Mittwoch 26.03.14 – Unfreiwillige Stadtrundfahrt

Eigentlich wollen wir nur nach Ribeira und wieder zurueck zum Terminal Nautico. Draus geworden ist ein tagesfuellendes Programm mit einer unfreiwilligen Stadtrundfahrt. Aber der Reihe nach:

Nach einem inzwischen gewohnt kargen Fruehstueck geht es zur Bushalte. „Ribeira??“ Finger zeigen in diverse Richtungen, dazu gibt es Anweisungen auf brasilianisch. Ja, klar, wir muessen ganz nach hinten. Eine elend lange Schlange an Autobussen steht hier auf der Avenida da Franca. Aber an keinem steht Ribeira angeschrieben. Nochmal fragen. Diese hohle Gasse sollen wir gehen? Gut, wenigstens ist hier Schatten. Viele Menschen am Strassenrand, erwartungsfroh in eine Richtung blickend = Bushaltestelle in Salvador. Gleich dahinter ist dann meist auch ein ueberdachtes Wartehaeuschen zu erkennen. Fahrplaene? Fehlanzeige. Wozu auch? Fahren die Busse doch ganz offensichtlich staendig und immer mehrere in die gleiche Richtung. Nochmal fragen, wir sollen bis zum naechsten Monumento und an dem Platz dahinter, da ist dann „unsere“ Bushaltestelle. Tatsaechlich, da kommt einer mit der unuebersehbaren Aufschrift „Ribeira“!! jetzt muessen wir nur noch die richtige Haltestelle fuers Pier Salvador finden. Fragen wir doch mal den Kassierer. In den Bussen hier steigt man naemlich hinten ein und da sitzt der Herr ueber die Geldscheine. Viele Einheimische haben allerdings so eine Art personalisierten Dauerfahrschein. Die duerfen dann auch schon mal vorne beim Fahrer einsteigen. Das gibt dann Gerangel mit den Aussteigenden. Wir zeigen also unseren Adresszettel, erkennendes Nicken beim Kassierer und schon sind wir im Gespraech. Ich hab jetzt ein zweifaches Nix-verstehn-Problem: einmal akustisch und zum zweiten sprachlich. Der Bus holpert und hoppelt ueber und durch die zahlreichen Loecher und Bodenschwellen. Alles mit Vollgas. Oh, da will einer mitfahren – quietsch, ein Ruck geht durch Bus, Vollbremsung. Und da alle Naselang einer winkt, der mit will, ruckt es ziemlich haeufig. Da ist Standhaftigkeit und Festhalten angesagt. Ansonsten ist man frueher vorne beim Fahrer wie geplant. Und wir verstehen jetzt, warum hier alle Naselang ein Reifenhaendler samt Servicesation ist. Wie lange wohl die Lebensdauer eines Autoreifen bei diesen Strassenverhaeltnissen sein mag? Vorbei an improvisierten Autowerkstaetten (auf still gelegten Gleisen, hinter irgendwelchen Mauern von nicht mehr in Betrieb befindlichen Firmen), unzaehligen Getraenke- und Essensstaenden, spezialisierten Kleinstgeschaeften (z.B. nur Kochtoepfe und Zubehoer oder nur Matratzen), mit hohen Mauern umfassten Schulen, oft maroden Haeusern und modernen Einkaufszentren geht es durch die Stadt.

Zu unserer Rechten taucht eine Bucht auf, Segelboote, Ausflugsschiffe sind festgemacht. Da sind wir doch bestimmt richtig! Sind wir. Pier Salvador hatte ich mir jetzt so von den Fotos auf der Website her eeetwas anders vorgestellt. Aber o.k.! Der Inhaber, Senor Sandoval, und sein juengerer Mitarbeiter sind jedenfalls sehr freundlich und hilfsbereit. Wir bekommen einen Preis, Platz ist auch, wir koennen kommen wann wir moechten bzw. sobald wir unsere Kranaktion in der Bahiamarina abgeschlossen haben. Denn kranen oder besser gesagt: slippen ist bei unseren Ausmassen definitiv nicht moeglich. Schade. Die Bucht ist wirklich sehr ruhig wenn auch rundrum ziemlich zugebaut. Allerdings ziehen sich nur kleine Haeuschen dicht an dicht die sanften Huegel hoch und runter. Auf dem ueberdachten Betonpier stehen die Tische des hier ebenfalls betriebenen Comida a Kilou. Wir testen gleich mal und es ist wirklich lecker. Und Schlauchboote kann man hier auch reparieren lassen. Vielleicht sollten wir unser Caribe nochmal checken lassen….. Jedenfalls ist das Schiffle hier gut aufgehoben, wenn wir dann einige Tage nicht an Bord sind. Mit Senor Sandoval klaeren wir dann auch Werners Mis(t)verstaendnis: Er meinte naemlich, wir muessten die 90 Tage am Stueck in Brasilien bleiben, ich dagegen dachte, wir koennen durchaus zwischendrin nach Hause fliegen. Muessen dann halt nur die ganzen Behoerdengaenge vorm Abflug und bei unserer Rueckkehr nochmal machen. Und benoetigen eine Bescheinigung der Marina, dass unser Schiff in der Zeit auch wirklich alleine, unbewohnt und sich selbst ueberlassen im Schutz der Marina verbleibt. Die beiden Senores sehen das wie ich und Werner ist erstaunt und erleichtert gleichermassen.

Herzliche Verabschiedung, dann laufen wir noch ein Stueck am Ufer entlang. Hier liegen ganz schoen viele Boote, an Stegen, an Moorings und teilweise auch halb unter Wasser. Das Wasser hier ist leider nicht so schoen, ziemlich undurchsichtige Bruehe, wenn auch nicht stinkend.

Wir kapern einen Bus, bei dem auch „Comercio“ aufgefuehrt ist. Leider verpassen wir die einzige und fuer uns nicht als solche wirklich erkennbare Haltestelle in diesem Viertel. Und ehe wir uns versehen, donnert das Vehikel auch schon wieder in die Gegenrichtung, durch einen Tunnel den Berg hinauf und in irgendwelche, uns gaenzlich unbekannten Stadtteile. Anhand unseres detaillierten Stadtplanes versuchen wir, uns einen Ueberblick zu verschaffen – vergeblich. Einkaufszentren, Hochhaeuser, Parks fliegen an uns vorbei. Wir bleiben eisern sitzen. Mal geht es nach links, mal nach rechts, dann wieder zurueck. Wir schoepfen Hoffnung – bis es wieder in eine andere Richtung geht. Mittlerweile koennen wir Strassenschilder erkennen und finden die Namen auch im Stadtplan wieder. Immerhin sind wir nicht auf dem Weg zum Flughafen. Obwohl – dann wuessten wir schon mal, wie wir dort hin kommen. Das sollten wir vor einem evtl. Abflug von hier auf jeden Fall in Ruhe austesten. Langsam wird uns mulmig, wir sind die vorletzten Fahrgaeste, alle anderen sind schon ausgestiegen. Und das waren nicht gerade wenig Menschen. Jetzt wird es gemuetlich, der Kassierer setzt sich zum Fahrer, ein anderer Kollege schwatzt ebenfalls mit. Dann wird geparkt, alle steigen aus. „Comercio???????“ Nur die Ruhe, wir sollen ruhig sitzen bleiben, da kaemen wir schon nochmal hin. Sicherheitshalber setzen wir uns direkt hinter den Fahrer, der uns verstaendnisvoll zunickt, Comercio, er gibt uns Bescheid. Wenn wir raus muessen. Obwohl, das wissen wir inzwischen ja dann auch. Los geht das Rennen, denn wie ein Rennen zwischen den einzelnen Bussen wirkt die Fahrt. Sich dazwischen draengelnde PKW werden schlichtweg ignoriert, geschnitten und nicht reingelassen. Die revanchieren sich mit anhaltendem Hupen und ebenfalls nicht reinlassen der Busse wenn diese von einer Haltestelle kommend wieder einfaedeln wollen. Da wird auf die ganz linke Spur gewechselt, rechts an der Haltestelle winkt jemand verzweifelt – keine Chance! Hup-Hup, weg da Auto, du bist auf der Busspur. An den Ampeln versuchen fliegende Haendler kuehle Getraenke oder sonstige Waren an die Autofahrer oder Busfahrgaeste zu bringen. Immer wieder steigt ein mit einer Styroporbox bewaffneter Wasserverkaeufer fuer einige Meter im Bus zu. „Aquaquaqua“ . Fliegender Wechsel, einer raus, der naechste rein. Auf dem Rueckweg kommen wir dann sogar noch am Fussballstadtion vorbei. Hier wird dann im Juni Deutschland gegen Portugal spielen. Wie gewohnt ist der Rueckweg um ein Vielfaches schneller und zack-zack geht es durch nun schon bekannten Tunnel, bergab, links liegt das Marine-Hospital, rechts ist der Hafen und dann kommt auch schon die Haltestelle. Mit viel Obrigadi-da-do verabschieden wir uns von unserem Busfahrer. Und sind froh, wieder festen Boden unter den Fuessen zu spueren. Eine interessante, teilweise atemberaubende , unfreiwillige Sightseeing-Tour war das. Und das fuer 2,80 Reais pro Person. Am Sonntag haetten wir das Erlebnis sogar fuer die Haelfte des Preises bekommen – oder auch nicht.

Von der Haltestelle aus bummeln wir noch entspannt durch die Strassen des Comercio, studieren die Angebote der Schaufenster etwas genauer und wandern dann noch einmal zu Marcellos Boatsshop. Klaerungsbedarf zum Thema Borddurchlass ist noch gegeben und schweissen lassen wollen wir ja auch noch was. Marcello kommt einige Minuten nach uns dann auch noch in seinen Laden und wir besprechen alles in Ruhe und ausfuehrlich. D.h. alle paar Minuten springt er zu einem Vorbeifahrenden Auto und wechselt ein paar Worte mit dem Fahrer oder er muss mit einem anderen Kunden etwas klaeren. Trotzdem kommen wir irgendwie zu Potte. Und dann schickt er uns noch ins obere Stockwerk. Das muessen wir uns ansehen, das sei sein eigentlicher Shop. Wir finden uns zwischen eng gestellten und voll gepropften Regalen wieder. Im hintersten Eck quetscht sich auch noch eine Senhora zwischen Aktenschrank und PC-Tastatur. Hier gibt es wohl nix, was es hier nicht gibt. Unten strahlt uns der Herrscher ueber das Chaos an und will wissen, wie wir es finden. Dann zeigt er uns noch die in Vorbereitung befindlichen neuen Raeumlichkeiten, wo die Pracht dann demnaechst hinwandern soll. Im Keller gibt es noch eine feine Werkstatt - das sieht man dem teilweise sehr maroden Haus von aussen gar nicht an.

Jetzt aber nix wie nach Hause, Durst, muede, ich mag nicht mehr. Wenn wir in dem Tempo weitermachen, benoetigen wirdie 90 Tage Aufenthaltsgenehmigung gar nicht – Brasilien in 4 Wochen ist bestimmt auch machbar ;-)

Pier Salvador in Ribeira

Pier Salvador in Ribeira

Das ist für unser Schiff leider keine Kranalternative - schade, sieht praktisch und einfach aus

Das ist für unser Schiff leider keine Kranalternative - schade, sieht praktisch und einfach aus

Strassenverkaeufer in Salvador

Strassenverkaeufer in Salvador