7 Uhr – Regen trommelt aufs Luk, 8 Uhr – Regen trommelt immer noch aufs Schiff. Auf unserem Nachbarschiff, der Aries Dream regt sich was, der Skipper kontrolliert in Regenjacke den Anker. Und holt uns kurz darauf mit seinem Dinghi ab. Zu einer Runde OK-Spiel. Bei dem Wetter ist uns alle nicht nach weitersegeln. Und wir haben ja Zeit. Zwei Spielrunden des für uns neuen Spieles, dann befinden wir: der Regen hat nachgelassen, wir könnten ja vielleicht mal an Land gehen. Kaum nähern wir uns dem Dinghi, prasselt es auch schon wieder los. Dann wird es wieder etwas weniger und wir starten eine neuen Versuch, machen einen Landgang und erkunden Oracabessa. Wenn wir schon mal hier sind ….!

Vor der fast kreisrunden Bucht, in der wir unsere Anker haben fallen lassen zieht sich ein breiter, beigebrauner Streifen ins türkisfarbene Meer hinein. Zusammen mit dem regengrauen Himmel und dem Grün der Insel ein ganz besonderer Farbkontrast. Wir vermuten, dass ein Fluss hier sein regenschmutziges Wasser ins Meer schiebt. Immerhin ist es in unserer Bucht noch klar und karibisch-türkis. Sogar eine riesige Schildkröte, die hier ihre Runden zieht, können wir gut erkennen.

Wir landen also mit dem Dinghi neben dem heute arbeitslosen Glasbodenböötchen direkt gegenüber unseres Liegeplatzes an, queren einen grossen Sportplatz und erreichen einige Holzgebäude deren Bedeutung nicht so ganz klar ist. Klar dagegen ist, dass die „Bühne“ (ebenfalls aus Holz) schon mal bessere Tage gesehen hat. In einem kleinen Büro treffen wir Jonathan, weisse Hautfarbe, Brille und verantwortlich für die „Oracabessa Foundation“. Somit Veranstalter für das am Sonntag stattfindende Radfahrer-Event, dass er irgendwie schon im Regen versinken sieht. Er erzählt uns von Mel, dem pensionierten englischen Lehrer und Hüter über die Schildkrötengelege an einem der Strände Oracabessas. Wir wissen zwar bereits, dass im Februar keine kleinen Schildkröten schlüpfen werden, aber ganz sicher ist es trotzdem spannend, sich mit dem Schildkrötenpapa mal etwas ausführlicher zu unterhalten. Leider ist er telefonisch nicht erreichbar und am Freitag sei er meist in Kingston. Aber lange bliebe er nie weg. Tröstlich.

Also erstmal ins Zentrum Oracabessas. Das schlängelt sich – wie auf fast allen kleineren Inselorten entlang der Hauptstrasse und besteht aus recht vielen Geschäften, einem Hardwarestore mit gutem Holzangebot und erstaunlich vielen Friseurläden. Ist Oracabessa das heimliche Zentrum dieser Zunft?

Der Markt ist klein und überschaubar, dafür der erste von Sklaven gegründete Markt der Insel. René punktet bei der Dorfjugend mit seiner Grösse und angelt mit zu Hilfenahme eines Stockes kleine Limetten von einem Baum. Die kommen in eine Plastiktüte und werden anschliessend sicher auf dem Markt verkauft.

Ein verheissungsvolles Schild an einem Grocery-Shop leitet uns in eine Art Hinterhof. Hier ist nicht nur das Port Ann College beheimatet, sondern auch ein Restaurant. Naja, Restaurant ist wohl zu viel gesagt, mehr so eine Art Schnellimbiss. Es gibt die obligatorische Curry Ziege mit Reis und Bohnen oder Hähnchenteile mit Fritten. Bei soviel Auswahl ist die Entscheidung schnell getroffen und eine ganze Weile später mampfen wir heisse Fritten und relativ kaltes Hähnchenfleisch aus dem ebenfalls obligatorischen Styroporpack. Dazu ein Kaltgetränk der Marke extrem süss und alle unsere kulinarischen Bedürfnisse sind befriedigt. Mangels Sitzgelegenheiten (2 von 4 Plastikstühlen sind nicht wirklich benutzbar und dienen lediglich zur Stabilisierung von Stuhl Nr. 1 und 3) weichen wir auf den Klassenraum Nr. 1 des Colleges aus. Hier wird nicht nur unterrrichtet, sondern auch sämtliches von den Schülern evtl. benötigtes Arbeitsmaterial verkauft. Oben auf dem Tresen liegen verschiedene Lehrbücher (Mathematik kompletter Kurs Stufe 1 und 2) sowie einige bereits benutzte Hefte. Wann wohl der letzte Unterricht hier stattgefunden hat? Vergilbte Zeitungen lassen auf einen vorübergehenden Unterrichtsausfall schliessen. Nebenan werden Kopier-, Laminier-, Schreibdienste und Unterstützung bei der Visa Beantragung angeboten. Wie das alles durch den kleinen Schlitz im Gitter des Büros gehen soll ist mir schleierhaft.

Im wieder einsetzenden Nieselregen schlurfen wir zurück zum Dinghi. Nicht ohne vorher noch ein überteuertes Red Stripe Bier an der halbherzig geöffneten Strandbar zu uns genommen zu haben. Da hatten es die rund 700 Lehrer, die am gestrigen Teacher-Funday teilgenommen haben, besser: die kamen in den Genuss ermässigter Preise. Die dazugehörige Preisliste (nach der wir uns orientiert hatten) wird kurzerhand zerrissen. Und wir erhalten grosszügigen Nachlass von 100 JAD auf 3 Bier.