Monats-Archiv Januar, 2018

Werftleben - Heute: nur das Genie überblickt das Chaos oder wer suchet, der findet (meistens)

Man könnte auch sagen, lost in space ..bzw. in einer unserer unzähligen Staumöglichkeiten:

Ankunft Cartagena im Mai 2016, Ankunft auf der Werft FERROALQUIMAR, Cartagena, im September 2016. Seit dieser Zeit steht sich ‚na ja‘ also den Rumpf breit in der Sonne Kolumbiens. Harrt aus im Staub aus der Sandstrahlung auf der Nachbarwerft und den vom Wind aufgewirbelten Staubhosen des Platzes hier auf „unserer“ Werft.

Statt Palmen Schornsteine die nicht rauchen

Statt Palmen Schornsteine die nicht rauchen

Ausblick auf den Werftnachbar Astivik, von da kommt immer der Staub zu uns rüber

Ausblick auf den Werftnachbar Astivik, von da kommt immer der Staub zu uns rüber

Wir und das Schiff gehören schon zum Inventar. Wie so manch anderes Boot, das hier einen Langzeitaufenthalt gebucht hat.

Der Blick schweift über die Mauer nach rechts zu den Hochhaustürmen von Boccagrande oder geradeaus über die Bucht von Cartagena. Manchmal schiebt sich ein schwimmendes Hochhaus, ein sog. Kreuzfahrtschiff durch das Bild. Linkerhand liegt die Werft Astivik, auf der nur comercial Ships den Weg in die Hellinge finden. Astivik ist es auch, die den Sand vom Strahlen bei ungünstiger Windrichtung herüber wehen und bei uns ein Gefühl von Sarahsandsturm aufkommen lassen. So schnell kann ich die Luken gar nicht schliessen, dass das Staubtuch vom Einsatz verschont bleiben würde.

Die Nachbarn, ebenfalls nach längerer Abwesenheit frisch an Bord zurück, ergreifen nach diesem sandigen Erlebnis die Flucht und quartieren sich in einem Hotel ein. Wir harren aus, lassen uns doch von so ein bisschen Sand nicht vertreiben. Kraxeln munter täglich mehrfach die hohe Leiter hoch und runter, schwitzen bei den Arbeiten in unserem Schiff, putzen, staubsaugen, räumen, misten aus und entsorgen, was kaputt, ungeniessbar oder schlichtweg überflüssig geworden ist.

Erstaunlich, wie sich Dinge an Bord durch blosses Herumliegen in einer Kiste verändern können.

Unser sog. Werkraum ist ein Quell immerwährender Freude: vollgestopft bis oben hin kommt man nur an den hier verbauten Schrank, wenn man das komplette Gerödel vor dem Schrank aus dem Raum (besser: Räumchen) entfernt. Dann kann die Bordfrau sich schlangenähnlich (ja, sowas kann sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters erstaunlicherweise immer noch) verbiegen und zwischen die beiden Schranktüren quetschen. Der Inhalt des Schrankes besteht aus diversen und ziemlich schweren Plastikboxen. Säuberlich beschriftet. Leider geben weder die Boxen noch irgendwelche Staulisten darüber Auskunft, wo wir denn die im vorletzten Jahr angeschafften Beschläge für ein Biminigestänge verräumt haben könnten. Und leider sind meine Beine - obwohl ja schon recht kurz geraten - irgendwie immer noch zu lang, um die Kisten zwecks genauerer Inspektion ohne Problem aus dem Schrank herausnehmen zu können. Da fehlen jetzt die hilfreichen Hände des Skippers. Und einhändig die bleischweren Kisten — nee, das dann lieber doch nicht!

Nach dem Schrank, Stauraum unterm Bett (ein ebensolcher Quell der Freude) sowie diverse andere Staufächer im Wohnraum mehrfach ausgeräumt, umgeräumt und wieder eingeräumt wurden, finden sich die gesuchten Teile dann wunderbarerweise (oder wundersamerweise) in einer ordinären Ziptüte lose im unteren Schrankfach rumliegend. DA hätte ich sie eigentlich nicht vermutet, aber manchmal hat Frau irgendwie so Eingebungen …. und gut, das der Stauraum noch nicht wieder eingeräumt ist.

Nachdem alles wieder fein eingepackt ist (die benötigten Teile natürlich nicht), geht die Bordfrau erstmal duschen. Bei solchen Aktionen gewinnt der Satz „im Schweiße meines Angesichtes“ bzw. „schweissgebadet“ eine sehr elementare Bedeutung.

Bei diesen Räumungen fällt uns eine leuchtend gelbe Pressluftflasche in die Hände. Bleischwer, selbst ohne Füllung. Wie kann mit sowas auf dem Rücken überhaupt wieder auftauchen??? Seit El Hierro ist sie an Bord und wandert durch die diversen Staumöglichkeiten unseres Schiffes. Immer ist sie irgendwie im Weg und dann dieses Gewicht ….. ich würd so gerne Platz schaffen (für anderes Zeug) … kann die nicht weg? Ja, ich weiss, die ist soooo schön gelb. Wir haben sie aber noch nie selbst genutzt,  da Tauchen für uns aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommt. Also verschenken? Hier und jetzt? Gesagt, getan. Der Skipper macht Nägel mit Köppen und offeriert das dazugehörige Atmungsteil ebenfalls. Nur das ist leider nicht auffindbar. Obwohl es doch immer da an dem Haken an der Wand im Stauraum hing …. nur eben jetzt nicht mehr hängt! Der Raum der Freude wird noch einmal durchsucht, in alle Beutel und Taschen wird geguckt - nix. Wir gucken uns vielsagend an: dann kann es eigentlicher unterm Bett sein.

Also noch einmal die grosse (und entsprechend schwere) Matratze nach hinten biegen, das sperrige Lukenholz hochwuchten und ran an die Buletten. Stück für Stück, Leine für Leine (wir könnten locker noch ein Schiff mit Fallen und Schoten ausrüsten) wandert eine Etage höher, aufs Bett bzw. davor. Segelsäcke werden aus den hintersten Ecken gezerrt - warum haben wir 3 Segel mit Stagreitern wenn wir gar kein passendes Vorstag fahren? Ja, aber wenn, dann könnten wir ja dieses Stag hier montieren (das unhandig und bleischwer ebenfalls immer wieder von a nach b bewegt werden muss) und dann eines der Segel setzen …. aha, weitere Diskussion überflüssig, Segelsack wieder nach ganz hinten pressen. Und was ist mit den 3 dicken Tampen, jeder 38 Meter lang? Ursprünglich gedacht für die Kanaldurchfahrt …. tiefer Seufzer vom Skipper. Okok, ich versteh schon, mit dem entfernen der Tampen entfernen wir auch den letzten Zipfel vom Traum, also bleiben sie. Sowas kann man ja auch immer mal brauchen - auch wenn wir sie jetzt schon 5 Jahre ungebraucht durch die Lande kutschieren. Dafür fliegt die dicke, schwere Gummimatte von Bord, im wahrsten Sinne des Wortes. Schwer, schwarz und stinkend - damit ist sie definitiv raus.

Was suchen wir aktuell nochmal?? Ach ja, das Teil für die Beatmung beim Tauchen. Haben wir das vielleicht in unserer grenzenlosen Güte und Grosszügigkeit einem Taucher geschenkt, der unser Unterwasserschiff reinigte, in Cuba oder hier in Cartagena?? Nein, da ist sich der Mann an meiner Seite ganz sicher … ich teile diese Sicherheit nicht so ganz, wühle aber der Ordnung halber und entgegen aller Wahrscheinlichkeit auch noch etwas tiefer in der Kiste mit den Kabeln … und …. Tataa: here it is!! Lost and found, als Suchhund wäre ich sicher Weltklasse.

Der Schweiss fliesst wieder in Strömen, die Erleichterung ebenfalls. Eben noch am Verstand zweifelnd, jetzt triumphierend räume ich alles wieder ein, Klappe drauf und hoffentlich so schnell nicht wieder auf!

Feliz Ano 2018

Feliz Ano Cartagena de Indias

Über dem Boulevard am Muelle de los Pegasus leuchtet ein Sternenhimmel, ein künstlicher. Der Uhrenturm, Torre deReloj, hat sich in einen blitzenden Weihnachtsbaum verwandelt und die Durchgangstore in der Stadtmauer darunter sind nicht zu verfehlen, so beleuchtet wie sie sind. Nebenan, im Parque del Centenario, fallen zwischen grossen Kugellampen leuchtende Tropfen von den Bäumen und an der Muelle de los Pegasos  bläht ein Segelboot seine Leuchtsegel. Überall türmen sich Plastikstühle hinter Absperrungen. Menschen strömen aus allen Richtungen zu den diversen Plätzen und zur Mole. Die Terrassenmöbel werden zusammen geschraubt, Kühlboxen deponiert. Und das unweit der noch abgedeckten Raketenabschussbasis, Sicherheitsabstand? Maximal 3 Meter, reicht doch. Überall sind Bühnen für Musikbands aufgebaut. Die Strassen und Plätze der Altstadt verwandeln sich in ein riesiges Freiluftrestaurant. Festlich gedeckte Tische und edle Stühle sorgen zusammen mit reichlich Blumenschmuck, bunten Papphüten, den obligaten Weintrauben und sonstiger Silvesterdeko für das passende Flair. Elfengleich schweben weiss gekleidete Zauberwesen - wahlweise staksen sie auch auf hohen Plateauabsätzen - aus allen Richtungen ins Zentrum. Weiss ist die Farbe des Abends, seid es die Kleidung, sei es die Dekoration der Restaurants. Fieberhaft wird noch an den letzten Sitzgelegenheiten gearbeitet, Hussen und Bänder an den Stühlen angebracht, Gläser und Geschirr aufgestellt.  Im Parque Fernandez de la Madrid meint eine Engländerin beim Anblick der Szenerie: “oh, I think, its a Wedding” . Weit gefehlt, gute Dame, das ist Silvester in Cartagena!! Viele Gassen sind für den Autoverkehr gesperrt, Pferdehufe rutschen übers Pflaster wenn die schweren, schwarzen Kutschen um eine Kurve gezogen werden müssen. Eine Kutschfahrt durch die Altstadt ist an Silvester offenbar äusserst beliebt.

Da geht es an der Mole doch urbaner zu: Plastiktisch samt Stuhl, fertig ist die Party. Auf der Bühne hier ist das Programm mindestens genauso schrill und laut wie die Musik in der Altstadt; zu vorgerückter Stunde findet unter grossem Gegröle ein Wegtrinken statt. Wir schieben uns noch etwas durchs Gedränge;  wundern uns, das man sich an einen Tisch direkt vor der dröhnenden Musikbox setzen kann;  machen einen Abstecher nach Getsemani, trinken ein Bierchen in der Bar Caponera, von wo wir einen guten Blick auf Mole und Paseo haben, und geniessen die Brise, die uns hier ins Gesicht weht. Langsam werden wir müde, wie spät es wohl ist? Uff, noch fast 3 Stunden bis Mitternacht …. halten wir das hier durch? Nicht wirklich, irgendwie ist es interessant, das alles zu sehen wenn auch nur als Zuschauer von aussen, aber Füsse und Rücken schmerzen, der Skipper fällt schon halb ins 21 Uhr Koma (Sailors Midnight), uns zieht es nach Hause. Ein Taxi ist schnell gefunden und erleichtert fallen wir gut eine Stunde später auf die Sitzbänke unserer Terrasse, lassen Revue passieren, wo wir die letzten Jahreswechsel verbracht haben und mit wem. La Linea - in einer grossen Gruppe; Teneriffa - mit Inge-Lore und Ralf von der Malwieder; Grenada - am Strand der Prickly Bay mit netten Menschen (Werner) und in Deutschland (Elke), Jamaica - mit ungewohnt wenig Feuerwerk und Tamtam und jetzt Cartagena de Indias - wieder ganz anders, mit einer riesigen Freiluftparty, Feuerwerk und Krach.

Zeitig vor Mitternacht donnern die Böller schon durch die Nacht. Dann ist es soweit: sogar von hier können wir das Feuerwerk in der Stadt sehen und nebenan auf der Werft Astivik werden auf einem Frachtschiff die Signalraketen verballert. Bengalisches Licht auf der Werft; mal was anderes. 2017 endet für uns in Cartagena und 2018 beginnt. Ein Jahr mit neuer Hoffnung, mit neuen Plänen. Wir wünschen allen und uns, dass es ein erfolgreiches, glückliches, gutes Jahr wird. Eines, an das man sich gerne erinnert.

Fotos gibt es leider keine, da wir auf die Mitnahme von Fotoapparat und Mobiltelefon verzichtet haben. Wir wollten nicht schon wieder was an die Bedürftigen der Stadt “spenden”. Im Nachhinein hab ich mich über mein Hasenfussdenken etwas geärgert. Aber vielleicht finde ich ja im Internet noch ein paar Fotos, die unsere Eindrücke untermalen.

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