‚Florence‘. Ein lieblich klingender Name, weich, duftend. Eine Verheissung nach Blüten, nach Sinnlichkeit, Weichheit, Weiblichkeit, Anschmiegsamkeit - Florence eben. Ja, ein Weichspüler könnte so benannt werden.

Oder eben ein Hurrikan. Florence. Im September 2018 im Anmarsch auf die Küste Amerikas. Auf die Ostküste, um ganz genau zu sein. Und noch genauer: Carolina, South und North liegen genau in der Bahn und werden aller Voraussicht nach am meisten von Florence’s „Anschmiegsamkeit“ betroffen sein.

Deltaville liegt weiter nördlich, in der Chesapeake Bay. Wir haben diesen Ort gewählt, weil wir - naiv wie wir nun mal sind - dachten, hier kämen keine Hurrikane her. Übersehen haben wir dabei irgendwie, dass solche Naturgewalten durchaus ihren Weg in die Nähe finden, zuletzt 2016, davor 2003. Viel Wind, Überschwemmungen, Stromausfälle sind die Folgen.

Und nun ist also Florence im Anflug, streckt ihren rechten Flügel drohend nach Deltaville aus. Seit Tagen drehen sich alle Gespräche mehr oder weniger um die aktuellen Wetterberichte, Hurrikanwarnungen und Notfallpläne. Das Boot im Wasser lassen, weiter nach Norden Richtung Annapolis segeln, vor Anker gehen, sich mit dem Travellift noch schnell an Land stellen lassen, an Bord bleiben, das Weite suchen etc. etc. Wir kreiseln und kreiseln und kommen letztendlich zu keinen wirklichen Ergebnissen.

Die „Experten“ sagen, es ist noch zu früh, um ganz konkrete Massnahmen zu ergreifen. Wir seien mit unserem Schiff sehr sicher auf dem Boatyard. Klar, wir stehen in der letzten Ecke und bei den zuletzt gemessenen 32 Knoten Wind auf einem anderen Boatyard hat es bei uns noch nicht einmal den Feudel (Putzlappen) von der Leine geweht.

Wir bleiben also entspannt, füllen aber doch noch einmal alle Wasserbehälter auf, prüfen unsere Vorräte und beschliessen, das es auch eine gute Zeit für eine Diät sei. 10 Tage ohne Essen kann Mensch locker überleben, 10 Tage ohne Wasser eher nicht. Taschen mit dem Wichtigsten werden gepackt, das Bettmobil ist eh vollgetankt, wir können also auch flüchten. Aber flüchten?? Unseren Panzerkreuzer Jähzorn seinem Schicksal überlassen?? Etwas in uns sträubt sich gegen diesen Gedanken. So werden auch wir Fans von NOAA, dem Hurrikan- und Sturmwarnungsdienst. Unter Seglern allgemein bekannt. Beschäftigen uns mit „Spaghettimodellen“ und ziehen unser geliebtes Pocketgrib zu Rate.

Der Kran ist währenddessen im Dauereinsatz, ein Schiff nach dem anderen macht an der Pier fest, um sich an Land hieven zu lassen. Auch vor unserer Nase wird so ein Flüchtling geparkt und fast wäre ich beim morgendlichen Ausparken mit diesem Schiff kollidiert. An Land mit dem Auto ein Schiff rammen - wie peinlich wäre das denn!! Also ab jetzt Augen auf, Warschau!!!

Eigentlich müssten dem Werftmanager ja die Dollarzeichen im Auge stehen, so viele unverhoffte Kunden. Stattdessen schwitzt und schnauft er, sieht leicht genervt aus und ist auch kein geeigneter Gesprächspartner für ängstliche Skipper, die nicht wissen, was sie tun sollen. „Its up to you“ grunzt er unsere Freunde an, die angesichts dieser Antwort sichtlich konsterniert sind. Wir können ihn schon verstehen. Kurz vor (endlich) Feierabend) zum x-ten Male diese Frage zu beantworten, dazu gehören Nerven wie Drahtseile.

Die Officedame hat schonmal die Gummistiefel angelegt und macht Testläufe über den Steg. Eine Liste mit den Kranwilligen in der Hand. Für die Freunde ist keine Möglichkeit mehr vorhanden, zu viele Boote haben sich schon vorher angemeldet. Ein Liegeplatz weiter hinten am Schwimmsteg erscheint eine gute Option.

So viele Menschen haben wir hier in der Marina und auf dem Boatyard bislang noch nicht zu Gesicht bekommen. Und alles wegen Florence!