Motiviert von unserer letzten, spontanen Wanderung planen wir die nächste Etappe: mit dem Taxi zur Korner Bar, dann zu Fuss weiter die Strasse entlang. Der Rio Grande ist unser erklärtes Ziel, soll er doch laut Google gar nicht allzu weit entfernt sein. Verhandlungen mit zwei Taxistas sind schnell geführt, wir entern die Fahrzeuge. Zu 7 in 2 Taxis, da bleibt einer aussen vor. Das ist Werner, der wundersame Weise nicht auf meinem Schoss sitzen möchte. Verständlich, bei seiner Körperlänge und seinen langen Beinen. Er kommt nach, meint er. Wir warten, schreie ich zurück. Spontan wie wir sind, disponieren wir allerdings um und fahren nach Fellowship. In dem lang gestreckten Kaff sind gerade Teerarbeiten in vollem Gange und Männlein wie Weiblein ist in irgendeiner Form an den Arbeiten beteiligt: Fähnchenschwingend zwecks Verkehrsregelung, Löcher mit Schutt ausflickend oder Strasse kehrend. Wir stehen und schauen, jeder will wissen, was wir vorhaben, wo wir herkommen; Moni knüpft erste und bleibende Kontakte mit Einheimischen - ein junger Mann haucht ihr verschämt mehrfach ein ?I like you? ins geneigte Ohr ? interessant, aber so allmählich könnte unser 7. Mann mal eintreffen. Der lässt sich ziemlich viel Zeit. Die telefonische Nachfrage ergibt, dass er brav bis kurz vor Korners Bar gefahren ist, dort natürlich niemand antraf und sich dann zu Fuss on the road begeben hat. Er ist auf dem Weg, kann aber noch dauern. Die Planänderung mit Fellowship ist also voll an ihm vorbei gerauscht. Endlich trifft er ein, in einem blauen Privatwagen, der ihn freundlicherweise die letzten Meter noch mitgenommen hat. Los geht?s ? erst einmal in die falsche Richtung. Die aber so falsch auch nicht ist, weil interessante Einblicke bietend. Es gibt viel zu gucken, zu diskutieren, zu lachen. Die Einheimischen grüssen freundlich (wie eigentlich immer) und für die Kinder sind wir eh die Attraktion schlechthin (auch das wie immer). Zwischen Häusern unterschiedlicher Baustile ? je nach Einkommensstandard ? zieht sich die Strasse in ein weitläufiges Tal, wir haben fantastische Ausblicke auf die Blue Mountains. Grosse, Jackfruits hängen an einem hohen Baum, ein Zuckerstangenverkäufer gewährt uns Einblicke in sein Sortiment ? im weissen Sack von Port Antonio hierher ins Outback zur Kundschaft transportiert. Die ruft schon von weitem: ?Candyman, Candyman? und der Sack wird leichter. Planierraupe von Cat und aus Bambusblättern handgefertigte Besen arbeiten einträchtig Seite an Seite, der Verkehr wird einseitig mittels roten und grünen Fähnchen um die Baustellenfahrzeuge herum dirigiert. Und wir mittendrin, links rechts nickend-grüssend-lächelnd-fotografierend. Irgendwie schade, dass wir dann doch umdrehen. Vor der Brücke drehen wir links ab auf eine Art Feldweg. Der führt durch Plantagen hindurch endlich zum Rio Grande. Von weitem hören wir schon das Rauschen der Stromschnellen. Dicke Steine säumen das Ufer, das Wasser schimmert klar und grün in der Sonne. Jetzt ein erfrischendes Bad ? dieser Gedanke wird später zur Obszession, aber das weiss ich jetzt noch nicht. Ein älterer Mann steht am Ufer und warnt uns davor, hier schwimmen zu gehen. Die Strömung sei unberechenbar und stark. Gut, dann halt nicht. Schauen wir stattdessen in den im Schatten geparkten Kinderwagen und bestaunen andächtig die einträchtig nebeneinander schlafenden Babies. 7 und 2 Monate alt. Sind das jetzt Geschwister oder passt die beleibte ?Mama? auf eines von ihnen nur auf während die im Fluss gewaschenen Wäschestücke auf den Steinen trocknen. Unsere Entzückenslaute ermuntern sie auch gleich mal zu einer Nachfrage bezüglich Monetas, zwecks Auffrischung der Pampersvorräte, ein unzweideutiger Griff zum Windeltuch gibt der Sache Nachdruck. Wir lassen uns nicht lumpen, ziehen etwas nachdenklich weiter. Woher wohl das grössere Mädel Geld hat, um sich rote Farbe in die krausen Haare zu schmieren? Über die Brücke geht es auf die andere Seite. Auch hier liegt ein weites Tal vor uns, gesegnet mit Kokos- und Bananenplantagen. Dazwischen Rindviecher, Kakaopflanzen und sogar Hopfen identifizieren wir. Ein Rastaman springt singend hinter einem Holz-Wellblechhäuschen hervor ? wir bleiben stehen, hören fasziniert zu. Ob er weiss, wo der Weg hin führt. Nein, den ist er noch nie gegangen, gab keinen Grund dafür. Er arbeitet auf seiner Plantage, verkauft seine Erzeugnisse an die Marktleute, das Geld kommt also zu ihm und wenn er sich mal rührt, dann in Richtung Fellowship oder Port Antonio. Für uns haut er eine ganze Armada frischer Trinknüsse von einer Palme, öffnet sie mit gekonnten Machetenhieben ? lecker, erfrischend, wir können gar nicht genug bekommen, auch wenn es nicht so einfach ist, den reichlichen Inhalt so direkt aus der Nuss heraus zu trinken. Derart gestärkt wandern wir weiter, der Weg steigt bald an. Puh, so hatten wir uns das jetzt irgendwie nicht vorgestellt. Erstaunlicherweise stehen immer mal wieder Häuser in der Wildnis. Gepflegt, von Zäunen verschiedenster Machart umgeben, ein kleiner Garten drumherum, Wachhunde und Hühner laufen über den Weg. Fantastische Ausblicke auf das Rio Grande Valley und den Fluss selbst bieten sich uns. Geteerte Wegabschnitte wechseln sich mit feldwegähnlichen ab, starke Regenfälle haben tiefe Rillen in den ungeteerten Bereichen hinterlassen. Wir drücken uns möglichst im Schatten herum, machen viele Pausen und lassen uns von Harald trösten: gleich geht es nur noch bergab. Denkste, vorerst geht es immer wieder bergauf. Höher und höher. Dann ziehen sich Stromleitungen über die Hänge ? nähern wir uns der Zivilisation? Was machen die hier oben den ganzen Tag? Abhängen, im wahrsten Sinne des Wortes? Kaum ausgesprochen, tönt es aus einem Busch oberhalb des Weges ?hello, good day?. Fast unsichtbar hängt dort ein Einheimischer vor seinem Häuschen im Schatten ab. Ein Routetaxi passiert uns, voll beladen. Wo kommt das her, wo fährt eshin?? Später erfahren wir von einer jungen Mutter, das sei das einzige Routetaxi, das hier oben rumfährt. Unklar bleibt, wo es denn hingefahren ist, wir sehen es nicht noch einmal. Rast vor einer kleinen Bude mit Getränkeangebot. Die steht am Strassenrand oberhalb eines Wohnhauses. Der Besitzer der Bude kommt auch gleich hoch und raucht erstmal einen Joint bis wir uns zu einem Kauf entschlossen haben. Eine alte Frau führt gemächlich ihre Ziege zu neuen Weidegründen, ein Mann kommt barfuss mit staubigen Füssen daher, trägt seine Feldwerkzeuge über der Schulter. Später treffen wir ihn mit einem noch leeren Wasserkanister. Das Wasser holt er aus einer Quelle, etwas den Berg hinunter. Sportliche Leistung, mit dem vollen Kanister wieder hier hoch, egal wie weit es sein mag. Wir brechen beim Gedanken daran schon innerlich zusammen. Wir passieren eine Kirche und ein Suzuki-jeep passiert uns. Wo wir hinwollen? Ja halt wieder runter zum Rio Grande. Hmm, das ist jetzt nicht so günstig, unser Weg führt zwar irgendwann runter, zieht sich aber noch ganz schön. Guter Rat ist teuer, gibt es eine Abkürzung? Ja, schon. Aber für ortsunkundige? Er eilt von dannen und wir latschen weiter, bis zum nächsten Shop mit Bar und kalten Getränken. Hier werden wir dann von zwei jungen Männern übernommen. Mit einer Machete bewaffnet geleiten sie uns über einen an Almabtrieb erinnernden Pfad den Berg hinunter. Vorbei an der Bergschule. Natürlich müssen wir mal reingucken und Moni will wissen, was die Kinder denn heute gelernt haben. ?Whiteys, whiteys? geht ein Raunen durch die Klasse, stolz lächelnd erzählen sie vom Unterricht. Der Pfad verliert sich fast im Kraut. Rote, rutschige Erde ist von Klauenfüssen aufgewühlt und mit den Hinterlassenschaften der Vierbeiner gespickt. Abenteuerlich, wir kommen aus dem Strahlen kaum noch heraus: so toll. Ohne Führer hätten wir uns aber wahrscheinlich nicht hier runter gewagt. So nähern wir uns dem Tal, bekommen Ananaspflanzen und den Jamaika-Apfelbaum gezeigt, probieren die Früchte und landen endlich am Fluss sowie der Fährstelle. Etwas weiter oberhalb könnten wir zwar auch problemlos den Fluss durchwaten aber jetzt ist eh schon alles wurscht, eine kurze Floßfahrt gibt unserem Tag den Abschluss. Immer 3-4 Leute werden auf dem langen, schmalen Bambusfloß von einer Flussseite gestakt. Wir verabschieden und entlohnen unsere beiden Führer die jetzt endlich ihren wohlverdienten, hinterm Ohr transportieren Joint anqualmen. Sei es ihnen gegönnt. In dem kleinen Ort oberhalb der Fährstelle müssen wir nicht lange auf zwei passende Routetaxis warten, die uns bequem nach Port Antonio und sogar in die Marina transportieren. Das unser Taxi mal kurz anhält, um die Bolzen der frisch gewechselten Vorderräder nochmal nach zu ziehen, nehmen wir nur noch milde lächelnd und mit einem gewissen Erstaunen zur Kenntnis: wir kann der Fahrer auf dieser Schlaglochpiste hören, dass mit seinen Vorderrädern etwas nicht stimmt?? Müde, voller Eindrücke und glücklich über einen anstrengenden aber tollen Wandertag düsen gleich darauf 4 Dinghis zu ihren Mutterschiffen zurück. So eine dynamische Gruppe ist schon toll.