Hilfe, wir kleben - wieder einmal!

Wir kleben fest, dieses Mal an Ferroalquimar. Erst war es dies, dann jenes. Dann machen die Starterbatterien schlapp, sagen keinen Piep mehr. Natürlich an einem Samstagnachmittag. Janice, die den Einkauf bei Ferroalquimar verwaltet, telefoniert rum. Problem: wir benötigen eigentlich Gel-Batterien mit einer bestimmten Amperezahl UND Minimal-Abmessungen. Nicht so einfach, da was passendes aufzutreiben. Das Problem wird auf Montag vertagt, alle gehen entspannt ins Wochenende, Janice stöckelt auf ihren gefühlt 15 cm hohen Plateauabsätzen ebenfalls ins wohl verdiente Wochenende.

Am Montag werden wir der Obhut von Carlos übergeben. Der fährt mit uns im Firmeneigenen Pick-Up los, um alle möglichen Batteriekaufläden abzuklappern. Gleich der erste ist eine Fehlanzeige, dafür wissen wir jetzt, dass die Firme Greenenergy, zuständig für Verkauf und Installation von Solarmodulen aller Art, von Boccagrande an die Via Mamonal verzogen und nun von den Werften aus gut erreichbar ist. Leider gibt es immer noch keine 24Volt Solarpaneele mit für uns passenden Massen. Was müssen wir aber auch immer so speziell sein. Eine Visitenkarte gibt es aber und das Versprechen unsererseits, für die Firma etwas Werbung unter den Seglern zu machen. Ein Refernzobjekt, die Little Wing unserer französischen Freunde Nikita und Jean-Philipp, gibt es ja auch schon seit 2015.

In den nächsten Geschäften für Bootszubehör und Motoren will man uns davon überzeugen, das die Optima mit dem gelben Deckel die beste Starterbatterie ist, die Kolumbien zu bieten hat. Das ist zwar schön, aber leider ist das Ding für unser Batteriefach viel zu gross, wir kommen also auch hier nicht ins Geschäft. Beim nächsten Laden ist man überhaupt nicht inneressiert: der „Verkäufer“ spricht fortwährend  und ungeniert mit seinem Handy während Carlos unser Anliegen vorträgt. Mit wem spricht Carlos eigentlich? Wir werden aus dem Laden raus gewedelt und gehen nur zu gerne. Hier fühlen wir uns nicht willkommen. Es war übrigens der Laden von Todomar.

In der nächsten Station stehen viele Batterien und man ist sehr um uns und unser Anliegen bemüht. Aber auch hier letztendlich resigniertes Kopfschütteln. Vielleicht bei Multi-Electricos? Kurze Wegbeschreibung für Carlos (wir kennen ja nur den Weg per Bus oder Pedes), dann stehen wir auch schon davor. Und direkt daneben ist das Batterie-Paradies!!! Und im Paradies gibt es ja bekanntlich alles, auch eine Batterie für uns. Sogar eine mit Gel: die „rote“, kleinere Schwester der Optima in gelb aus dem ersten Laden. Beim Preis allerdings zuckt der Skipper zusammen: 1.200.000 cOP für eine Batterie. Dafür bekämen wir in Deutschland mindestens 3 dieser Sorte! Und im Internet beim kolumbianischen Ebay war ein Angebot für 600.000 COP. Nein, die wollen wir nicht. Die grössenmässig passende normale Starterbatterie fällt mit 400.000 zwar immer noch ziemlich teuer aus, ist aber akzeptabel. Ausserdem habe ich die Faxen dicke und möchte nur noch eines: das Prozedere abkürzen und das Thema Batterie abschliessen. Den Einwand des Skippers, man könne doch nochmal auf Los gehen, einen Adresszettel vom Schiff holen (den wir in der Hektik heut früh natürlich dort vergessen hatten) und dann in Bosque einen Laden aufsuchen, wird von mir als nicht diskutabel verworfen. Er murrt etwas, fügt sich aber in sein Los und hadert mit der Batteriewelt, das er jetzt mindestens 300.000 COP in den Sand gesetzt hat. Hätte, hätte.

Die Batterien werden noch am gleichen Tag von Lois Bastamante und seinem Adjudante liebevoll in unser echt kleines Batterifach gebastelt. Sogar die aus Bastamantes Sicht völlig unzureichenden Anschlüsse werden noch optimiert. Dann Probestart: läuft! Jetzt wären wir also eigentlich fertig zur Abfahrt. Aber heute - nee, wir verfallen in die Spätnachmittagshitze und geniessen einen weiteren Abend bei Ferroalquimar.

Dienstag soll es nun aber endgültig losgehen. Der Dienstag kommt und mit ihm eine leere Gasflasche. Die könnten wir doch hier noch zum füllen geben. Gesagt, getan. Die Hoffnung, die Flasche noch bis zum Nachmittag gefüllt wieder zurück zu bekommen, erweist sich allerdings als Trugschluss. Mananamanana ist das geflügelte Wort. Also noch ein Abend auf dem Boatyard. Der Wind lässt nach und pfeift uns am Abend nicht mehr ganz so heftig um die Ohren, ein traumhafter Sonnenuntergang und eine Nacht neben Berakah und den Schleppern. Ob wir hier überhaupt nochmal wegkommen??

Kaum haben wir hier in Kolumbien alles abgearbeitet (weitgehend), kommt noch eine Meldung aus Deutschland: unsere Mieterinnen wollen neue Lebenswege gehen, in die passt unser Häuschen nicht mehr rein. Wir müssen also zur Mitte des Jahres neue Mieter suchen. Oder überdenken wir unsere eigene Lebensplanung vielleicht noch einmal? Kaum ist das eine Fass geschlossen, wird das nächste aufgemacht. Ein ruhiges, entspanntes Leben stelle ich mir irgendwie auch anders vor. Also Fotos raussuchen, Text zusammen basteln, Inserate einstellen und Werbung für unser Mietobjekt machen. Mieterwechsel organisieren obwohl wir im Ausland sind - Dank tatkräftiger Unterstützung der bisherigen Mieterinnen und guter Freunde wird uns das auch dieses Mal wieder gelingen.

Und leichte Panik überfällt mich. Kommen doch unsere Mitsegler schon in wenigen Tagen hier am Flughafen an. Bis dahin sollte aus der Werkstatt und schwimmenden Rumpelkammer ein einigermassen vorzeigbares Schiff gemacht worden sein. Gleichzeitig habe ich ein flaues Gefühl im Magen. Wie das wohl wird mit meinem einhändigen Skipper mit dem Dinghy? Vor Anker liegen, ganz auf uns selbst gestellt sein, in der „feindlichen“ Wasserwelt da draussen. Klebt vielleicht nicht nur unser Boot, klebe ich vielleicht auch hier an Ferroalquimar? Sind wir Frauen uns mal wieder einig und spielen alle unsere Trümpfe aus, damit wir noch hier bleiben?

Aber es nutzt ja nix. Die Gasflasche steht gefüllt im Gaskasten, Dayro steht auf der Matte und wir werfen die Maschine an. Das der Drehzahlmesser noch nicht mal mit einer Wimper zuckt und die Lichtmaschine den Batterien keinen Strom zukommen lässt, berührt uns schon nicht mehr. Nichts, was wir nicht am Anker richten könnten. Hinter uns werden die Schiffe, die in der Werft liegen, immer kleiner. Wir suchen uns den Weg durchs teilweise recht flache und nicht besonders üppig ausgetonnte Fahrwasser, fahren dicht an kleinen, mit  Mangroven bewachsenen Inselchen vorbei. Der Motor brummelt gutmütig vor sich hin, eine gute Brise steht uns mit 15 Knoten auf den Bug, ein Containerschiff stellt sich uns in den Weg - das alles kann uns nicht erschüttern, wir halten unverdrossen auf den Ankerplatz zu. Der ist gut belegt, aber es gibt noch Lücken. Die erste erscheint uns aber dann beim einparken wieder mal zu klein. 15 Meter Schiff mit 50 Meter Kette draussen, das kann ganz schön raumgreifend wirken und die Nachbarn sind plötzlich ziemlich nah. Nee, das gefällt uns hier nicht. Wir parken hinter alten Bekannten am Rand des Ankerfeldes und beim zweiten Anlauf hält auch der Anker dem Rückwärts mit Schmackes stand. Es wundert uns schon nicht mehr so richtig, als wir feststellen, dass wir so ziemlich exakt am alten Platz von 2016 liegen, genau gegenüber der Marina und des Einkaufszentrums Boccagrande. Dessen Leuchtreklame bietet auch in der Nacht eine gute Orientierung. Sei es zum Heimfinden mit dem Dinghy oder bei der nächtlichen Frage „hält der Anker noch???“

Jetzt liegen wir also hier. Rechts Hochhäuser, links Hochhäuser, voraus die Silhouette der Altstadt. Die Taxiboote rütteln uns durch, kann denen mal jemand sagen, das wir kein Taxi benötigen. Kochen unter leicht erschwerten Bedingungen, daran muss ich mich erst wieder gewöhnen. Der Skipper dagegen strahlt und findet alles gut. Auch das wir fast Getriebeöl in den Aussenbordertank geschüttet hätten und auch einiges an Schmierzeug wieder übers Deck kleckert kann seine gute Laune nicht erschüttern. Mit Dayro dreht er erstmal eine Runde durchs Ankerfeld und fährt den frisch überholten Aussenborder ein. Der muckt ab und zu, geht immer mal wieder aus, springt aber brav wieder an und nach mehreren Runden läuft er ziemlich gut.

Der erste Gang an Land führt in den Carulla. Jetzt hab ich das Einkaufsparadies so nah und hab irgendwie das Gefühl, ich brauch gar nix. Ach doch, Kaffeefiltertüten, megawichtig, weil nirgendwo bislang erhältlich. Naja, ein paar Platanas, eine Papaya und eine Buddel Wasser finden auch noch ihren Weg ins Körbchen. Beim rausgehen treffen wir auf Jonas und kommen somit um ein Begrüssungsbier in der Cafeteria nicht rum. Schön, wieder hier zu sein, mit bekannten Gesichtern Geschichten zu erzählen. Erstaunt von den Plänen der Anderen zu hören. Da bewegt sich ja richtig was.

Erinnerungen an 2016, an unsere Ankunft hier werden wach. Nach Kuba empfanden wir den Carulla Supermarkt als das Paradies schlechthin, fühlten uns wie aus der Zeit gefallen und zurück gekehrt von einem fremden Planeten. Frühstückten und sassen einfach nur da, liessen den Supermarkt und alles auf uns wirken. Jetzt ist alles vertraut und doch auch ein bisschen neu. Nicht nur die Statue der Jungfrau steht wieder auf ihrem Sockel in der Zufahrt zur Bucht, nicht nur das eine, 2016 noch im Bau befindliche, Hochhaus ist fertig gestellt. Es hat sich ein bisschen was verändert, aber nicht alles. Und für kurze Zeit gehören wir wieder zum Vertrauten, werden von den Leuten im Club Nautico begrüsst wie alte Bekannte. Obwohl wir ein Jahr fort waren, erinnert man sich an unsere Gesichter. Jetzt liegt auch das Dinghy der naja wieder zwischen all den anderen Beibooten, wartet auf uns, um uns wieder zu unserem Zuhause zurück zu bringen.

Der Start war holperig, vieles ist noch ungewohnt, muss wieder neu erlernt werden, neu zur Gewohnheit werden. Und heute beim Abschied in Ferroalquimar hätte ich fast geheult. Gut, das mich Jose nicht in den Arm genommen hat. Aber es fühlt sich wieder gut und richtig an. Die restlichen Stolpersteine räumen wir auch noch aus dem Weg und wir kommen immer mehr an in unserem neuen-alten Leben.