Morgenstunde - die erste Stunde am Morgen. Wenn die Nacht dem Tag weicht, wenn es noch angenehm ist von den Temperaturen her. Wenn ich feststelle, dass ich sogar hier am Liegeplatz Internet habe, dabei die erste Tasse Kaffe geniesse. Das Wasser ruhig und fast unbewegt daliegt, die Schiffe sich in einer ganz sanften Welle leicht wiegen. Die Vögel übers Deck tippeln, an einer kleinen Regenpfütze Wasser trinken; wenn sich eine kleine Libelle an der Aloe Vera niederlässt und inne hält; der Boatyard noch schläft und die Crew auf dem Boot an unserer Steuerbordseite noch in der Koje liegt - ich geniesse diese Zeit. Und weiss doch um ihre Endlichkeit.

Stilles Wasser

Stilles Wasser

Wehmut kommt auf, Abschiedsschmerz einerseits, Vorfreude andererseits. Nur noch wenige Tage, dann wird unser Zuhause wieder an Land stehen, aufgepallt und allein gelassen. Ein klein wenig schlechtes Gewissen schleicht sich ein. Das Schiff der Verantwortung anderer überlassen, sich nicht mehr kümmern, weit weg von ihr zu sein - es fühlt sich wie Verrat an. Aber wir wissen; unsere naja gut versorgt und sicher. Und freuen uns schon jetzt auf das Wiedersehen mit ihr. Trotzdem ist es erst einmal ein Abschied, auf unbestimmte Zeit. Die Ungewissheit einerseits, der feste Wille zurück zu kehren anderseits.

Und was erwartet uns in Deutschland? Fotos vom ersten Schnee erreichen uns. Kälte, Winterzeit, Weihnachtszeit. Weihnachtsmärkte, Glühwein, Heizungswärme anstelle von Sonnenwärme. trockene klare Luft anstelle von hoher Luftfeuchtigkeit , die körperliche Aktivitäten einschränkt. Spaziergänge im Schnee, Nebel, kalter Regen, Glatteis - wie lange haben wir das schon nicht mehr erlebt? Werden wir es wirklich geniessen können oder werden wir es verfluchen?

Deutschland im Winter, das wird aber auch hoffentlich bedeuten: Zeit haben, weiter Spanisch zu lernen; Zeit, (m)ein Herzensprojekt endlich voran zu bringen. Zeit für die Familie, für Geschwister, Kinder und Freunde. Treffen mit anderen Seglern, die ebenfalls die Winterzeit hier verbringen; Zeit, um neue Pläne zu schmieden. An einer Fortsetzung unseres Lebens zu arbeiten, mit neuen Bedingungen, neuen Zielen. Zeit, uns körperlich wieder richtig fit zu machen und auch Zeit, tief durch zu atmen, alles zu sortieren, zu ordnen. Zeit, inne zu halten und die vergangenen 4 Jahre Revue passieren zu lassen. Fotos gucken, in Erinnerungen schwelgen. Gedanklich an Plätze zurück zu kehren, an denen wir uns wohl fühlten, wo wir besondere Erlebnisse und Begegnungen hatten.

Eine Zeit des „weisst Du noch….“. Aber auch eine Zeit zu erkennen, was wir wollen, neue Ziele zu definieren. Winter - die Zeit des Innehaltens, des Ausruhens für das Frühjahr, den Sommer. Für die Natur wie auch für uns. Zwangsweise, aber vielleicht gerade richtig. Manchmal braucht es eben einen Schuss vor den Bug, um zu erkennen, das man vielleicht doch nicht auf dem richtigen Weg ist. Wir sind an einer Kreuzung angekommen, Türen haben sich geschlossen, andere werden dafür aufgehen. Es liegt an uns, durch welche wir hindurch gehen.