Nix geschafft und doch geschwitzt

Die Augen brennen – vom Schweiss, der irgendwie permanent hinein rinnt. Meine Augenbrauen, von Mutter Natur als natürliche Schweissbremse vorgesehen, sind scheints viel zu dünn geworden in den letzten Jahren, um diese ihre ursprüngliche Aufgabe noch wirklich meistern zu können. Oder sind sie schlichtweg überfordert mit der Menge, die mein Körper in diesem Klima produziert? Ich jedenfalls wische und wische und es brennt trotzdem.

Der Rücken schmerzt, die Füsse fühlen sich leicht geplättet an – was haben wir heute eigentlich „geschafft“???? Schon das, was auf dem Tagesplan stand. Aber auch nur, weil wir unsere Tagespläne den Temperaturen angepasst haben. Galama heisst das Stichwort. Und trotzdem sind wir immer noch auf der Überholspur, gemessen am Tempo der Einheimischen. Wie kann eine so schmale Frau auf einem Gehweg so viel Platz beanspruchen? Mittig vor uns läuft eine Latina, gegen die sengende Sonne durch einen schillernden Regenschirm geschützt, vor uns her. Gemächlich und keinesfalls schweisstreibend. Der Käptn gibt Gas und überholt die Dame lässig, ich spurte mit meinen kurzen Dackelbeinen hinterher.

Unser Ziel, die Tapizeria Perrera in der Calle 30 (direkt neben der DHL-Station falls es jemand interessiert) erreichen wir relativ schnell. Umwege fördern zwar die Ortskenntnis, werden aber von uns um diese Tageszeit vermieden. Blöd nur, dass wir notgedrungen einen Umweg machen müssen: unser Ziel liegt Luftlinie direkt gegenüber unseres Liegeplatzes. Leider müssen wir aber eine Art Fluss queren, um vom Ortsteil Manga nach Pie de la Popa zu gelangen. Und es gibt nur zwei Brücken, um das Gewässer zu überwinden, beide gleich weit weg vom Ziel. Zumindest laut Google Maps. Gefühlt empfinden wir den einen Brückenweg später dann doch irgendwie als kürzer ….. oder ist er einfach nur abwechslungsreicher, vertrauter???

Egal. Wir schiessen in die Torfahrt der Tapizera und werden prompt mit bösem Gebell begrüsst. Heute ist der kleine Blonde Giftzwerg an einem eingemotteten Auto in der Einfahrt festgebunden. Zum Glück so kurz, dass er unsere Waden nicht erreicht. Der Fellnase traue ich glatt zu, dass er sonst mal reinbeissen würde. Weiter hinten begrüsst uns der Chef des Hauses. Inmitten einem Sammelsurium aus wunderschönen und sehr staubigen Pferdesätteln, alten Nähmaschinen, traumhaft schönen Holzstühlen, Arbeitstischen, Regalen und Vogelkäfigen fertigt German mit seinen beiden Mitarbeitern neue Sitzpolster für unsere Plicht. Und jetzt haben wir unser bisheriges Sonnensegel im Gepäck, als modelo für ein Neues. Der brasilianische Preiswertstoff hat das Ende seines Lebenszyklus erreicht, reisst immer mehr ein und ist doch schon ziemlich durchsichtig geworden. Schlauer geworden sind wir ja nun nicht, daher haben wir auch den hiesigen Billig-Sunbrella erworben. Daraus soll nun ein neues Sonnensegel gefertigt werden.

Radebrechend und mit tatkräftiger Unterstützung eines dicken gedruckten Langenscheidt Wörterbuches sowie dem App-Pendant machen wir German klar, was wir wie möchten. Und wo wir keine Worte mehr finden, geht es halt mit Händen und Füssen irgendwie voran. Jedenfalls haben wir nach gut einer Stunde Schwitzen (trotz Schatten und Ventilator-Abkühlung) das Gefühl, das die Arbeit zu unserer Zufriedenheit erledigt wird. Die neuen Sitzkissen sind auch schon in Arbeit und wir können gleich noch ein paar Fragen dazu beantworten. Läuft!

Soviel Action macht durstig. Links oder rechts? Klare Sache für die Bordfrau: rechts ist doch gleich ein kleiner Bäckerei-Imbiss im Blick und lockt mit blauen Plastikstühlen im Schatten! Nix wie hin. Da sitzen wir dann, mit einem süssen Bollo für den Käptn und einem überraschend leckeren herzhaften für die Bordfrau. Ohne lang zu fragen, dem Instinkt gefolgt und voll zufrieden: eine Kartoffelmasse mit hartgekochtem Ei und etwas Fleisch, alles zusammen kross frittiert. Kalorienbombe hoch 3 aber voll sättigend und gut. Ein Einheimischer läuft vorbei und grinst zu uns her, ein fröhliches, freudiges Grinsen. So als würde er es gut finden, dass wir da sitzen und das essen, was die ganz normalen Kolumbianer eben auch essen, so zwischendurch, auf die Hand.

Hier geht die Calle 30 in die Avenida Herrera über, eine Hauptverkehrsader Cartagenas. Mopedtaxis, futuristisch gestylte Busse, die kleinen gelben Taxis, normale Pkw, wuchtige Pick-Ups und Offroader, exotisch wirkt ein Radfahrer auf einem Faltrad. Stadt abseits der touristischen Plätze.

Derart gestärkt fällt uns der Rückweg leicht und auch der Einkaufsstopp im Carulla-Supermarkt lässt sich gut überstehen. Immer noch stehen die kleinen Tandler mit ihren Ständen auf den Strassen und bieten Obst, Lottoscheine an. Die Kaffeeverkäufer haben ihr Tagesgeschäft schon längst beendet, ihre Zeit ist eher der frühe Morgen. Dann stehen sie vor der Marina und bieten aus unzähligen Thermoskannen Kaffee an. Auch der Eismann scheint seine Kundschaft anderweitig zu suchen oder ist bereits nach Hause.

In der Marina treffen wir die Crew der Vitania, unsere Nachbarn. Der Skipper hat heute etwas zu viel Sonne abbekommen und ist entsprechend wortkarg und müde. Dafür haben wir grosses Verständnis. Suchen wir doch auch hier wieder die Strassenseiten mit dem meisten Schatten und machen unsere Orientierungspausen vorzugsweise ebenfalls im Schatten. Langes Stehen in der Sonne gilt es zu vermeiden, ein Hut oder Basecap ist dringend mitzunehmen. Und trotzdem bleibt immer die Frage, was haben wir eigentlich geschafft heut? Und oft haben wir das Gefühl, nix wirklich geschafft zu haben. Dabei waren wir irgendwie doch einen Grossteil des Tages in Bewegung, haben viel gesehen und erlebt. Aber in Europa, in Deutschland würden wir wahrscheinlich locker das zigfache an Pensum abarbeiten. Es ist einfach affenartig heiss hier und schweisstreibend. Wieviel Schwitz kann ein normaler Mitteleuropäer eigentlich ab, so auf Dauer?