Leuchttürme bei Norfolk, am Eingang der Chesapeake Bay

Leuchttürme bei Norfolk, am Eingang der Chesapeake Bay

Brücke über die Chesapeake Bay - hier verschwindet die Strasse in einem Tunnel, der wenige Meter weiter wieder in die Brücke übergeht

Brücke über die Chesapeake Bay - hier verschwindet die Strasse in einem Tunnel, der wenige Meter weiter wieder in die Brücke übergeht

Segeln in der Chesapeake Bay. Noch ist der Teddy-Anzug angesagt, aber die Sonne wärmt schon ganz gut.

Segeln in der Chesapeake Bay. Noch ist der Teddy-Anzug angesagt, aber die Sonne wärmt schon ganz gut.

Unter Segeln verlassen wir den Ankerplatz von Key West. Halbwindkurs. Die Crew eines entgegenkommenden Katamarans schreit begeistert „Yeah“ als wir aneinander vorbei preschen. An Steuerbord versinkt die Sonne im Horizont und im Klicken der Fotoapparate an Land, die grossen Fischertrawle spreizen dekorativ ihre Fangnetzarme und reihen sich am Horizont wie Perlen auf die Schnur.

Es geht Richtung Kuba … Kuba???? Halt mal, da läuft aber jetzt was schief wird sich der Laie fragen. Wollten dieweiter nordwärts, an der Ostküste der USA entlang?? Richtig, wollen wir auch immer noch. Aber heute, am Samstag, weht uns der Wind aus dieser Richtung noch auf die Nase. Also kreuzen wir und machen dazu erst einmal einen oderntlichen Schlag in Richtung Kuba. Laufen dabei einem Schleppverband in den Weg. Der Schlepper hupt uns ordentlich an. Peter steht hoch konzentriert am Steuer und lacht sich eins. Spielchen spielen kann er auch. Der Schleppverband zieht seines Weges und wir wenden. Es wird dunkel.

Irgendwann dreht der Wind und wir können am Wind segeln, später dann mit halbem Wind (der Wind kommt dann von der Seite). Vor uns funkeln weisse Lichter. „Das sind die Lichter der Keys“ meint der Käptn. Dicke Fragezeichen bei mir … vor uns??? Ist die Küste nicht eher neben uns?? Und wandernde Seezeichen??? Tauchtonnen kenne ich ja, vom Rhein, meinem früheren Heimatrevier. Hochseeangelboote sind es, gefühlte 100, sich bewegend, mal vor, mal neben uns. Wir schieben uns vorsichtig durch den Schwarm hindurch, lassen sie in unserem Kielwasser.

Der Wind nimmt zu und wir werden ordentlich durchgerüttelt, Wasser kommt wieder übers Deck und findet leider auch wieder seinen Weg ins Schiff. Dann wieder ist alles ruhig, wir laufen mit achterlichem Wind, setzen den Gennaker oder dümpeln mit geringer Fahrt vor uns hin. Der Strom schiebt, wenn auch schwach.

In der Nacht nimmt der Wind wieder zu, das grosse Leichtwindsegel muss weg, die Fock geht raus. „Es läuft doch grad so schön ….“ Silke steht mit entrücktem Gesichtsausdruck am Niedergang. Tja, nutzt nix. Wenig später würde es nicht mehr so schön laufen und Stress beim Bergen des grossen Vorspiels wäre trotz Bergeschlauch angesagt. Wir schaffen den Segelwechsel gerade noch rechtzeitig, braves Bauchgefühl.

Wechselhaft ist dieser Törnabschnitt. Windtechnisch und auch emotional. Die ruhigeren Phasen nutzen wir, um warme Mahlzeiten zuzubereiten. Ansonsten gibt es eher karge Kost wie Müsliriegel, Obst, Haferflocken oder mal eine Hühnerbrühe (aus den praktischen Würfeln zubereitet).

Segelwechsel sind angesagt. Noch ist es tagsüber angenehm warm, ist die Windvorhersage zutreffend. Nachts können wir Sterne gucken oder den Mond bewundern. Unendlich langsam schieben wir uns nordwärts, dem Cap Hatteras entgegen. Für uns eine Wendemarke, dann geht es links ab, Richtung Chesapeake Bay. Berüchtigt ist das Cap, weit weg davon soll man sich halten. Andere wiederum sagen, ganz dicht soll man dran vorbeifahren, weil dann der Strom so richtig schiebt. Der Golfstrom. Von dem wir bislang noch nicht allzu viel bemerkt haben und den zu erwischen wohl auch eine Gratwanderung ist. Nur wenige Meilen mehr zur Küste hin oder mehr seewärts - und schon hat man ihn verpasst oder er läuft nicht mehr ganz so stark.

Dann wird die Dünung ganz lang, die Wellen sind hoch und wir haben das Gefühl, bergauf zu segeln. Wir heben uns mit dem Atem des Meeres, es geht hoch und wieder runter. Langsam, stetig, ein Gleichmass an Auf und Ab. Fasziniert schauen wir in die langen Wellentäler und auf die vor uns aufragenden, aber mitlaufenden Anhöhen.

Dann nähern wir uns dem Cap Hatteras. Der Strom schiebt uns mächtig, die Logge geht nie unter 9 Knoten, steigt oft auf 11 Knoten und sogar darüber. Wenn wir das vor zwei Tagen auch so gehabt hätten …

Sonnenauf- und untergänge, der Mond nimmt zu, begleitet uns in der Nacht. Stromsparen müssen wir, alle überflüssigen Geräte sind ausgeschaltet. Immer wieder wird von Hand gesteuert, die Windfahne kann Wind von hinten nicht so gut  verarbeiten und der elektronische Steuermann verbraucht viel Strom. Der Windgenerator arbeitet energisch gegen unsere Verbraucher an, die Solarpaneele haben kapituliert und produzieren nix, die Maschine steht uns mangels Startwillen zur Stromerzeugung nicht zur Verfügung. Segeln in seiner Urform. Und segeln, das kann unser Schiff. Besser als wir vielleicht …. nein, das ist ganz sicher.

Wir lernen einiges auf diesem Trip. Und auch wenn ich manchmal in der Koje liege, mir die Decke über den Kopf ziehe und denke „nein, ich will jetzt nicht da raus“, so gibt es auch die schönen Momente. Die, wo ich an Deck sitze, im Schatten des Segels und auf dieses unendlich tiefe Blau schaue. Momente, in denen das Schiff einfach nur angenehm durch die Wellen zieht. Die Momente des Einsseins, des sich wohlfühlen mit dem was da ist, wie es ist. Wie entspannt könnte dieses Segeln sein, wenn wir in unserem eigenen Tempo, nicht fremd bestimmt und getrieben von anderen Faktoren die Küste der USA entlang segeln könnten? Mit Stops in Häfen und Buchten wenn wir meinen oder Wetter und Stimmung es nötig machen.

So aber sind wir getrieben und beseelt von dem Wunsch, unser Ziel möglichst schnell zu erreichen, diese Überführung zum Abschluss zu bringen, unsere Crew wieder nach Deutschland zu entlassen. Es ist wie es ist und ich versuche, mir auszumalen, wie es an unserem Ziel sein wird. Es fällt mir schwer. Und in meinem Kopf sind so viele Fragezeichen, Wenn und Aber. Ich fühle mich, uns, schlecht vorbereitet und diese letzten Meilen ziehen sich wie Kaugummi. Aber wir kommen vorwärts. Stetig und unaufhaltsam schiebt sich der Punkt, der unser Schiff darstellt, auf der elektronischen Seekarte nordwärts. Ankommen, ruhig liegen, keinen Veitstanz mehr beim Toilettengang aufführen. Nicht mehr in der Koje hin und her rollen bzw. rutschen. Nicht mehr in Ölzeug und Gummistiefel quälen, wenn man an Deck muss. Keine Nachtwache, keine einsamen Stunden unter der Sprayhood angestrengt in die Dunkelheit starren, auf der Suche nach anderen Positionslichtern.

Die letzte Nacht auf See. Noch einmal ist kreuzen angesagt. Der Wind hat - wie vorher gesagt - gedreht und weht uns entgegen. Frachter kommen uns entgegen, verlassen die Chesapeake Bay, der wir uns entgegen quälen und die wir mit dem neuen Tag endlich erreichen. Seit Cape Hatteras ist es empfindlich kalt geworden. Zum Glück empfängt uns die Chesapeake Bay mit wärmendem Sonnenschein. Frachter ziehen an uns vorbei, leer und hoch aufragend schieben sie sich mit ordentlich Speed durch die Lücke in der Brücke. An zwei Stellen geht die lange, die Bucht verbindende Brücke in einen Tunnel unter dem Wasser hindurch. Oben fahren wir, unten die Autos. Das Fahrwasser ist breit und auch ausserhalb der Betonnung haben wir ausreichend Wasser unterm Kiel. Trotzdem ist es spanend, hier durch zu fahren, da uns der Wind auch im Stich lässt und wir mehr von der Strömung getrieben werden, als das wir aktiv segeln. Aber noch ist Druck auf dem Ruder, bleibt das Schiff steuerbar.

Nach der Brücke können wir dann einen anderen Kurs anliegen, der Wind fällt günstiger ins Segel, nimmt auch wieder etwas zu und wir machen gute Fahrt. Trotzdem zieht sich die Bucht und wir benötigen noch einige Stunden, bis wir unser endgültiges Ziel erreichen. 8 Tage sind wir nun unterwegs, nur unter Segeln. Eine neue Erfahrung für uns, die wir sonst nur allzugerne Flautenphasen mit der Maschine überbrückt haben.

Ausschnitt aus Pocket-grib. Mit dieser App haben wir für 8 Tage unsere Wind- und Wellenvorhersage bekommen, absolut zuverlässig!

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