Stuerme ueberall….

„Wenn wir nach Borkum wollen, muessen wir jetzt los“…mit diesen Worten ueberfaellt mich mein Skipper,  als ich ahnungslos und noch voellig entspannt vom Duschen zurueck an Bord komme.  Ich erbete mir etwas Bedenkzeit in Form eines Fruehstuecks und verstauens aller flugfaehigen Objekte und dann ueberlegen wir nochmal gemeinsam, ob wir hier bleiben wollen oder eben nicht. Norderney ist zwar ein netter und sicherer Hafen, aber wir wollen ja weiter und da die Hafengebuehr nicht gerade als guenstig zu bezeichnen ist, wird nach oder trotz einem Blick auf die Wetteraussichten beschlossen, nach Borkum zu gehen. Der Hafenmeister meint, unser Schiff koenne das wohl ab (uns uebergeht er hoeflich und dezent dabei, erwaehnt aber, dass unser Liegeplatz dann spaeter wohl besetzt sein wuerde…rechnet der etwa damit, dass wir zurueck kommen?….) Von Segeln kann nicht so wirklich die Rede sein, da der Wind aus S-SW und somit ziemlich genau gegenan kommt. Trotzdem gelingt es uns, eine ganze Weile mit der Genua 2 als Stuetzsegel zu fahren. Ausser einem Fischerboot ist kein Schiff weit und breit zu sehen. Dafuer kommen uns dunkle Wolken entgegen, aus denen es blitzt und recht bald auch kraeftig regnet. Der Wind blaest uns mit Staerke 6-7  - und in Regenboen auch darueber - entgegen und die Wellenhoehe nimmt im Laufe unserer Fahrt ebenfalls zu.

Eingemummelt in meine Regenkleidung harre ich hinterm Ruder aus.

Da braut sich was zusammen

Da braut sich was zusammen

 

 

Jetzt bloss nicht tatenlos rumsitzen, womoeglich noch an den diversen Bildschirmen rumfummeln muessen oder unter Deck rumturnen…trotz Einnahme von Zink mit Histidin mag ich dieses Risiko an meinem 3. Seetag und bei den herrschenden Wetterverhaeltnissen nicht eingehen. Ich verweigere Nahrung und Trinken und denke trotzdem des oefteren ernsthaft ueber die Anschaffung bestimmter Produkte nach….

Die Genua muss dann doch irgendwann auch ganz weg genommen werden, zu sehr von vorn kommt der Wind jetzt. Und das ist auch gut, denn kurze Zeit spaeter kommt eine Regenwand auf uns zugewalzt, der Regen peitscht waagrecht uebers Wasser, fegt die Wellen platt und nimmt mir foermlich den Atem. Reflexartig versuche ich zu fliehen, indem ich einige Grad vom bisherigen Kurs abfalle. Werner – im Niedergang stehend – bleibt ganz ruhig und meint, ich solle erstmal wieder auf Kurs gehen. Erschrocken konstatiere ich, wie sehr ich vom Kurs abgekommen bin.

Die ganze Aktion dauert nur wenige Minuten, wird mich aber gedanklich noch laenger verfolgen.

Die Wellen sind mittlerweile hoeher geworden, von der Frequenz aber gut zu nehmen. Ganz anders wie in der Elb- und Wesermuendung. Trotzdem ein komisches Gefuehl, wenn man die Teile aus bestimmten Perspektiven anrollen sieht.

Als sie noch mehr querab kommen, wuerde ich lieber einen anderen Kurs laufen. Aber der Skipper weist mich energisch ein und dirigiert mich zu bestimmten Tonnen des Ems-Fahrwassers. Immer wieder werde ich gefragt, ob ich diese oder jene Tonne denn nicht sehe….nein, ich sehe so gut wie nix mehr! In meinem Gesicht haengen mir die wild gewordenen und salzwassergebeutelten „Fransen“ (wie meine Mama zu sagen pflegte), in meinem rechten Auge beisst das Salzwasser, auf meinen Brillenglaesern hat sich ein ansehnlicher Salzwasserschleier gebildet. Ich bin froh, dass ich den Kompass erkenne und weiß, wo mein Schiff aufhoert. Gruene Tonnen in dunklem Wasser vor regendunklem Himmel – das ist zuviel fuer meine Optik! Der Skipper wird ungeduldig und ist genervt ob meiner staendigen Fragerei, wohin ich denn jetzt fahren muesse. Ich sei schlecht vorbereitet, ob ich mir denn nicht mal die Karte angesehen haette. Nein, habe ich nicht, wann auch. Fuehle ich mich doch in den letzten Tagen irgendwie mehr auf der Flucht wie auf Dauerurlaub: mitten in der Nacht aufstehen, laenger wie einen Tag nirgendwo bleiben, 1000 neue Dinge ansehen, mit Programmen und Geraeten arbeiten, die ich bis dato nur von ferne gesehen habe…! Und ueberhaupt bin ich grad viel zu sehr damit beschaeftigt, mit den Wellen zu tanzen, das Schiff zu steuern und nicht von den eigenen Beinen gerissen zu werden. Da soll ich auch noch Tonnen suchen….

Irgendwie schaffe ich es doch noch, im Emsfahrwasser auf den gewuenschten Kurs zu kommen und kann sogar einige gruene Tonnen rechtzeitig erkennen. Zwischen den Inseln wird die Wellenfrequenz deutlich angenehmer und geringer. Ich wage es, um Abloesung zu bitten und trete den jetzt langsam unvermeidlichen Gang unter Deck an. Geht sogar ganz gut, auch wenn das aus- und anziehen der ganzen Montur unendlich lange zu dauern scheint. Kurz vorm Wechsel von einer Fahrwasserseite auf die andere walzt dann nochmal eine Regenfront ueber uns durch. Obwohl nur ein schwacher Abklatsch von der vorherigen, nimmt sie uns fuer kurze Zeit auch etwas die Sicht. AIS, Navigationsprogramm und die letzte Kompasspeilung zur naechsten Tonne helfen uns aber, sicher auf die andere Seite des Fahrwassers zu wechseln. Dann sind wir auch schon in der Einfahrt zum Borkana-Hafen.

Wir machen an einem der alten Stege fest, die frueher von der Marine genutzt wurden. Hier stuermt es auch noch ganz gut, unser Bug wird kraeftig gegen den Steg gedrueckt, waehrend unser Heck weg will. Dieses Schiff treibt mich festmachetechnisch manchmal in die Verzweiflung. Der Skipper steht mit einem Tampenende untaetig am Steg, ich mit einem anderen ebenso taten- und ratlos auf dem Schiff. Lange Leinen seien angesagt, werde ich angeraunzt, schliesslich sei das hier ein Tidenhafen. Ob ich denn nicht mehr wisse, wie wir auf Helgoland festgemacht haetten. O.k. dann also einen dicken Fender vorne an den Bug und erstmal schauen. Irgendwie schaffe ich es, in meiner Michelinmaennchenmontur dann auch noch auf die Betonpier. Die Fender aechzen und quietschen. Wir versuchen das Ganze mit dem Fenderbrett etwas abzudaempfen.

Unter Deck erwartet mich das naechste Chaos: ueberall ist Wasser durch gekommen, die Buecher stehen kurz vor der Flutung, die Polster sind nass, auf den Bordenbrettern laufen kleine Rinnsale.

Zu allem Ueberfluss ergiesst sich noch ein Glas Langwedeler Bier ueber den Tisch, Polster und Boden – eine gelungene Mischung. Das Abendessen verlaeuft schweigend (ich muss meine Emotionen in den Griff bekommen meint der Skipper) und ich verziehe mich schon bald in die (erstaunlicherweise trockene!) Koje, waehrend ER seinen Frust mit Kekskonsum bekaempft.

Mitten in der Nacht, ohne Wecker aber puenktlich zum Hochwasser werde ich wach und kontrolliere das Geschehen rund um Fender und Festmacher. Erstaunt stelle ich fest, dass wir laut Logge gute 2 Meter Wasser mehr unterm Kiel haben, unser Schiff aber immer  im Verhaeltnis zum Steg nicht hoeher liegt….wohl doch ein Schwimmsteg. Einen in diesen Dimensionen kannte ich bis dato nicht, Werner wohl auch nicht. Eine innere Kontrolluhr treibt mich dann zum Niedrigwasser nochmal hoch: gleiches Ergebnis. So legen wir die Leinen also spaeter noch etwas um, und unser Bug haelt endlich etwas mehr Distanz vom Steg. Leider koennen wir den Druck von den Fendern nicht abmildern, da wir bloederweise beim Anlegen die windzugewandte Seite des Steges gewaehlt haben. Zusammen mit dem Schwell, der sich durch Wind und vorbeifahrende Faehrschiffe hier im Hafen aufbaut, liegen wir entsprechend unruhig. Und laut Wetterbericht soll es nicht besser werden!

Wir legen also einen Hafentag ein und fahren zusammen mit Unmengen von Touristen mit der Kleinbahn vom nahe gelegenen Faehranleger in den Ort Borkum.

In der Fussgaengerzone von Borkum

In der Fussgaengerzone von Borkum

 

 

Shoppen und Sightseeing ist angesagt. Shoppen heisst bei uns allerdings: die Suesswarenvorraete der diversen Supermaerkte werden gepluendert und die Qualitaet der diversen Baeckereien getestet. Aber auch die Schaufenster und Angebote der sonstigen Geschaefte werden dieses Mal inspiziert.  Noch etwas Kultur: neuer Leuchtturm, alter Leuchtturm, Strandpromenade, Zaun aus

Der neue Leuchtturm in Borkum

Der neue Leuchtturm in Borkum

Walfischkinnladen, Walfängerfriedhof

Zaun aus Walfischkinnladen

Zaun aus Walfischkinnladen

 

 

 und der alte Ortsteil Borkums gefallen uns gut. Zu Fuss geht es ortsauswaerts: Markant und Lidl locken hier noch zu einem Besuch. Den Rest der immerhin mehr wie 6 Kilometer von Borkum-Ort zum Hafen legen wir dann mit dem Linienbus zurueck.

Kaffeepause an der Bushaltestelle

Kaffeepause an der Bushaltestelle

 

 

 

 

 

Wenn sich schon die Winde draussen nicht gelegt haben, so ist doch der Sturm an Bord beigelegt und die Stimmung wieder friedlich und versoehnt. Wir raeumen alles wieder ein, verstauen unsere Einkaeufe, legen im Navigationsrechner die naechsten Routen fest und finden Zeit fuer Emails, Website und Fotos. Morgen kommen dann ein paar Arbeiten an Deck dran, ich will mich wieder mal dem Funkgeraet widmen, der Wetterbericht hat uns beschliessen lassen, noch einen Tag laenger hier zu bleiben.

Unser Schiff im Hafen von Borkum

Unser Schiff im Hafen von Borkum