Tages-Archiv 9. Dezember 2012

Jo, mir san mim Radl do….

Ostwind. Nach zwei Tagen an Bord draengt es mich heute gleich zu Aktivitaeten. “Warum musst Du gleich so uebertreiben und von einem Extrem ins Andere fallen?”. Mein Vorschlag, mit den Raedern am Mittelmeerstrand entlang bis zu einem kleinen Fischerhafen etwas weiter oestlich zu fahren, stoesst nicht gerade auf Gegenliebe. Und auch mein Argument, dass wir auf dem Rueckweg dann doch Rueckenwind haetten (denn hier dreht der Wind in der Regel nicht mit dem Fahrradfahrenden mit) wird nicht akzeptiert.

Wir einigen uns auf die Alternativroute: entlang der Promenade von La Linea geht es Richtung San Roque bzw. Algeciras. Auf der Promenade sind viele Familien unterwegs. Angler stehen an der Bruestung und schwatzen und beobachten ihre Geraetschaften. Aber der kommunikative Teil dieser Aktivitaet steht eindeutig im Vordergrund. Jogger und andere Radler begegnen uns ebenfalls, sind aber eindeutig in der Minderheit. Besonders interessant finde ich die sportlich gekleideten Menschen, die aber vom Tempo und der Bewegung her irgendwie eher spazieren gehen…..sehr sympathische Leute :-)

Promenade in La Linea - Treffpunkt fuer Angler, Spaziergaenger, Jogger und Radler aus Deutschland ;-)

Promenade in La Linea - Treffpunkt fuer Angler, Spaziergaenger, Jogger und Radler aus Deutschland ;-)

Im Ortsteil Campamento biegen wir von der Hauptstrasse ab und fahren durch stille Seitenstrassen Richtung Raffinerie. Wenn die nicht waere…… stuenden wahrscheinlich auch hier riesige Hotelkloetze und Appartmentbauten. So fahren wir an hohen Mauern entlang. Bewehrt mit Stacheldraht aller Art oder mit Glasscherben. Schilder mit gefaehrlich aussehenden Hunden oder hinweisen auf Kameraueberwachung lassen uns unwillkuerlich Abstand halten. Wer sich da wohl vor was schuetzen will?? Parallel zu uns laeuft die Durchgangsstrasse, die nach San Roque und zur Autobahn bzw. zur AP 7 fuehrt. In einer grossen Halle offeriert ein China-Restaurant freie Parkmoeglichkeiten fuer seine Kunden. In der naechsten Seitenstrasse faellt unser Blick auf den Super-Dia. Ob bei dem die Regale auch so leer sind wie in dem kleinen Dia in der Innenstadt? Der schaut naemlich irgendwie aus, als wuerde er auf eine groessere Lieferung warten oder haette gerade den Raeumungskauf gestartet. Ein Paradies fuer Fans der geringen Auswahl!

Ein grosses altes, verfallenes Haus steht gegenueber eines ebenso grossen Gartengrundstuecks, bewachsen mit hohen Palmen und Eukalyptusbaeumen. Hinter einer rissigen Mauer wird gerade neu gebaut und planiert. Aber offenbar kein Appartmenthaus. Eine Treppe fuehrt hinunter an  einen kleinen Strand und einen Fussweg, der am Wasser entlang weiter Richtung Raffinerie fuehrt. Eine tolle Wohnlage, wenn, ja wenn besagte Raffinerie nicht waere!

Zurueck wurschteln wir uns durch schmale Wohnstrassen, muessen durch die unzaehligen Einbahnstrassen immer wieder die Richtung etwas aendern, kommen aber nie vom grossen Ziel ab. Der Berg thront ueber allen Haeusern und leitet uns unfehlbar. Die Haeuser sind mal alt, mal neu, haesslich, huebsch, renoviert, verfallen, klein, gross - vom Reihenhaus ueber die Einzelvilla bis zum Hochhaus ist alles vertreten. Dazwischen immer wieder Plaetze, Geschaefte und ueberfuellte Panaderias. Ob die Spanier Sonntags noch spaeter fruehstuecken wir wir?? kann ja eigentlich gar nicht sein :-)! Ganz oft werden wir freundlich gegruesst. Wir fuehlen uns schon etwas exotisch und ganz unverkennbar als Touristen, mit unseren Faltraedern und dem Rucksack. Oder sind es die Croqs an den Fuessen, die uns so exotisch machen ;-)??

Die Spanier wirken zum Grossteil sehr modebewusst und ein Schuhwerk, das so offensichtlich aus Gummi besteht, so offensichtlich extrem bequem-formlos ist und dann auch noch in solch schrillen Farben daher kommt, das sucht man in den hiesigen Schuhgeschaeften ebenso vergebens wie an den Fuessen der modebewussten Spanierin.

Wir kommen durch eine enge Gasse. Mehrere Bars liegen hier nebeneinander, aber nur eine ist richtig gut gefuellt. Die Wartenden lehnen schon vor dem beheizten Pavillion an der Mauer und hoffen auf den naechsten frei werdenden Sitzplatz. Die Stimmung ist gut, die Musik und der Live-Gesang der Gaeste sind laut. Es wird geklatscht und gejubelt. Kaum kommen wir mit den Fahrraedern durch das Gedraenge vorm Eingang.

Immer wieder staunen wir ueber neue Gassen, neue Laeden. Was gestern geschlossen und durch feste Rollaeden in keinster Weise identifizierbar war, entpuppt sich nun zu einer anderen Uhrzeit als ein Kinderbekleidungsgeschaeft oder einen anderen Laden. Und voellig ueberraschend stehen wir dann wieder an einer altbekannten, vertrauten Ecke, wissen wieder, wie es weiter und nach Hause geht. Zurueck zu unserer na ja, die uns schon sehr unser Zuhause geworden ist in den letzten fuenf Monaten.

Gestern sind Dany und Achim von der SY Sabrina aus Berlin zurueck gekommen. Achim war voellig fertig und konsterniert darueber, wie weit sie sich schon nach so kurzer Zeit von dem Leben in Deutschland, in der Grossstadt entfernt haben. Kulturschock. Die Tatsache, dort in Deutschland kein Heim mehr zu haben, nichts, was einen in das fruehere Leben einbindet, hat die beiden irgendwie betroffen gemacht. Wir koennen das gut nachvollziehen, ging es uns doch aehnlich im September. Und bei aller Freude ueber das Wiedersehen mit Familie und Freunden, Nachbarn und der “alten Heimat” waren wir doch so gluecklich, als wir wieder in San Adrian und auf dem Boot waren. Kein Gefuehl der Enge, kein sich-gegenseitig-auf-den Nerv gehen, nichts was wir an Bord so wirklich vermissen wuerden….

Ob das so bleibt? Was sind schon fuenf Monate gegen 5 Jahre? Aber will ich darueber ueberhaupt nachdenken, gruebeln, was sein wird, sein koennte?? Nein, will ich nicht. Ungelegte Eier kann man nicht essen.

Und bis dahin mache ich mir lieber Gedanken darueber, warum es hier und vorzugsweise in Gibraltar immer so viel boellert, welchen abartigen Weihnachtsbaum ich vielleicht doch im China-Laden erwerben sollte, wo wir einen Spanischlehrer auftreiben koennen oder ob wir die Sprache doch in Eigenregie lernen muessen, warum die Spanier immer so viel hupen und wer wohl als naechstes auslaeuft, Richtung Kanaren. Oder sinniere darueber nach, warum mein Skipper heute auf dem Fahrrade hinter mir fahrend meinte, er habe ganz waessrige Augen und sehe nur noch rund……lag das an den vielen Kreiseln an denen wir vobei fuhren oder war irgendwo schon der Mond zu sehen? Aber Vollmond ist doch auch schon durch…..oder….der wird doch nicht meinen….. gemeint haben….. nee, ich glaub, DAS Thema vertief ich jetzt nicht ;-) !

Ufo….

….ueber Gibraltar? Ausserirdische im Anmarsch, die die Affen allesamt vertreiben? Nein, in Wahrheit verbirgt sich dahinter die Okklusionsschicht einer Kaltfront, wie ich soeben via Facebook gelernt habe - Zitat C.H.: “…. ist eine Okklusionsschicht einer Kaltfront.  Bei der Kaltfrontokklusion ist die Luft hinter der Kaltfront kälter als die Luft vor der Warmfront. So werden beide Luftmassen vor der Kaltfront angehoben, da sie durch die höhere Temperatur die geringere Dichte aufweisen….” Und mit einer besseren Kamera haette ich  vor der Okklusion noch die Spektralfarben aufnehmen koennen,  die sind jetzt etwas überblendet und daher nicht sichtbar.