Der Wind heult sein schaurig-trauriges Lied in den Wanten. Nicht in meinen! Hier hinten, am Ende des Boatyards trommelt nur der Regen ein sanftes Lied auf die Kuchenbude, auf die Luken. Stockduster ist es um uns herum. Hierher verirrt sich noch nicht einmal das Licht der Strassenlaternen. Fallen klappern an den Masten anderer Boote. Bei uns ist es mucksmäuschenstill. Zu still. Meine Nachbarinnen und ich hüllen uns in Schweigen. Wir haben uns nichts zu sagen, hängen unseren Gedanken, Träumen nach. Träumen von vergangenen Tagen und von denen, die da hoffentlich noch kommen werden. Ob wir wohl auch so enden wie die Kolleginnen etwas weiter vorn? Abgestellt, vergessen, abgeliebt-ungeliebt, ungepflegt, langsam verrottend oder gar ausgeweidet? Ich wünsche mir, es wäre anders. Ich würde so gerne an meiner Ankerkette rucken und zucken. Mich im Kreis drehen, je nach Strömung und Wind. Mich wiegen in den Wellen und meine Crew in den Schlaf schaukeln. Stolz meine Segel ausrollen und im Wind blähen. Fahrt aufnehmen und den Bug durchs Wasser schneiden lassen. Delfine jagen oder mich jagen lassen. Um die Wette durch die Chesapeake Bay pflügen. Andere Ankerbuchten und Häfen kennenlernen. Den Erlebnissen anderer Segelyachten lauschen und meine Geschichten erzählen. Jetzt, wo mir so viel Last aus meinem Bauch genommen wurde, könnte ich leicht und schwerelos dahin gleiten und zeigen, was wirklich in mir steckt. Zeigen, wie schnell ich sein kann, wenn ich nicht so viel Gerümpel in meinem Bauch habe. Unnützes Zeug, das wie Steine in mir liegt und mich träge macht. Und das jetzt in einer kleinen Garage unweit meines Stellplatzes vor sich hin dämmert. Hoffentlich kommt keiner auf die Idee, das alles wieder in mich rein zu wuchten. Ob da wohl bald mal einer kommt, der mich segeln möchte? Der mit mir wieder unterwegs sein wird, neue Abenteuer erleben und mich genauso lieben wird wie meine jetzigen Menschen? Ist doch nur ein Schiff, ein Ding, ein Gegenstand. Das benutzt man, das liebt man nicht meint ihr?? Oh nein, das ist nicht so. Da fragt mal meine Bordfrau. Die wird euch da was ganz anderes erzählen. Und ich sowieso. Wo wir gerade dabei sind: die Bordfrau hat einen Bericht über mein früheres Leben im HVS gefunden und gleich mal abfotografiert. Das waren Zeiten! Aber ich will nicht meckern, die letzten Jahre waren auch nicht schlecht und ziemlich erlebnisreich. Ich kenne jetzt Ecken dieser Welt, die ich vorher nicht kannte.