen.Der Ort selbst gefaellt uns ueberraschend gut, da war Antiguas Hauptstadt definitiv haesslicher. Die Fahrt hierher war interessant und abwechslungsreich, sowohllandschaftlich als auch menschlich gesehen. Fast vollbesetzt ging es in flottem Tempo durch die wieder zahlreichen Kurven. Die Automatik hatte ordentlich zu schalten am Berg oder bei UEberholmanoevern. Dachten wir, der lokale Minibus sei bereits voll, werden wir an der uebernaechsten Haltestelle eines Besseren belehrt: nach dem Motto “einer geht noch” wird umgeschichtet. Ein kleiner Schuljunge muss sich vorne mit dazu quetschen, eine sehr korpulente Lady (ich bin ja soooo schlank!) presst ihre ueppige Fuelle noch in eine der hinteren Reihe, die ebenfalls zu transportierenden (leeren) Waeschekoerbe werden in der ersten Reihe noch irgendwie dazu gepackt.

“Driver, please stop at the plantains” — alles klar, die aeltere Dame hinter mir will dort aussteigen. Denkste. An besagter Stelle werden Maiskolben und Kochbananen gegrillt. Und die Dame hinter mir oeffnet ihr Fenster und gibt ihre Bestellung auf. Der Fahrer und zwei weitere Fahrgaeste ordern auch noch was, dann geht es weiter. Vorbei an einigen erstaunlich neu und gepflegt wirkenden Ortschaften, an Buchten mit Fischerbooten oder auch wenigen ankernden Yachten. Vorbei an einer Rhum-Distillerie, einer Kokosnussverarbeitung und einer OElraffinerie (alles dicht nebeneinander) sowie einem kleinen Flughafen. Noch eben eine nicht mehr ganz so fitte Dame in der Naehe des Krankenhauses absetzen, dann rumpelt der Bus durch die Einbahnstrassen von Roseau und spuckt seine Fracht auf dem zentralen Busbahnhof ab. Praktischerweise ist nur 10 Meter davon entfernt ein gut sortierter Supermarkt. Und ca. 50 Meter weiter finden wir einen IGA-Supermarkt. Aber den haben wir ja auch in der Peripherie von Portsmouth.

Stadtrundgang, Supermarkt — dann geht es auch schon wieder zurueck. Im ebenfalls wieder voll besetzten Bus. Mein Nebenmann futtert erst sein Lunchpaket auf (irgendwas mit Reis) und begibt sich dann in den Dauer-Schniefmodus. Ab und an vergewissere ich mich durch einen Seitenblick, ob ich einen Mensch oder vielleicht doch ein Ruesseltier neben mir sitzen habe. Schon lange hat niemand mehr in der OEffentlichkeit so penetrant seine Nase hoch gezogen. Nett ist er trotzdem und erklaert uns ein bisschen was auf unserer Inselkarte.

In Portsmouth bleiben alle sitzen und schauen sich erwartungsvoll um — irgendwer wollte hier doch aussteigen?? Ach ja, das waren wir! Etwas steif stolpern wir aus der Tuer. Frage: wo faehrt der Bus jetzt noch hin?? Wir dachten, das sei hier Endhaltestelle. Der Fahrer duest aber schon weiter, die Frage bleibt offen.