Bazurto und wahre Helden

In jeder Stadt gibt es einen Markt. Hier in Cartagena heisst er „Bazurto“. Unzählige kleine Buden reihen sich aneinander, die schmalen Gänge überdacht mit Planen und dem schwarzen „Polysombra“, einem Gewebestoff, der die Sonne abhält.

Kleidung, Haushaltswaren, Schuhe, Plastikartikel, Styroporbehälter- und Becher werden hier angeboten. Nähmaschinen verkauft und repariert. Zubehör für Gasöfen, Glasscheiben für Fenster, Lederwaren, Schuhmacher - es gibt wohl nichts, was es hier nicht gibt. Am Ufer der Lagune sind die Fischverkäufer angesiedelt, dazwischen tummelt sich das Obst- und Gemüseangebot. Ein die Sinne verwirrendes Gemisch aus Gerüchen, Musik, Geschrei. Eine unglaubliche Mischung aus Farben und anderen Eindrücken. Fasziniert und abstossend zugleich. Jeder empfindet den Bazurto anders. Die einen meiden ihn wie der Teufel das Weihwasser, die anderen sind begeistert und lieben ihn. Weil das Angebot an Obst, Gemüse, Fisch gut und die Preise niedrig sind. Weil es eine ganz andere Welt ist wie die der durchgestylten ordentlichen Supermärkte.

Gegen Nachmittag schliessen die meisten Stände, nur noch wenige Fische werden angeboten und verströmen in der heissen Nachmittagssonne ihren nun schon sehr starken Duft. Am Ufer der Lagune liegen die kleinen Fischerboote. Phantasievolle Zeltkonstrunktionen bieten ihren Besitzern Lebensraum in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Abfälle, meist aus Plastik bestehend, bestimmen das Bild. Weisse Kormorane, Pelikane und dazwischen auch mal eine Art Geier warten auf Beute oder verdauen das, was sie bereits ergattert haben. Eine bunt gescheckte Katze steht auf den Hinterbeinen an einem Eimer und schleckt irgendwas daraus. Die Käufer streben den Bussen zu. Bepackt mit Einkaufstüten und grossen Säcken. Viele wohnen etwas ausserhalb in den Barrios, die den Stadtrand bilden und deren Einwohner sich hier auf dem Bazurto preiswert versorgen. Schnell noch einen Tinto, den kleinen schwarzen Kaffee oder ein frittiertes Teigstück für den Heimweg erstehen, damit man für die lange Fahrt gestärkt ist. Der Bus hupt schon ungeduldig, mahnt die letzten Bummelanten eindringlich, dass es Zeit ist, sich auf den Heimweg zu begeben.

Die grüne Ameisenarmee der Müllentsorger ist schon unterwegs; versucht,der Müllberge Herr zu werden. Kehrt und schiebt zusammen, packt in Tüten und Kartons oder häuft einfach alles auf einen kleinen Berg. Damit die später anrückenden Müllautos nur noch aufladen müssen. Für einen kurzen Moment wird alles sauber sein. Um nur kurze Zeit später wieder die gleichen Müllhaufen zu produzieren.

Müll ist - wie in den meisten karibischen Orten - ein grosses Thema. In fast jedem Barrio gibt es kaum einen unbebauten Platz, der nicht mit den Abfällen der Menschen bedeckt ist. Dazwischen werden abgeschnittene Äste gelagert, ausrangierte Möbelstücke. Ein Dorado für die, die auch aus kaputten, unbrauchbarem noch irgendwas machen oder es für etwas umfunktionieren können. Abgerissene, magere, ärmlich gekleidete Gestalten durchforsten diese Plätze nach brauch- oder essbarem. Vollgepackte Container stehen dazwischen, warten auf ihre Abholung. Kaum sind die Plätze etwas gesäubert, beginnt das Spiel von vorne und nur wenige Tage später ist alles wieder vollgemüllt.

Müll, ein weltweites Thema. Verschandelt und lässt alles unansehnlich wirken. Wird in rauhen Mengen produziert. Mülltrennung steckt hier noch in den Kinderschuhen. Wer will hier auch was trennen, sortieren. Vielleicht die Obdachlosen, die aussortieren, was sich in irgendeiner Form zu Geld machen lässt, wie Pappe oder Getränkedosen. Eine andere Mentalität oder einfach zu viel Abfall einer Gesellschaft, die nicht gelernt hat, damit umzugehen. Die die Errungenschaften der vermeintlichen Zivilisation wie Plastikverpackungen etc. nutzt und dann achtlos wegwirft. Auf die Strasse, an den Strassenrand, wo man geht und steht. Da wird schnell mal eine leere Colaflasche aus dem Bus gekickt oder zur Seite geworfen. Viele Menschen, viele Abfälle. Immerhin gibt es eine Müllabfuhr und Strassenfeger. Die voll vermummt in dicken Arbeitsanzügen, mit Hüten auf dem Kopf und Tüchern vor Mund und Nase ihrer Aufgabe nachgehen und für mich, die extrem geruchsempflindliche, wahre Helden sind.