Traeume. Vom Segeln. Vom Leben an Bord eines Bootes. Eine „Bordfrau“ schreibt: „an Bord bin ich tiefen entspannt“. Und ich wundere mich. Wie macht sie das?? Entspannt, ja das bin ich des oefteren, aber tiefen-entspannt?? So wuerde ich meinen Zustand nicht beschreiben. Dabei zaehle ich mich wahrlich nicht zu den Unruhe-Geistern, zu den Rastlosen, die nie innehalten koennen, nie wirklich entspannt sondern immer in Action sind.

Tiefen entspannt. Waere ich auch gerne mal. Oder heisst das bei mir vielleicht „kurz vorm komatoesen Zustand“ sein???? Ob ich vielleicht dochmal das hier so haeufig angepriesene Ganja, weil ja alle Weissen das rauchen wollen (O-ton eines vor kurzem an Bord sitzenden Rastalocken tragenden Locals), konsumieren sollte? Um dann welchen Zustand zu erreichen, den der Tiefenentspannung oder komatoes?

Aber wie kann Frau ueberhaupt tiefenentspannt sein wenn es irgendwie taeglich was zu tun gibt, wenn immer wieder was kaputt geht, wenn nachts durch die weit geoeffneten Luken ausser Moskitos nicht wirklich viel Erfrischendes eindringt (wenigstens kommen auch keine Raeuber und Einbrecher rein). Wenn die Waesche wie zu Urgrossmutters Zeiten muehselig per Hand gewaschen werden muss, wenn allzeit Jagdzeit auf irgendwelche Ersatzteile angesagt ist, die Gasflasche schon wieder gefuellt werden muss, im Schiffsinneren saunaaehnliche Temperaturen herrschen weil die Luken aufgrund von anhaltenden Regenfaellen geschlossen sind.

Haelt der Anker? Klaut keiner das Dinghi? Wie kommen wir zum naechsten Supermarkt? Wo gibt es dies, wo jenes? Warum kommt waehrend des Segelns immer noch so viel Wasser im Schiff und warum ist jetzt auch noch irgendwas am Mast undicht so dass der Cockpitboden und der Tisch bei Regen ordentlich gewaessert werden.

Schlafen in einer Sauna, beim geringsten Geraeusch hochfahrend, mal die Bordfrau, mal der Kaeptn. Und wenn sich gar nix regt, dann turnt Frau durchs Schiff, um die Luken bei einsetzendem Regen zu schliessen.

Fahrtenseglerleben – zu negativ dargestellt/geschildert, empfunden? Ganz sicher. Denn es gibt auch viele schoene Momente, auf See, an Land. Begegnungen mit ganz aussergewoehnlichen Menschen, denen wir so nie begegnet waeren. Oder muessten wir vielleicht auch mal etwas den Blick oeffnen fuer das aussergewoehnliche im gewoehnlichen, um uns herum, in unserem sonstigen Alltag? Schaden koennte es sicherlich nicht und was macht schon etwas/jemanden „aussergewoehnlich“?

Viel Neues sehen wir. So viel, dass wir die Eindruecke manchmal gar nicht verarbeiten koennen, die Bilder ineinander verschwimmen. Wo war dies, wo jenes? Was haben wir dort gemacht und erlebt? Oder war es vielleicht doch ganz woanders? Ein klein wenig muede sind wir geworden in den letzten drei Jahren. Muede auch vom haeufigen Schiff irgendwo parken, Fluege buchen, nach Deutschland fliegen und wenige Tage spaeter wieder zurueck. Dieses viele Hin und Her – ist das vielleicht gar nicht so unser Ding? Muessen wir etwas mehr Ruhe, weniger Rastlosigkeit in unser Leben bringen? Eine andere, gerade erst los gesegelte Bordfrau erschrickt bei diesen AEusserungen: „ihr seid doch gerade mal 3 Jahre unterwegs und seid schon muede? Woran liegt das?“ Ja, woran liegt das.

Die Haut wird duenner, die Nervenenden vibrieren. Schon der kleinste Missklang laesst uns an die Decke gehen, macht uns ungeduldig und aufbrausend. Dabei geht es uns doch so gut. Wir haben Zeit. Zeit fuer uns und fuer alles, was uns interessiert. Reisen, lernen andere Kulturen, andere Laender kennen, entdecken so viel Neues, Unbekanntes, Schoenes. Vielleicht zu komprimiert? Geballte Ladung an Input. Da streikt die Festplatte schon mal und zeigt Kapazitaetsmangel an. Geht dem Mensch wie der Technik.

„Immer ist was zu reparieren, wir kennen bald jede Werft, jeden Fachmann fuer irgendwas“ – aha, es geht also nicht nur mir so. Auch andere Frauen fuehlen sich muede, ausgelaugt, ueberlastet. So hatte frau sich das irgendwie nicht vorgestellt. „Wir wissen so vieles nicht, was am Boot warum zu machen ist, sind handwerklich gar nicht begabt, benoetigen fuer so vieles fremde Hilfe, muessen alles teuer bezahlen“. Verstaendnisvolles Nicken meinerseits. Ganz so schlimm ist es bei uns nicht. Aber segelnde Ingenieure sind wir ja nun auch nicht oder Schreiner, Elektriker, Bootsbauer. Immerhin hat mein Kaeptn keine ganz linken Haende und so ein bisschen was haben wir uns im Laufe der Zeit schon angeeignet. Trotzdem haben wir schon viel Geld ausgegeben, mehr als wir uns vorgestellt hatten, vor der Reise. Geld fuer teure Werftaufenthalte, fuer Kranaktionen, fuer Hilfe bei Reparaturen, fuer Ersatzteile die - oh Wunder - immer wesentlich teurer sind wie in Deutschland.

Aber wie hatte Frau es sich vorgestellt? Ich hatte keine klare Vorstellung. Wir leben auf einem Boot, o.k., das ist anders. Aber wie anders – kein Plan. Blauaeugig, naiv? Sicherlich, aber vielleicht war das auch gut so. Vielleicht muss man sich eine gewisse Naivitaet bewahren; den Glauben daran, dass alles irgendwann gut wird. Muss, nein sollte, allabendlich mit einem Glas Rotwein anstossen und sich beim Anderen fuer einen schoenen Tag bedanken, den man gemeinsam verbringen/verleben durfte. Gemeinsam leben, richtig leben. Nicht nebeneinander her, jeder mit sich selbst und irgendwas beschaeftigt. Die Zeit ausgefuellt mit Dingen wie Arbeit, Sportaktivitaeten, Treffen mit Freunden, Shoppen – aber eben jeder fuer sich.

Hier in unserem Bordleben machen wir fast alles gemeinsam, 24/7/365 (fast) Gemeinsamkeit, Paar sein, Zweisamkeit. Das ist anstrengend, das kostet Kraft. Kraft, die ich(/die wir nicht immer haben. Die aber zum Glueck nie ganz verschwindet, sich wieder regeneriert. Durch laengere Abstinenz vom Bootsleben, durch „Heimaturlaube“ in Deutschland, die mal keine 3 Wochen sondern 3 Monate dauern.

Eine Zeit, die uns mit offenen, wachen Augen und mit viel Kraft zurueck kommen laesst. Die wieder Zaertlichkeit in unseren Alltag, in den Umgang mit einander bringt. Die uns geduldig macht fuer die Schwaechen und Fehler des Anderen, des Partners. Die uns das Schiff nach wie vor kritisch, aber auch wieder liebevoller betrachten laesst. In dem Gefuehl, DAS ist unser Zuhause und wir moechten es fuer nichts in der Welt tauschen. Denn es ist unser Traum, den wir leben. Auch wenn es kein rosaroter ist und er uns oft viel abverlangt. Irgendwann koennen wir auf eine ganz besondere, auf eine einzigartige Zeit zurueckblicken und sagen: wir sind reich beschenkt worden in dieser Zeit. Haben unseren Horizont erweitert, Geist und Seele geoeffnet und sind ganz wunderbaren Menschen begegnet, die unser Leben bereichert haben.

Sehr passend zu der Thematik und gut geschrieben, ein Artikel den ich gerade auf www.freecruisingguides.com gefunden habe und den ich gerne hier noch anfuege:

free-cruising-guides-c2bb-that-magic-moment