Unsere Tage in Kolumbien sind gezählt, der Countdown läuft. Und plötzlich wird es für kolumbianische Verhältnisse fast hektisch. Charly, der Motorenmann, reisst sich förmlich darum, an najas Motor weiter werkeln zu dürfen. Ist fast empört, dass die Senora ja nicht am Boot war und das auch noch abgeschlossen war. Was denkt der Gute sich? Das ich den ganzen Tag an Bord sitze und darauf warte, dass seine Hoheit eintrifft? Das Vergnügen hatte ich gestern schon. Mit dem Ergebnis, dass Herrn Charly der Lunch wohl irgendwie auf den Magen geschlagen war - jedenfalls ward er nicht mehr gesehen in Najas Motorenraum. Dafür will er jetzt sogar am Sonntag an Bord kommen, zum Arbeiten wohlgemerkt. Na, bin gespannt. Ocho a la manana lautet die Zeitansage …. als wäre er jemals in den vergangenen Wochen um 8 Uhr in der Früh am Schiff gewesen! Na, die Hoffnung stirbt zuletzt. Zu dritt werkeln sie dann heute fleissig am Motor. Mit dem Ergebnis, dass ich 2 Schrauben unter die Nase gehalten bekomme mit der (zumindest verstehe ich es so) Ansage, dass man 8 solcher Schrauben kaufen müsse. Blond, nicht spanisch sprechend und mit Rock bzw. Kleid versehen reiße ich ganz weiblich die nicht vorhandenen Wimpern hoch und bin völlig verzweifelt: ich armes Frauchen soll jetzt solch merkwürdige Schrauben kaufen gehen, nicht dein Ernst???!!!! In solchen Situationen bin ich beinhart und ganz unemanzipiert. Charly guckt, guckt nochmal, wiederholt die Aufgabenstellung und scheitert mit der Bemerkung, dass er dann wohl mal mit Senor Jesus sprechen müsse. DAS finde ich absolut in Ordnung, der wird ihn schon einnorden. Die Taktik, vor dem Wochenende für irgendwelche Einkäufe noch mal eben ein paar Pesos aus dem Bauchladen der Gringos rauszuschlagen, die kenne ich schon. Aber da beisst er bei mir auf beinharten Schiefer. Wobei … Schiefer ist ja gar nicht sooo hart. Egal. Er zieht von dannen mit der Musterschraube in der Täsch - mehr wollte ich doch gar nicht. Kann natürlich sein, dass das Projekt Motorenendmontage dann jetzt erstmal ins Stocken gerät.

Als nächstes kündigt sich - ebenfalls für morgen und den Feiertagsmontag unser säumiger Schreiner an. Für den muss ich dann erstmal eine Geländebetretungserlaubnis beim Cheffe einholen, die mir natürlich gewährt wird. Bin gespannt, ob wir dann auf der nächsten Rechnung auch den für Fremdarbeiter fälligen Tagessatz finden. Wieweit wohl die Nächstenliebe von Jesus geht?

Wenn die jetzt alle kommen und hier auf dem Schiff rumwerkeln, sollte ich mir vielleicht schon mal ein Asyl suchen für diese Zeit, was möglichst nah am Schiff ist. Für den Fall der Fälle, das ich eine wichtige Entscheidung treffen muss. Abgesehen von Schrauben kaufen gehen.

Und so geht ein letztendlich doch arbeitsamer Tag (nicht für mich) zu Ende. Der Wind trägt von der gegenüberliegenden Party-Insel aus überdimensonalen Bassboxen den Beat herüber. Die Taxiboote sind auch wie entfesselt und fahren im 5 Minuten Takt an unserem Liegeplatz vorbei. Als wäre der heute bei dem Wind und der für hiesige Verhältnisse ungewohnten Welle nicht schon schaukelig genug, ganz ungewohnter Weise.

Jose stiefelt oben auf dem Ponton vorbei, zeigt mal kurz die erhobenen Daumen als er die Männer werkeln sieht und setzt sich am anderen Ende auf einen alten Stuhl, nimmt seinen weissen Helm ab, legt die Füsse auf einen Poller, verschränkt die Arme hinterm Kopf und schaut einfach nur still und gelassen über die Mangroven und das Wasser der Bucht. Abendstille. Auf der Werft kehrt Ruhe ein. Auch die unermüdlichen Rostklopfer und Sandstrahler auf der Nachbarwerft haben die Arbeit eingestellt. Nichts zischt, faucht oder dröhnt von dort herüber.

Gleich wird der Wachmann seine Runde ziehen, mit der starken LED-Leuchte in die vielen dunklen Ecken auf dem Kranponton leuchten. Und trotzdem haben sie in einer Nacht versucht, von einem unbemannten, ebenfalls am Kran festgemachten Segelboot, das Dingi zu klauen. Auch Robertos nagelneue Flipflops waren anderntags nicht mehr vorhanden. Komisch das ich ausgerechnet in dieser Nacht meinen ersten und einzigen Albtraum hatte. In dem wollten dunkelhäutige Männer naja entern, um uns herum wimmelte es von kleinen Fischerbooten, die den Kran mit irgendwas bewarfen. Und ich hab sie alle nur angeschrien: ‚was wollt ihr, weg da, weg von meinem Schiff, lasst uns in Ruhe!!’ Da lag ich noch weiter vorne am Kran, in Sichtweite des Wachmanns. Jetzt liege ich hinten in der dunklen Ecke. Was den guten Jose mehr als beunruhigt. Von meinem Traum hab ich ihm nix erzählt. Am Ende hätten sie mich gleich an Land gesetzt oder ins Hotel verfrachtet. Sind schon alle sehr besorgt um mich hier.

Und so ganz ohne Schiss bin ich ja zugebenermassen auch nicht. Nicht umsonst ist unser Deck in der Nacht hell erleuchtet wie ein Christbaum mit allem, was wir beleuchtungstechnisch so zu bieten haben. Wenn ich jetzt noch die Moskitos in den Griff bekomme, das die sich auf evtl. Eindringlinge stürzen und die zu Tode beissen ….. Stattdessen arbeite ich daran, dass sie mich in Ruhe lassen. Schlucke Vitamin B Tabletten hochdosiert. Die sollen auch die Feldarbeiter nehmen damit sie den Einsatz in der Wildnis schadlos überstehen. Schaden soll die Dosierung angeblich nicht. Leider bleibt mir nicht mehr so viel Zeit, den Selbstversuch überzeugend durchzuführen. Denn am Mittwoch heisst es für uns: Auf Wiedersehen Kolumbien, bis zum nächsten Jahr!

El Motor kommt wieder an seinen Platz

El Motor kommt wieder an seinen Platz