15.03.2014 bis 16.03.2014 Samstag auf Sonntag Zum wiederholten Mal stuerze ich die Niedergangstreppe hoch, stelle mich ins Cockpit und geniesse mit ausgebreiteten Armen die Abkuehlung, die mir die leichte Brise bringt. Unter Deck ist es mollig warm, ich sitze unbekleidet am Navitisch, versende und empfange via Kurzwelle Emails und schwitze vor mich hin. Warum muss ich ausgerechnet in diesen Regionen mit Hitzewallungen zu tun haben? Im deutschen Winter waeren die ja noch hilfreich, aber hier?.! Seit gut einer Stunde (also seit 20:40) laufen wir wieder unter Segeln - herrlich. Erst ein leichtes Kraeuseln auf dem Wasser, dann etwas mehr. Maschine aus, Windeinfallswinkel passt - liegt deutlich zwischen 30 und 60?, Segelzupfen, Genua weiter ausrollen, sollen wir vielleicht das 2. Reff rausnehmen? Nein lieber nicht. Ganz gemuetlich gondeln wir mit einer Geschwindigkeit von erst 3,5 dann bis zu 5,5 Knoten ueber den Atlantik. An Backbord wirft der Vollmond seine silberne Bahn auf das Meer bis zum Schiff herueber. Schau ich nach vorn, kommt die Duenung mehr aus Sued, schau ich zur Seite, kommt sie von Ost. Ich bin verwirrt?. Aber eigentlich ist es nebensaechlich. Solange sich naja derart sanft und moderat bewegt und es mir gut geht dabei. Kurz bevor der Wind zu uns zurueck kommt, gibt es noch einen traumhaft schoenen Sonnenuntergang. Mit grandiosen Wolkenformationen, grau und orange-rot sind die dominierenden Farben. Im Osten dagegen scheint der Horizont heute abend ungewohnt weit und offen. War er an den vergangenen Abenden mehr oder weniger durch dicke Regenwolken quasi blockiert, so hat man heute das Gefuehl, bis nach Afrika schauen zu koennen. Ein relativ grosser Seevogel umkreist uns, kommt unserem Mast immer naeher und naeher ?. Der wird doch nicht! Es sieht tatsaechlich ganz danach aus, als ueberlege er, auf unserer Mastspitze Platz zu nehmen, sieht dann aber nach mehrfachem Kreisen doch endlich davon ab. Wenn der auf unserer Windmessanlage gelandet waere! Tsts, so ein grosses Schiff mit so vielen Landemoeglichkeiten und dann will der Kerl ausgerechnet da oben Platz nehmen! Wir bewundern trotzdem seinen eleganten Flug, wissen aber nicht, was es fuer ein Vogel ist. Vielleicht bringen die Fotos die ich schiesse, etwas Aufklaerung. Irgendwer wird sich schon damit auskennen und uns sagen, was es fuer eine Art ist. Nachtwache - nackert kuschel ich mich mal in den leichten Fleeceschlafsack, mal sitze ich einfach so da, bade im Mondlicht, je nach aktueller innerer Temperatur. Der Mond leuchtet wieder an Backbord, wenn auch schon etwas eingedellt. Ein sternenklarer Himmel, keine Wolke weit und breit. Das hatten wir schon lange nicht mehr und schon gar nicht in den letzten Naechten, in denen Wolken unsere staendigen Begleiter waren. Ganz sanft zischt naja durchs Wasser. Halbwindkurs. Sie liegt auf ihrem Backbordbug, das Schiffsinnere ist leicht schief aber erfordert laengst nicht so viele akrobatische Uebungen wie in den letzten Tagen. Alles ist ungewohnt ruhig, kein Knarren, Aechzen . Sanft wippt sie rauf und runter. Wind der Staerken 8 bis max 13,8 - jede (zugegebenermassen nur leichte) Boe wird einfach nur durch schnellere Fahrt quittiert, kein kraengen, kein anluven. Legt man sich auf die Salonkoje (obwohl in Luv) wird man sanft in den Schlaf geschaukelt. Wir wagen es, das Luk leicht zu oeffnen. Taschenbuecher halten es gegen den Druck der Gummiwutz, die noch ein Stueck darauf liegt, offen und eine leichte Brise weht genau auf die Freiwache darunter. Ich schlafe so tief und fest, dass ich noch nichtmal mitbekomme, dass Werner um 5 Uhr ein Positionskreuz in die Karte setzt. Gegen Morgen kommen dann auch wieder Wolken. An Steuerbord taucht der Mond ein letztes Mal in voller Groesse und in warmem Gelb aus einer Wolke auf, blinkt uns noch einmal zu ?. Und ist weg! Abgeloest von der Sonne, die sich ebenfalls erst noch durch ein paar Wolkengebirge am Horizont kaempfen muss. Aber ist ja ne starke, das schafft sie schon noch. Meine Gedanken gehen zurueck zu unseren Segeltagen (oder besser gesagt Motortagen) 2012. Wind 8 Knoten - segeln? Wir haetten jeden fuer verrueckt erklaert. Wie anders war alles in diesen Tagen, die Welle ruppig und unfreundlich, Wind oft gegenan ?? oder waren wir einfach nur zu unerfahren und ignorant? Die Wellen, die Duenung war jedenfalls definitiv nicht so angenehm lang gezogen wie hier und jetzt. Traumhaftes Segeln - wie sehr haben wir uns das gewuenscht. Wieder umkreist uns ein Vogel, sieht aber etwas anders aus wie unser Freund von gestern Abend. Und jetzt wird sogar Paarflug geuebt, ein hellerer Vogel ist dazu gekommen und beide schweben im Gleichklang um uns herum. Pas de deux quasi. Hoffentlich kommen sie dem Haecksler auf dem Geraetetraeger nicht zu nahe. Werner haette jetzt eigentlich Freiwache, ist aber gar nicht muede, sitzt und schaut aufs Meer, auf den Himmel, geniesst. Der 10. Tag auf See -10 Tage nur Wasser, Himmel und unsere kleine schwimmende Insel. Und dabei fand ich 5 oder 6 Tage schon lang. Ueberrascht stellen wir fest, dass heute Sonntag ist. Da machen wir also doch grad Sonntagssegeln vom Feinsten. ?Ist das nicht herrlich’ - wie der Kaeptn gerne zu sagen pflegt. Der legt sich dann jetzt doch noch ein Stuendchen ab. Ein dritter, etwas kleinerer Vogel umkreist uns. Wir sind offenbar DIE Attraktion der hiesigen Seevogelwelt. Die Sonne brennt unbarmherzig auf uns herunter, jede kleine Wolke wird jubelnd begruesst und ich stelle mich sogar in die spaerlichen herunterfallenden Regentropfen. Ansonsten sitzen wir im Schatten unter unserem provisorisch gebastelten Sonnenschutz, planen optimale Biminiloesungen fuer unser Cockpit, die auch unter Segeln nutzbar sind. Und da es im Schiff noch nicht warm genug ist, backen wir noch ein Brot. Hoffentlich belohnt das Ergebnis die intensive Knetarbeit. Es riecht auf jeden Fall schon ganz gut im Schiff. Naja ist von alldem voellig unbeeindruckt und schiebt sich mit Wind zwischen 10 und 13 Knoten weiterhin durch bzw. ueber die leicht seitlich anlaufenden Wellen. Der Windeinfallswinkel liegt konstant zwischen 60 und 90?, an der Segelstellung muss nichts veraendert werden. Das 10. Etmal betraegt dann 126 Seemeilen und ich mosere : “nicht mehr??” ” Was willst Du, das ist doch gut” wird von unten gekontert. War doch Spaessken, bleib locker mein Kaeptn! Geniesse ich doch dieses traumhafte Segeln so sehr, da waere ich auch mit weniger Seemeilen immer noch hochzufrieden! Noch knapp 800 Meilen bekomme ich grade die Ansage. Wir lesen schon mal im Reisefuehrer Brasilien, den uns liebe Menschen aus der Heimat (der Buur un sin Fruu samt Kinnern) geschenkt haben. Aktueller Standort um 17:19 UTC: 03?20,23′S und 030?17,91′W - Kurs 212? - SOG: 5,5 (im Schnitt)