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Montag, 10.02.2014

Der Wind faucht munter und unverdrossen ueber die Bucht von Palmeira. Den Kaeptn hat unser Wasser-im-Schiff-Problemchen schon vor 7 Uhr aus der Koje getrieben. Wolken fetzen ueber den milchig-blauen Kapverdianischen Himmel. Warm ist ja irgendwie auch anders, Gaensehaut und das Verlangen nach dem waermenden Fleecepullover ziehen gleichzeitig auf.

Derweil prueft Kaeptn W den Wasserstand in unserer Motorraumbilge und pumpt 2, 3 Liter Wasser aus selbigem. Immerhin hat er gestern die moegliche Wassereintrittsstelle endlich lokalisieren koennen: Unser Auspuffrohr endet unter Wasser und an der Verbindung von Rohr zu Bootshuelle troepfelt bzw. rinnt es abwaerts Richtung Bilge. Da das Rohr fett mit schwarzer Gummimasse eingepampt und meistens mit irgendwelchem Geroedel zugestellt ist, war uns das bislang nicht aufgefallen. Und da der weg zur Bilge kurz ist, konnte auch durch nasses Geroedel kein Alarm ausgeloest werden.

Nun ist guter Rat teuer. Wir behelfen uns erst einmal damit, dass wir Panterra-Masse dick von innen ums Rohr schmieren. Das Rinnsal wird weniger, versiegt aber nicht.

Ludwig von der Cacique schaut sich unser Elend mal genauer an. Als Bastler und Tueftler kommt er dann auf die Idee, das ganze von aussen abzudichten. Also doch rauskranen?? Aber wo und wie?? Die Moeglichkeiten hier scheinen uns gering und auch nicht sonderlich vertrauenserweckend. Die Maenner sind aber der Meinung, man koenne ein Blech von aussen mit Sikaflex aufpampen um das ganze zumindest vorruebergehend provisorisch etwas dichter zu bekommen. Keine Frage, dass dann ASAP eine richtige Reparatur vorgenommen werden muss. So ein Sch…. — haetten wir das nicht schon auf den Kanaren lokalisieren koennen! Aber jammern nutzt ja nun auch nix, Also saemtliche Energie in Informationstexte und Revierfuehrer der Kap Verden oder Senegal stecken. Vielleicht gibt es ja doch irgendwo eine Moeglichkeit. Und ansonsten — Brasilien sausen lassen und nach Trinidad gehen? Wo es alle Moeglichkeiten fuer Yachten geben soll und auch erfahrerene Handwerker verfuegbar sind?

S’Schiffle zerrt derweil gaenzlich unbeeindruckt von unseren Sorgen und Gedankengaengen heftig an der Ankerkette und schwingt — wenn auch deutlich behaebiger wie die leichteren Kollegen - hin und her. An der Pier werden die rostige Faehre und ein kleines Frachtschiff entladen. Ein Container nach dem anderen schwebt durch die Luft und wird auf den Stapel am Ende der Mole gepackt. Diesem Kran unser Schiff anvertrauen? Ich weiss nicht, da bekomm ich doch gleichmal spontan Bauchweh.

Aber 2000 SM nach Brasilien segeln ohne eine Sofortmassnahme? Auch kein so schoener Gedanke.

Wir werden uns mal vertrauensvoll an Carlos, den hiesigen Trans-Ocean “Point” wenden, vielleicht koennen wir Ludwigs Idee, das Schiff am Heck vom Kran etwas anlupfen zu lassen um dann die Schweissarbeiten durchzufuehren, ja doch hier vor Ort irgendwie umsetzen. Carlos treffen wir — wie meist — am runden TO-Tisch vor Armindas Bar an. Heute ist er in Gesellschaft einiger Niederlaender und wir bekommen wieder einige kurzweilige Geschichten ueber die hier haengen gebliebenen, gestrandeten oder nur kurz verweilenden Segler und sonstigen Besucher Sals zu hoeren. Da sammelt sich einiges an menschlichen Tragoedien und Komoedien an in den vielen Jahren als Trans-Ocean Point in Palmeira. Schade eigentlich, dass er das nie aufgeschrieben hat. Ob wir vielleicht mal einiges aufzeichnen und spaeter in eine textliche Form bringen sollten? Carlos spielt mit dem Gedanken, “in Rente” zu gehen — zumindest als TO-Ansprechpartner vor Ort. Wir sind der Meinung, das sei ein Verlust und arbeiten mit guten Worten und spendiertem Vino tinto daran, dass er es sich nochmal ueberlegt.

Den Rest des Nachmittags verbringen wir mit der Cacique-Crew in Espargos. Der Ort ist seit 2005 doch deutlich gewachsen und wir entdecken eine Kunst- u. Musikschule, einen Kindergarten, eine Apotheke, mehrere Banken und einen “Baumarkt”!!! Der ist am Dachgiebel sogar mit Stacheldraht gesichert — was ja tief blicken laesst. Mehrere kleine Supermaerkte haben ihre Tueren geoffnet, das Sortiment erscheint uns ausreichend, auch wenn einer davon entweder gerade Ausverkauf macht oder eroeffnet hat — jedenfalls sind etliche Regalmeter gaehnend leer und die Kuehltheke ist verhangen. Nix Joghurt, muessen wir also weiterhin auf die selbstgemachte Variante aus Armindas Bar zurueck greifen oder selbst zur Tat schreiten. Dafuer verfalle ich beim Anblick grosser Kochpoette und der obligatorischen Plastikboxen samt passendem Deckel fast in Jubelgeschrei! Welch eine unerwartete Auswahl. Und erst die Badezimmerarmaturen, Fliesen und Farbtoepfe im Baumarkt!! Und da heisst es, es gibt kaum etwas auf den Kap Verden.

Einige Frauen sitzen malerisch im Ort verteilt im Schatten der wenigen Baeume und verkaufen Obst und Gemuese aus kunstvoll verzierten Plastikwannen. Insbesondere die reichlich in der Buette liegenden Bananen wollen an die Frau oder den Mann gebracht werden und werden uns hartnaeckig mehrfach angepriesen. Alles ist hier “Good price” und nicht nur die meist vom Kontinent stammenden Souvenirverkaeufer leiern stereotyp-mehrsprachig ihre Verkaufssaetze ab.

Durstig vom durch die Luft wirbelnden Wuestenstaub stuerzen wir erst einmal in Sivy’s Bar. Hier kann man auch ganz passabel gegrillten Fisch essen. Heute allerdings hat der Koch frei, was zu einer gewissen Qualitaetseinbusse fuehrt — wir haetten das ja nicht bemerkt, aber Rosi & Ludwig hatten wohl schon besseren Fisch auf dem Teller. Jedenfalls kommen wir hier mit Feuerwehr-Udo ins Gespraech. War ja klar, dass ein offensichtlicher wenn auch gebraeunter Europaer, der hier auf Sal einen Hund liebevoll streichelt und anspricht, ein Deutscher sein muss. Udo jedenfalls ist seit vielen Jahren begeisterter Kap Verden-Urlauber und mittlerweile Besitzer eines Appartments auf Sal. Klar kann er uns so einige Tipps geben, ist ihm doch aus das Segeln nicht fremd (wenn auch nicht mit dem eigenen Boot). Ja schade, dass er am Mittwoch wieder nach Deutschland fliegt.

Mit dem vollgestopften Aluguer (ein Fahrgast geht noch — in diesem Fall kann sich eine aeltere, duenne Dame nicht gegen den jugendlich-kraftvollen Fahrgast-Koordinator wehren und wird gegen ihren Willen noch ins Aluguer reingestopft) geht es zurueck nach Palmeira. Natuerlich darf das ins Lenkrad reingequetschte Mobiltelefon des Fahrers ebensowenig fehlen wie das herunter gekurbelte und fuer mehr Staub als Frischluft sorgende Fahrerfenster. Ein aelterer Mann kreuzt unvorsichtigerweise noch die Strasse und wird mit Rufen und Hupen etwas beschleunigt.Der Fahrer lacht viel und unterhaelt sich mit seinen Fahrgaesten. Gezahlt wird beim aussteigen.Und wir lernen, wenn man die Hand hebt und irgendjemand vermeintlich einfach nur freundlich zuwinkt, wird umgehend vorausgesetzt, dass man eine Mitfahrgelegenheit sucht! Fuer den haeufig mit “Haend und Fuess” redenden Kaeptn ist das eine echte Herausforderung. Bin gespannt, wann das erste Aluguer trotz Winken einfach an uns vorbei faehrt, weil “das der immer just for fun winkende Deutsche ist, der ja eh nicht mitgenommen werden will” :-))!

Spaet iss es geworden, ob wir im “Brotladen” noch Broetchen bekommen? Der ist zwar erst ab 16 Uhr geoeffnet aber jetzt haben wir schon nach 18 Uhr. Im kleinen Verkaufsraum stehen neben einer Verkaufstheke auch noch die Bettstatt und andere persoenliche Gegenstaende der Besitzerin. Die sitzt mit Nachbarn vor dem Laden und schaut dem hoffnungsvollen Fussballnachwuchs beim Spiel mit dem schon ziemlich platten Ball zu. Waehrend Rosi und Werner in die Broetchenverkaufsverhandlungen einsteigen schiesst Ludwig einen ins Abseits geratenen Fussball zurueck. Und erntet prompt vom juengsten und kleinsten (ca 2,3 Jahre alt) der hoffnungsvollen Nachwuchsbomber einen sehr kritischen Blick. Das war wohl nicht so ganz im Sinnedes kleinen Mannes. Die unvermeidliche Hundegang ist ebenfalls spielend unterwegs und verteidigt das Revier gegen eventuelle Fremdlinge mit energischem Gebell.Aber immer alles ohne Beisserei. Hier stimmt das normale Rudelverhalten ganz offensichtlich noch.

Willi Gummiwutz hat brav am Strand auf uns gewartet, ist mit keinem Fremden mitgegangen und hat sich auch nix wegnehmen lassen. Die Paddel hatten wir zwar erstmalig und ausnahmsweise bei Arminda geparkt (was natuerlich auch den obligatorischen Zwischenstopp zur Abholung dort zur Folge hat), aber auch sonst ist eben alles noch vollzaehlig vorhanden. Was bislang aber auch an der Pier liegend immer der Fall war. Paddel sind hier allerdings wohl generell beliebt und halt auch leicht mitzunehmen. Entsprechend warnt uns Carlos, nicht zu leichtsinnig mit den evtl mal dringend benoetigten Teilen umzugehen. Ich persoenlich vertraue ja auf den “hier-wird-nix- geklaut”-Bannkreis, den ich um unser Schiff und natuerlich auch ums Dinghi zu ziehen pflege. Klopf klopf klopf an meinen dicken Holzkopf — bislang erfolgreich. Mit vereinten Kraeften wird Willi ins Wasser gehievtund wir schaffen es tatsaechlich vorm Dunkelwerden zu Hause einzutreffen.

Eingeladen sind wir auch noch: An Bord der “La Flaneusse” ist heute ein belgisch (Pierre)-franzoesisch (Valerie et Benoit)-deutsches konspiratives Abendessen anberaumt worden. Es wird ein lustiger, unterhaltsamer Abend der in einem Sprachgemisch von franzoesisch-englisch-deutsch verlaeuft und durch Pierres leckeres Essen gekroent wird. Die La Flaneusse ist ein sehr gemuetliches Schiff, da kann man es gut einige Stunden — noch dazu in so netter Gesellschaft — aushalten und an Gespraechsstoff mangelt es uns wieder einmal nicht! Da aeltere Herrschaften aber bekanntlich nicht mehr ganz so lange ausgehen, machen wir uns kurz nach Mitternacht wieder auf den Heimweg.

Die Nacht ist ausnahmsweise relativ ruhig und windstill — nur so zwischen 13 und 15 Knoten Wind werden angezeigt, erholsamer Schlaf ist somit garantiert.