Tages-Archiv 10. März 2014

Montag, 10.03.2014 - 4. Etmal

Fruehsport! Ein lauter Rumms an Deck scheucht mich aus meiner Nachschlafrunde. Jetzt ist es passiert - der Grossbaum ist abgerissen! Nein, ist er nicht. Der Spibaum hat beschlossen, einen Selbsttest in der Disziplin “taucht der was” durchzufuehren und bammelt neben der Bordwand im Wasser. Weiss der denn gar nicht, wie tief das hier ist???? Mutiges Kerlchen! Die komplette Crew (also der Kaeptn und die Bordfrau) eilt zur Rettung des Selbstmoerders herbei. Mit vereinten Kraeften wird er an Deck gehievt und die Ursache fuer den Absturz erforscht. Ganz klarer Fall von gleich zweifachem Durchscheuern: die Genuaschot ist komplett durch gesaebelt und der Niederholer haette es auch nicht mehr lange ausgehalten. Also Genua erst einmal einkurbeln. Das geht natuerlich nicht ohne vertuedeln der Backbordschot mit der Rollanlage ab. Schot somit raus aus allen Rollen und nach vorne bringen. Dann Steuerbordschot zurecht schneiden, dran tuedeln, Niederholer neu befestigen, Spibaum in Schot einhaken und alles wieder plazieren. Das alles immer mehr oder einhaendig weil trotz wenig Wind und Welle doch Bewegung im Schiff ist. Das Fruehstueck haben wir uns jedenfalls verdient. Ansonsten vertreiben wir uns die Zeit mit Grossbaum hin und her schiften, raetseln wann wohl die Sonne sich heute das erste Mal richtig blicken laesst und dem Beobachten fliegender Fische. Die habe ich erst fuer Voegel gehalten, musste aber im direkten Vergleich mit den schnellen, schwarzen was-auch-immer-Voegeln feststellen, dass dem nicht so sein kann. Was mich nur wundert, ist die Tatsache, dass die “Flifis” in schoener Regelmaessigkeit auf unserem Deck landen. Wo sie doch offensichtlich immer nur ganz dicht ueber der Wasseroberflaeche rum fliegen. Parallel zu unserer Fahrt lese ich die Reiseberichte der SY Just-do-it nach und finde interessante Parallelen. Nur das mit dem eifrigen und aeusserst erfolgreichen Angeln an Bord der Just-do-it, das weicht doch ganz stark ab von unserem Bordleben. Und wenn ich mir das so durchlese und die Fotos dazu anschaue - ich glaube, Spaghetti al Oglio schmecken mir weiterhin sehr gut ohne Frischfisch-Beilage! Um 13 Uhr UTC kommt - wie eigentlich taeglich - dann tatsaechlich die Sonne raus. Und fast zeitgleich sichtet Werner an unserer Steuerbordseite ein Schiff!!! Wieder taucht es wie aus dem Nichts auf: Ein Fischerboot mit 0,8 Knoten Fahrt, Rufzeichen JMYN, steht quer zu uns. Auf unseren Funkruf meldet sich niemand. Da trifft man in dieser Wasserwueste schon mal ein Schiff und dann spricht das nicht mit uns! Den werden wir wohl etwas genauer im Auge behalten. Wer weiss, ob der uns ueberhaupt bemerkt hat. Nicht, dass der uns mit einem besonders dicken Fisch verwechselt und versucht, uns einzufangen sprich zu rammen. Diese grossen Fischtrawler erinnern mich persoenlich ja an die Eisenbahnloks an Land. Grosse, laute, gesichtslose und mir sehr unheimliche Monster denen einfach alles zuzutrauen ist. Wir fuehlen uns bei dieser Begegnung jedenfalls wieder darin bestaetigt, dass es gut ist, den Horizont sowohl bei Tag als auch bei Nacht immer im Blick zu haben. Zwar zeigt unser AIS den Fischer ebenfalls an, hat aber bislang noch keinen Alarm gegeben. Dafuer ist er dann halt zu weit entfernt und auch nicht auf gefaehrlichem Kurs zu uns. “Was macht der denn da oben, ist der voellig desorientiert??” Der Windgenerator zeigt spontan in Fahrtrichtung, dabei kommt der Wind nach wie vor von achtern. O.k. grad nicht so stark, dass jack sich schon drehwillig zeigen muesste, aber so aus dem Kurs zu laufen?. Wenig spaeter hat er sich gefangen und produziert wieder brav Strom. Geht doch! Nur die Sonne mag uns heute nicht, hat sich wieder verzogen. So ein Wellengenerator, das waere schon eine feine Sache. Aber steht das alles noch in Relation zu den Anschaffungskosten? Wenns eng wird, lassen wir halt mal eine Stunde die Maschine laufen, dann passt das Energiemanagement auch wieder. Zwischenzeitlich segeln wir Schmetterling - Grossbaum an Backbord raus, Genua an Steuerbord ausgebaumt. Brav laeuft Madam damit, nutzt jede Windboe gleich mit Schub nach vorn aus und schwingt ganz elegant und locker mit den Wellen mit. Komischerweise empfinde ich die Bewegungen ganz vorne am Bug als sehr angenehm. Und muss dran denken, dass mein Sohn bei einer sehr holprigen Rheintalwaerts-Fahrt juchzend vorne auf dem Bug des damaligen Stahlknickspanters sass und seine aufkommende Uebelkeit voellig vergessen hatte. Nach dieser Erfahrung verbrachte er Uebelkeitsmomente immer - gut gesichert - vorne auf dem Bug und fuehlte sich bestens. Wenn das ja nicht so salzig-nass werden wuerde da vorne ?? Ersatzweise scheint bei mir folgende Variante aber auch gut zu funktionieren: Am Tag der Abfahrt nehme ich eine Tablette Stutgeron, mindestens zwei, besser 3-4 Stunden vorm losfahren. Danach dann nix mehr. Kaffee ist die ersten Tage tabu und an Nahrhaftem gibt es nur, worauf ich wirklich Appetit habe. Saure Wuermer z.B. vertrage ich sehr gut und auch Chips sind sehr beliebt bei mir. Diese Massnahmen foerden offenbar ein stress- und uebelkeitsfreies Einschaukeln. Soweit meine Theorie und zweifache Praxiserprobung. Ob das aber bei jedem und vor allem: auf jedem Schiff funktioniert? Der Nachmittagshimmel zeigt sich dann bayrisch, aber die netten weissen Tuffwoelkchen sind laut Aussagen des bordeigenen Passatwolkenexperten immer noch keine Passatwolken! Hmm, also doch erst im naechsten Leben! Immerhin ist es recht warm und wir geniessen es, leicht bis gar nicht bekleidet den Tag verbringen zu koennen. Unser 4. Etmal betraegt sagenhafte 125 Meilen Aktuelle Position um 19:24 UTC: 08?47,78′N und 027?22,97′W

Sonntag 09.03.2014 - unser 3. Etmal

Sonntag, 09.03.2014 So wirklich nennens- oder berichtenswertes passiert ja derzeit bei uns nicht. Wind und Welle sind unveraendert - mal pustet es etwas staerker, mal schwaechelt der Wind etwas. Werner hat die Hoffnung auf die Sichtung von Passatwolken noch nicht aufgegeben, ich vertrete eher die Meinung “in diesem Leben sehen wir keine mehr”. Getreu dem Motto “wo ich nix erwarte, kann ich auch nicht enttaeuscht werden”. Und nein, ich bin generell NICHT pessimistisch eingestellt, vertrete ich doch auch die Auffassung, dass der Wind zunimmt, wenn wir nur lange genug die Windmessanzeige hypnotisieren. Oder man sitzt ganz unbeteiligt lesend in der Ecke und tut so, als wuerde es einen gar nicht interessieren, wie stark der Wind gerade weht. Funktioniert aber nur zeitweise. Die Naechte sind ziemlich dunkel, der Mond verkruemelt sich nach seinem Erscheinen relativ schnell wieder hinter Wolken und ist dann komplett verschwunden. Sterne - ja, gibt es noch, haben wir auch schon welche gesehen. Kann es sein, dass der grosse Wagen in dieser Region auf dem Kopf steht?? Ich muss wohl doch mal das Sternenbuch rauskramen…. Ansonsten hat man bei so einem Toern viel Zeit zum Lesen, vor-sich-hin-gucken und Nachdenken: Ich gruebele z.B. ueber die Tatsache, dass das Meer so scheinbar leer aussieht und doch ist da unter uns so viel Leben - oder doch nicht? Wie tief ist es hier eigentlich? Und wieviel Wasser haben wir noch vor uns? Spasseshalber zoomen wir im Kartenplotter soweit raus, dass wir sowohl Afrika als auch Suedamerika sehen - und mittendrin (naja, noch deutlich naeher an Afrika dran) ein kleiner schwarzer Fleck: Unser Schiffchen! Ich bin beeindruckt, was wir doch schon an Strecke geschafft haben ;-). Noch mehr beeindruckt mich allerdings, was wir irgendwann an Strecke zurueck legen muessen, um von Salvador in die Karibik zu kommen. Und nach Jamaica. Aber vielleicht klappt es ja bis dahin mit dem “Beam me up, Scotty”. Da geb ich die Hoffnung definitiv nicht auf. Eigentlich ist ja Samstag der traditionelle Badetag. Da es uns - respektive mir - gestern aber zu kuehl war fuer eine Dusche mit Meerwasser, steht dieser Punkt auf dem heutigen Tagesplan. Und hinterher fuehlen wir uns wie neu geboren. Gut nur, dass die Schiffsbewegungen so moderat sind. Gar nicht so einfach, bei 5-6 Knoten Fahrt mit dem Puetz Wasser an Deck zu schaffen! Denn traditionell weicht sich der Segler ja erst mit Salzwasser ein und spuelt dann mit dem kostbaren, weil begrenzten Frischwasser nur noch kurz nach. Und Salzwasser soll ja gesund sein fuer Haut und Haar und ueberhaupt. So schaukeln wir also auch durch diesen Tag, freuen uns darauf am Abend mit Emails von zu Hause versorgt zu werden. Zum Kurzwellenfunken kann ich mich noch nicht durchringen. Eigentlich geniesse ich diese ruhige Zeit sehr. Und stelle wieder einmal fest, dass ich nicht muede werde, Meer und Himmel zu beobachten. Einfach nur sitzen und schauen, dem heben und senken im Rhythmus des Schiffes und der Wellen nachspueren. Unser 3. Etmal betraegt sagenhafte 125 Seemeilen - aktuelle Position um 17 UTC: 10?59′72N und 026?6′35 W - Kurs 203 - SOG 5 Knoten Und jetzt gibt’s Bratkartoffeln!