Nicht nur unser Schiff hat so seine Problemchen und Krankheiten, auch der Käptn lässt Federn. Besser gesagt: Zähne. 2017 hat er sich ja die untere, ziemlich marode Kauleiste richten lassen, jetzt schwächelt die obere Zahnreihe. Da will er mal was gesundes essen und beisst herzhaft in ein Stück Karotte rein - mit dem Ergebnis, das ihm vorne ein Schneidezahn einfach so abbricht. Er leidet - wenn auch nur beim eigenen Anblick im Spiegel. Wir anderen sind eher erheitert und finden, dass er schon einen sehr passablen Piratenkapitän abgibt mit seiner charmanten Zahnlücke. Ich hab den leisen Verdacht, das ER nicht so richtig mitlachen kann. Und ausserdem hat sich doch jetzt auch die Füllung erledigt. Denn eigentlich begann das Malheur mit einem Loch im jetzt abgebrochenen Zahn.

Ein Gang zum Zahnarzt fände er dagegen gut. Auch so zur Beruhigung. Nicht das uns auf See dann ein schmerzender Zahn bzw. dessen Wurzelreste Probleme bereitet oder gar zu einer Notlandung zwingt.

Also kapern wir ein Taxi und lassen uns nach Boccagrande fahren. Zum vom Jonas und Hans empfohlenen Dentista. Die Wegbeschreibung ist gut, wir finden besagte Praxis. Ob wir hier aber richtig sind, werden hier vielleicht nur kosmetische Behandlungen und Implantate gemacht?? Nein, nein, auch ganz normale Zahnarzttätigkeiten übe man aus. Wir sind beruhigt. Allerdings kann der Patient sich erst um 15:30 auf den Behandlungsstuhl schwingen. War ja eigentlich auch klar.

Wir vertrieben uns die Wartezeit im Carulla Supermarkt nebenan, essen eine Kleinigkeit, inspizieren das Angebot an Mehl- und Nudelsorten, nutzen für eine Stunde das Internet und ich mache mich auf die Suche nach einem geeigneten Standort um die restliche Crew via Walkie-Talkie auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Ziemlich weit weg und ziemlich klein kann ich unser Schiff sehen. Ob das Walkie-Talkie die Entfernung jetzt auch akustisch überbrückt? Was meine Stimme nicht schaffen würde, bekommt das kleine Funkgerät tatsächlich hin: ich kann mit Silke sprechen. Echt praktisch.

Endlich ist es soweit und Werner darf auf dem Behandlungsstuhl Platz nehmen. Die Zahnärztin spricht englisch, die Verständigung ist somit schonmal gesichert. Die Behandlung allerdings fällt kürzer aus als der auszufüllende Fragebogen an Zeit benötigt: Werner müsste sein ASS für 5 Tage absetzen, das wollen wir nicht so ohne weiteres machen. Ein Röntgenbild wird erstellt und mit der Aussage, dass die Zahnwurzel nicht so aussehe, als würde sie in absehbarer Zeit Beschwerden produzieren sehen wir beruhigt von einer weiteren Behandlung ab. Das Röntgenbild wird ausgedruckt, wir berappen 80.000 COP und ziehen von dannen.

Zurück an Bord laufen die Vorbereitungen zur Abfahrt auf vollen Touren weiter: Diesel wird in Kanistern aufs Boot geschleppt und in den Tank gefüllt. Alles mögliche wird verstaut oder entsorgt, die Schoten sind eingefädelt, die Windfahne vorbereitet. Die Wetterprognosen für die nächsten Tage sind nicht schlecht, auch einige Yachten auf Curacao wollen endlich den Absprung nach Kolumbien wagen.

Jetzt noch ausklarieren, ein Abschiedsbesuch bei Ferroalquimar, dann können wir los…… Los, segeln, unterwegs sein ….. boah, ist das ein komisches Gefühl! Noch gar nicht so recht vorstellbar. Wie wird unsere alte Lady wohl segeln? Wird es ihr gefallen, wieder unterwegs zu sein oder wird sie wieder zicken und bocken?

Hans von der Close to Perfection fragt ganz erstaunt: „ihr wollt los? Nach Panama oder? Und wann kommt ihr wieder?“ … etwas ungläubig ist sein Gesichtsausdruck bei unserer Antwort, das wir nicht vorhaben, wieder zu kommen. Das scheint er sich nicht vorstellen zu können, wo doch so viele immer wieder hierher kommen.

Und eigentlich müssten wir ja auch nochmal wiederkommen, noch etwas mehr vom Land sehen und erleben. Obwohl: er-lebt haben wir auch so recht viel hier in Kolumbien. Haben vieles sehr intensiv gesehen, die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft erfahren. Wurden an die Hand genommen und über die Strasse geführt, wenn wir uns mal nicht getraut haben, einfach so vor die hernbrausenden Autos zu springen, deren Strom aber irgendwie nie abreisst. Oder bekamen den Aussenborder einfach so repariert, für ein Trinkgeld. Oder die Gasflaschenfüllung kostet auf einmal weniger als noch im vorletzten Jahr, einfach weil man uns jetzt kennt und wir dazu gehören? Kolumbien ist definitiv sehenswert. Nicht der Strände wegen, das wäre schade, wenn man deshalb hierher käme. Es gibt so viel mehr zu entdecken in diesem vielfältigen Land.