Der Wecker klingelt. 50% der Crew (also Elke) starten einen zaghaften Versuch der Meuterei: muessen wir wirklich weiter? Ich bin so muede, alle Knochen schmerzen von den 2 Tagen Stadtpflastertreten..! Der Skipper besteht auf seinem Ankeraufgehen. Leicht brummig beuge ich mich seiner Autoritaet. Er hat ja auch Recht: wir wollen weiter und jeder weitere Tag hier in der Naehe von Porto ist zwar kein verlorener Tag, aber halt auch ein ungenutzter in punkto “weiterkommen”.

Sonnenaufgang in Leixoes

Sonnenaufgang in Leixoes

Auf den anderen Schiffen ruehrt sich noch nichts. Halt, die Aluyacht hinter/neben uns macht sich auch startklar. Allerdings fuer einen Wechsel in die Marina, unschwer an den ausgehaengten Fendern zu erkennen. In der Hafeneinfahrt taucht ein Kreuzfahrtschiff auf. Wir duempeln im hinteren afens rum und saeubern erst unseren Anker, lassen dann (ungewollt) noch mal ein paar Meter Kette ausrauschen, holen alles wieder auf und setzen dann das Grosssegel. Massig Platz hier und trotzdem fahre ich die Kreise zu eng und in die falsche Richtung und motze auch noch den Skipper an, weil er mich kritisiert. Faengt ja gut an der Tag. In strahlendem Sonnenschein runden wir den 2. Kreuzfahrer, der ebenfalls Kurs auf die Hafeneinfahrt nimmt. Wenn die Poette ihre menschliche Ladung ausgespuckt und auf Busse verteilt haben, dann rollt der Portwein-Rubel ja bestimmt wieder kraeftig. Und wir wissen jetzt, wo die vielen Busse herkommen, die von den Cavas stehen. Eine sichere Einnahmequelle, davon traeumen andere Staedte nur. Vor dem Hafen, ganz dicht vorm Strand, ankert ein Traditionssegler, ein Dreimaster. Mutig. Ich glaube, da haetten wir uns nicht hin gelegt. Bei Tage sieht auch die Reede ganz anders aus: alles was uns da gestern Abend hell erleuchtet entgegen blinkte und scheinbar dicht an dicht lag, ist jetzt irgendwie viel weiter auseinander gezogen und wir fahren recht lange an der Reede vorbei. Die portugiesische Kueste ist doch schon deutlich flacher wie die bisherige in Galizien. Die Berge ruecken in den Hintergrund, die Bebauung am Ufer hinter den leuchtenden Straenden ist dagegen ausgepraegter. Klar, jeder will wahrscheinlich in der ersten Reihe mit Strandblick wohnen. Den Anblick koennen wir allerdings nur kurz geniessen. Schon bald fahren wir in eine dichte Nebelbank hinein!! Bewaffnet mit Regenjacke und Geschirrhandtuch uebernehme ich das Ruder. Kennen wir ja jetzt schon: alle halbe Minute muss die Brille gesaeubert werden.

Wie sie sehen, sehen sie so gut wie nichts! Im Nebel unterwegs zwischen Leixoes und Figueira da Foz

Wie sie sehen, sehen sie so gut wie nichts! Im Nebel unterwegs zwischen Leixoes und Figueira da Foz

Auf dem AIS sind einige Schiffe zu erkennen, aber alle weit weg von uns. Fischerfaehnchen sind auch nicht so viele unterwegs. Wenn sie dann aus dem Nebel auftauchen, wirken sie irgendwie surrealistisch und die Farben treten besonders intensiv in dem Grau-Gemisch hervor. Anstrengend so eine Fahrt in graue Waende hinein. Wenn die Sonne sich durch drueckt, wirkt zwar alles optimistisch-heller, das sehen wird aber noch anstrengender. Immerhin koennen wir die Segel zur Unterstuetzung mit dazu nehmen. Aus dem Nebel dringt das Signal eines grossen Frachters der uns entgegen kommt. Wir aendern unseren Kurs nochmals, um ihm zu zeigen, dass wir ihm grossraeumig ausweichen. Und troeten einige Male zurueck. Moewen fliegen ganz dicht um unser Schiff herum, wirken im Nebel wie schmale schwarze, geschwungene Striche. Geisterhaft. Stunde um Stunde geht es so durch den Nebel, Wind und Welle nehmen auch noch zu. Ich hadere wieder mal mit allem. Nutzt aber nix, und hadern aendert es schon gleich gar nicht. Also finde ich mich mit allem ab, sende aber trotzdem einige Flueche in Richtung Nebel und Wuensche zum Universum. Um 14:24 wird alles erhoert: die Sicht wird besser, der Nebel ist weg!!! Wow, was fuer ein Gefuehl, wieder bis zum Horizont gucken zu koennen und nicht schon wenige Meter vor dem Bug blicktechnisch ausgebremst zu werden. Waehrend unserer ganzen Nebelfahrt haben wir ein AIS-Signal an Backbord voraus mit uns laufend verfolgt: “Mad Fish”. Ausser der MMSI-Nummer keine weiteren Angaben. Manchmal sah es so aus, als wuerde Mad Fish uns entgegen kommen, dann wieder fuhr er voraus. Als sich der Nebel lichtet, muessten wir ihn eigentlich an Steuerbord querab haben und auch sehen koennen. Laut AIS ist er naemlich an ebendieser Position. Aber da ist nix - niente, nada?.Wurde das AIS-Kaestchen mit Namen Mad Fish vielleicht von einem Delphin oder einer Moewe verschluckt?? Oder haengt es an dem Fischerfaehnchen, das wir gerade steuerbords querab haben?? Mad Fish, das Geistersignal. Um 14:30 haben wir Aveiro querab. Aus dem Hafen kommt ein grosses Segelschiff heraus, mit 4 Masten, alle gleich hoch. Santa Maria Manuela wird im Display angezeigt. Ein Fischerboot quert vor unserem Bug, ansonsten sind wir wieder alleine mit den Moewen. Eine ist eine echte Kamikaze-Moewe: erst fliegt sie ganz dicht parallel zu uns, laesst sich dann vor unserem Bug vom Wind hoch druecken, segelt vom Vor- Richtung Achterschiff und verfehlt unsere Steuerbord-Wanten nur um wenige Zentimeter - Massarbeit oder einfach nur Glueck? Nein, wahrscheinlich die Flugperfektion in “persona”, denn die fliegerischen Kuenste der Meeresgeier habe ich schon oft bewundert. Der Wind laesst etwas nach, die Wellen sind lang gezogen und rollen leicht seitlich an, heben unser Schiff hoch, lassen es fallen und rauschen hinter uns weiter. Selbst ein so grosses Schiff wie die Santa Maria Manuela verschwindet zeitweise komplett hinter so einer Welle, um kurze Zeit spaeter dann wieder aufzutauchen. “Rate mal, wer ca 5 Seemeilen vor uns faehrt?”. Der Skipper schaut mich fragend aus dem Niedergang an. “Nee, oder? Sag bloss, Mad Fish??” jawoll, ebendieser bzw. ebendieses Schiff ist wieder vor uns. Da hatte das AIS wohl einen kurzen Aussetzer und das Signal ist irgendwo an unserer Steuerbordseite “haengen geblieben”, bevor es dann wieder richtig zugeordnet wurde. Die Sonne scheint, die Anspannung hat nach gelassen. Als ich von einer kurzen Pause unter Deck wieder nach oben gehe, werde ich strahlen des Skippers und seines entbloessten Oberkoerpers schier geblendet und falle beinah rueckwaerts wieder den Niedergang runter. Aber ich bin ja stabil und einiges gewohnt. “Was machst Du denn da? Ist das jetzt nicht ein klein wenig uebertrieben?” frage ich ihn. Er strahlt mich weiterhin an, reisst die Arme hoch und meint: “ich muss doch noch etwas Braeune nachholen”. O.k. da hat er jetzt nicht ganz Unrecht, aber doch nicht hier und heute bei dem doch etwas frischen Wind… ich jedenfalls bleibe in meine Sweatshirtjacke gehuellt. Erfroren ist ja schon so manche(r). Und ausgezogen ist das Teil ja schnell. Wir fahren entlang eines endlos scheinenden, weiss herueber schimmernden Sandstrandes. Dahinter ein breiter Streifen dunkelgruener Baeume. Einige Meilen voraus (laut Skipper ca. 4-5) geht diese relativ flache Kuestenlinie in einen hoeheren Bergruecken ueber, der sich weit ins Meer vorschiebt: das Cabo Mondego. Am Fusse liegt ein kleiner Ort, mittendrin steht ein Leuchtturm (auch klein, aber mit vielen Gebaeuden rundrum) und am anderen Ende des Cabo stehen mehrere, teils recht hohe Haeuser, die wir recht schnell als eine Art Fabrik identifizieren. Eine Fabrik an so einem Ort?? An den steilgen Abhaengen und den vorgelagerten Felsen brechen sich die Wellen. Das Wasser schiesst am Hang hinauf und faellt ins Meer zurueck. Irgendwie sehen einige der Bergruecken etwas angenagt aus und ist das nicht ein Foerderband, das da im Fabrikgelaende zu einem Turm fuehrt? Das sieht nach einem Bergwerk aus. Lediglich der Teil mit dem Leuchtturm drauf sieht unversehrt aus. Schade, diese Verschandelung der Kueste. An dem Kap geht es schier endlos lange vorbei. Tatsaechlich sind es fast 8 Seemeilen, die wir vom ersten Anblick bis zum Ende des Cabo fahren muessen. Nur so zum Verstaendnis: das heisst fuer uns ca. 1 ? Stunden immer in Sichtweite zu sein. Aber irgendwann liegt auch dieses Kap hinter uns. Und ein Riesenmoloch von Stadt mit Hochhaus an Hochhaus tut sich direkt dahinter auf! Gruselig!!! Dagegen ist das Bergwerk ja nett anzuschauen! Wie kann man eine so schoene Bucht nur so verschandeln! Wenigstens stehen in Richtung Hafeneinfahrt nicht mehr ganz so hohe Haeuser. Die Wellen schieben uns ordentlich in die Bucht. Und die Einfahrt sah auf der Luftaufnahme im Handbuch irgendwie breiter und groesser aus??hinter uns kommt ein Fischerboot auf und vor uns will eines aus dem Hafen raus. Das uebliche halt. Mann oh Mann, jetzt kann ich mir gut vorstellen, dass diese Haefen hier bei entsprechendem Wind mit Welle geschlossen werden. Das ist bei hoeheren Windstaerken bestimmt keine leichte Uebung, hier einzulaufen ohne auf die Hafenmole gedrueckt zu werden! Heute jedoch ist alles im gruenen Bereich und hinter den Molenkoepfen wird es auch schon deutlich ruhiger. Jetzt noch nach links in den Yachthafenbereich einbiegen. Auf dem Steg steht schon einer und winkt uns in eine Box. Der Hafenmeister hoechstpersoenlich. Der im Handbuch und auch bei Meister Reeds noch vermerkte Anmeldesteg existiert zwar noch in Form einer Steinmole, scheint aber nicht wirklich aktiv genutzt zu werden. Auch das Gebaeude direkt dahinter steht leer. Der Yachthafen sei im Umbruch erklaert uns der Hafenmeister beim Anmelden. Er hat sein provisorisches Buero in einem Container. Alles wird neu gemacht und umgebaut. Koennen die sich hier bei der Hoehe der Liegegelder ja auch gut leisten: Werner schluckt beim Blick in die Preisliste und aus den so grosszuegig geplanten 2 Tagen machen wir mal schnell erstmal nur einen: 37,65 Euro sind wir irgendwie nicht mehr so wirklich gewohnt. Tja, meint der Chef, je weiter wir in den Sueden fuehren, je teurer wuerde es. Ja klar, das ist der Sonnen- und Waermeaufschlag oder wie? Und wer zahlt uns Entschaedigung fuer entgangene Waerme durch englischen Nebel??? Egal, da muessen wir jetzt durch, Ankern faellt hier flach, ist nirgendwo erlaubt. Ob wir aber jetzt morgen noch nach Cohimbra fahren, ist noch nicht geklaert. Als wir von der Anmeldung zurueck kommen, faellt mein Blick auf das Schiff gegenueber von uns: “Mad Fish”!!!! Doch kein Geisterschiff und auch kein Delphin oder sonstiges Fabelwesen, sondern ein ganz normales Segelboot :-)!! Jetzt sitzen wir auf unserer Terrasse, waren zu faul nochmal in die Stadt zu laufen. Um uns herum plaetschert und platscht es. Wie in jedem der letzten Haefen ist auch hier ein hohes Fischaufkommen zu bewundern. Von ganz klein ueber ganz schoen gross ist da so alles vertreten. Und dementsprechend bewegt ist auch das hier eigentlich sehr ruhige Wasser. Auf den Molenkoepfen der Zufahrt sitzen wohl Angler. Sie selbst sind nicht zu sehen, nur die Leuchtschwimmer ziehen ihre Spur. Staendig gibt unser Tiefenmesser Alarm: nicht weil wir zu wenig Wasser unterm Kiel haben, nein, immer wenn ein Fisch daran vorbei schwimmt. Und das ist halt des oefteren der Fall. Jetzt geht es ins Bett. Morgen wird so oder so wieder ein anstrengender Tag. Und auch fuer heute gilt: Fotos werden nach gereicht :-)!