Monats-Archiv April, 2018

Begegnung der rührenden Art

Da steht sie vor uns, gut einen Kopf kleiner als ich, weisshaarig und zu Tränen gerührt. Weil Werner ihr unsere Geschichte erzählt hat, welche Länder wir besucht haben, seit wann wir mit dem Boot unterwegs sind und was uns letztendlich hierher in die Fishingbay gebracht hat. Alles zwischen Waschmaschine und Dusche unterm Patiodach am Pool der Fishingbay Marina. Joyce heisst sie und sie heult so sehr, das ICH SIE in den Arm nehme und tröste…… Wenn das ihr Mann jetzt auch alles hören könnte.

Jetzt beschäftigen wir uns wieder mehr mit Landkarten anstelle von Seekarten

Jetzt beschäftigen wir uns wieder mehr mit Landkarten anstelle von Seekarten

Dann erzählt sie etwas von sich, das sie jeder ein Haus haben, ihres steht in New Hampshire. Da möchten wir auch hin, wir schwärmen uns gegenseitig was vom Indian Summer vor, ich erzähle vom Indian Summer in Deutschland, der vielleicht nicht ganz so glühend, nicht ganz so rot ist aber auch schön und eindrucksvoll - Je nachdem, wo man ihn gerade erlebt in unserem Heimatlatland. Steve, ihr Mann und sie wollen jetzt jedenfalls Richtung Süden, nach Florida. Über den ICW. Eigentlich ja die verkehrte Zeit, kommen doch jetzt die Boote alle vom Süden hoch, hierher in den Norden?! Aber hier ist es ihnen grad noch zu kalt, knacken die Gelenke zu sehr. Der Winter war lang und der Sommer lässt hier in der Chesapeake Bay ungewöhnlich lange auf sich warten. Das Auto ihres Vaters nutzen sie hier und das wollen sie dann auch in den Süden holen, damit rumfahren, darin schlafen. Wie wir das vorhaben. Eine Strassenkarte wäre doch hilfreich bei den Überlandfahrten, für den grossen Überblick. So eine Art Übersegler halt für die Kapitäne der Asphaltrouten. Wir nicken zustimmend.

Am Abend klopft es ans Schiff. Steve und Joyce stehen auf dem Steg. In der Hand einen grossen Strassenatlas von Walmart. Den bekommen wir geschenkt. Und erzählen noch einmal, dies Mal für Steve exclusiv. Und Joyce nickt strahlend zu allem was wir sagen. So beautiful, what an experience, what an adventure! Wir sind ein klein wenig verlegen, das machen doch so viele.

Aber die Segler hier aus dem Norden, die segeln oft nur in ihren Buchten (auch wenn diese zugegebenermassen sehr gross sind), auf den Seen. Und wenn man den Atlantik überquert hat, dann heisst das oft, von Florida zu den Bahamas und wieder zurück. Der Rest des Weges wird auf dem ruhigen ICW zurück gelegt, Inland und unter Maschine. Sicher vor den hohen Atlantikwellen und dem bösen Norder. Und wir, die wir von Deutschland nach Brasilien, in die Karibik und dann irgendwie hierher gesegelt sind, sind für sie Exoten, Abenteurer. Komisches Gefühl für uns, sehen wir uns doch überhaupt nicht so.

Steve und Joyce, eine Begegnung, die sich ganz tief in unser Herz und unser Gedächtnis eingegraben hat, die wir nicht vergessen werden. Danke Euch Beiden, für dieses warm welcome. Für ein kleines Geschenk, das bei uns ganz gross ankam. Denn Geld für den Atlas durften wir nicht geben, das sei ein Willkommensgeschenk - welcome in the United States. Wir sind ge- und berührt, ganz tief drin.

Fotos zum Kilmarnock Bericht vom 20.04.2018

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Ich steh kopf: ASBACH URALT in einem kleinen Ort in Virginia, im Schnapsladen! Und warum das bemerkenswert ist? In der Weinbrennerei Asbach in Rüdesheim habe ich meine Ausbildung- und späteren Berufsjahre verbracht.
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Spirituosen haben viele Jahre meines Berufslebens geprägt. Unter anderem auch der Captain Morgan Rum. Der nach dem Besuch der Insel Providencia, wo Captain Morgan einige Jahre seines Piratenlebens verbracht hat, noch interessanter ist.

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Eines von vielen, netten Geschäften in Kilmarnock. Der Herr, der da die Tür aufreisst, ist uns bereits an anderen Plätzen im Ort begegnet.

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Terrasse des Cafés in Kilmarnock. Wir würden ja eine andere Möblierung vorziehen, mehr so typisch amerikanisch mit den bequemen Holzstühlen oder vielleicht sogar Schaukelstühle? Wir haben da schon einige nette Exemplare in einem Geschäft hier im Ort entdeckt. Gut, das wir hier kein Haus haben!

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Kunst im Caféhaus Garten, Eines von mehreren Objekten

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Relax - setzt man sich auf die Ledersessel, sinkt man langsam - Step-by-Step - tiefer. Und hofft nur noch, das man irgendwann auch wieder raus kommt aus den bequemen Teilen.

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Noch mehr Kunst vorm Café in Kilmarnock

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Da Misses doch : Michl hat das Caféhaus entdeckt!P1040470.jpeg

P1040469.jpegTypisches Virginia-Haus Haus in Kilmarnock

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Hier kann man sich mit den neuesten Nachrichten in Schriftform versorgen
Und hier kann man locker in einen Kaufrausch verfallen - zumindest wir Frauen. Gut, das die Geldbörse da eine gewisse Beschränkung auferlegt …. und die Blicke der begleitenden Herren :-)

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Papier in seiner schönsten Form, liebevoll gestaltet und bedruckt. Vom kleinen Notizzettel bis zum Geschenkpapier, hier kann man schwelgen. Fast zu schön, um benutzt zu werden

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Museumsstücke - im kleinen Museum von Kilmarnock (Eintritt frei) sind viele Gegenstände aus dem Alltag der Bewohner ausgestellt. Und Baseball spielt eine grosse RolleP1040428.jpeg

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Das Museum von aussen. wenn wir die ältere Dame richtig verstanden haben, ist es ihr Elternhaus und auch ihre Grosseltern haben hier schon gelebt. Und die Urgrosseltern. Da sich das Museum nur in den unteren Räumlichkeiten befindet, wohnt sie bestimmt auch noch hier, im oberen Stockwerk. Und wer wird sich wohl mal um das Museum kümmern, wenn sie nicht mehr ist??

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Kilmarnock

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Kilmarnock

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Für uns eigentlich selbstverständlich, Hände waschen nach dem Besuch der Toilette. Hier wird sowohl mit solchen Hinweisschildern, als auch in Form von Liedbeschallung und bildhaft darauf hingewiesen. Damit es auch ja jeder mitbekommt

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Im Treppenhaus des Cafés hängen viele solcher alten Werbeschilder - herrlich!

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Gemtütlich - auch wenn es nicht ganz an das Flair des Cafés in Key West rankommt.

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Kunst an der Wand und auch die Stühle davor haben was von KunstobjektenIMG_0599.jpeg

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Wir folgen Claudi auf Schritt und Tritt durch Kilmarnock. Sie weiss, wo’s lang geht. Und ich geniesse es, mal einfach nur hinterher laufen zu können und nicht den Wegweiser zu machen

Kilmarnock

Kilmarnock - liegt doch in Schottland oder nicht? Ja, auch. Aber hier in den USA gibt es auch ein Kilmarnock. Man suche in Gockel Bitteschön mit dem Zusatz “Virginia”. Und erfährt, das dieser Ort bereits seit ca. 1600 existiert, aber als Kimarnock erst zwei Jahrhunderte später benannt wurde. Heute gibt es viele Geschäfte, richtige Kreuzungen mit Ampelanlage (wir müssen das erwähnen, weil es in Deltaville so etwas eben nicht gibt), ein Museum und ein nettes Café. Nicht zu vergessen den Schnapsladen, den Supermarkt Tru-Value und den NN-Burger Laden. In dem gibt es eigentlich die besten Burger der Staaten. Frisch zubereitet, das Fleisch auf einem richtigen Grill überm Feuer gebrutzelt. Und wem schmeckt er nicht, wer gibt nach knapp der Hälfte auf und überlässt mir seinen (zugebenermassen etwas fader als meiner schmeckend) Burger? Natürlich, der Skipper! Der ist echt kein Fall für einen Burgerladen. Auch wenn man hier ohne Käse und ohne Sauce wählen kann.

Bevor wir die gastliche Stätte verlassen, suchen wir noch die Toilette auf. Warum ich das erwähne?? Na, andere Länder, andere Toiletten-Sitten :-). Ich kann mich kaum halten vor Lachen, als ich wieder rauskomme, Michl und Claudia grinsen mich wissend an: auf der Toilette ertönt via Bewegungsmelder ein Lied mit dem sinnreichen Text “Wash your hands, wash, wash, wash your hands ……”. und dazu wird man per Foto (für die Analphabeten) und Text auf dem Spiegel ebenfalls daran erinnert, dass man zumindest als Angestellter bei NN Burger vor dem Verlassen der Räumlichkeiten Bitteschön die Hände waschen soll.

Als nächster Punkt steht der Museumsbesuch an. Eine ältere Dame freut sich riesig, das gleich 4 Besucher den Weg in ihr Haus finden. Und dann auch noch aus Deutschland. Obwohl ja schon einige Gäste aus Europa sich das Museum angeschaut haben. So auf Anhieb findet sie im Gästebuch allerdings keine Exemplar dieser Besuchergattung. Im Museum sind einige skurrile Gegenstände ausgestellt und wir erfahren, dass der Ort 3x ziemlich abgebrannt ist. Zuletzt in den 50er Jahren. Heute gibt es zum Glück eine effiziente Feuerwehr und seither ist wohl auch nix mehr passiert

Auch wenn die Fassaden der Häuser nicht mehr original sind, hat man sich doch bemüht, einiges im alten Stil wieder aufzubauen. Vor einigen Geschäften stehen überdimensionierte Gummistiefel, bunt bemalt und mit allerlei Zierrat aufgepeppt. Eine Hommage an die schwere Arbeit der Fischer, die bei jedem Wetter hinaus fahren, damit die Bewohner rund um die Chesapeake Bay fangfrischen Fisch, Krabben und Hummer auf den Tisch bringen können. Das Markenzeichen der Fischer sind wohl weisse Gummistiefel, die hier aus Gips vergrössert nachgebastelt und zur künstlerischen Entfaltung frei gegeben wurden. Insgesamt 15 Exemplare findet man davon in Kilmarnock und der näheren Umgebung, ein Paar soll auch vorm Deltaville Maritime Museum stehen.

Michel erinnert sich an ein Café am anderen Ende des Ortes und findet es auch tatsächlich. Wir fallen in weiche, caramellfarbene Ledersessel und sinken und sinken und sinken ….. komme ich hier ohne Hilfe auch wieder raus??? Bequem sind sie aber, die Sitzgelegenheiten und wir sitzen relaxt mit Blick auf ein wirklich schönes Gemälde. Das ein dezentes Preisschild aufweist: 4.850 USD! O.k, es ist ein tolles Bild, aber so viel Geld dafür ausgeben??

Um den nächsten Klamottenladen, der sicher auch noch Deko oder netten Modeschmuck im Angebot hat, machen wir sicherheitshalber einen Bogen. Auch wenn der nette Herr, der just in dem Moment aus der Ladentür stürzt, als ich auf den Auslöser der Kamera drücke, uns gleich zu einem Besuch einlädt. Wir seien doch jetzt schon in fast allen Geschäften des Ortes gewesen, da könnten wir diesen nicht auslassen. Oh my Godness, man kennt uns also auch schon hier in Kilmarnock! War ja klar, hier sind nur wenige Menschen zu Fuss unterwegs, da fällt man einfach auf.

Noch ein Besuch beim örtlichen Spirituosenhändler Der zu meiner grossen Überraschung auch ASBACH URALT im Angebot hat! Made in Rüdesheim, früher zumindest mal. Und viele Jahre mein Arbeitgeber, lang ists her. Wer in diesen Läden nicht fündig wird, der ist definitiv Antialkoholiker oder knapp bei Kasse. Denn einige der Spirituosen schlagen mit ziemlich vielen Dollars in die Bordkasse, wenn wir sie denn kaufen würden. Wollen wir aber nicht.

Bevor wir den netten Ort wieder verlassen geht es noch schnell in den hiesigen Supermarkt. Eiiiigentlich wollten wir ja nur unsere Aufbackbrötchen Vorräte aufstocken. Aber getreu dem Motto “kaufe wenn es gibt, dann hast Du in der Not” wandern noch einige andere Artikel in den Korb und der Skipper darf sich auf ein Gulaschgericht seiner Wahl freuen. So als Wiedergutmachung für die heutige Burger-Schlappe die er erlitten hat.

Zurück geht es über kleinere Seitenstrassen. Mit Blick auf endlose Pferdekoppeln; auf Zäune, die nicht wirklich etwas einzäunen (weil erhebliche Bestandteile fehlen), auf viel Wasser und den Rappahanock River. Über den führt eine Brücke und das Wasser ist deutlich ruhiger als auf der Herfahrt. Der Wind hat sich gelegt, die Temperaturen sind etwas höher geklettert. Der Frühling tut sich schwer hier an der Ostküste Virginias und doch sieht man den deutlichen Unterschied in der Vegetation. Es blüht vieles, das Getreide spriesst und die Bäume wirken auch schon grüner.

Stove Point Neck

Von Natur aus neugierig und schon ganz erpicht darauf, die andere Seite „unserer“ Bucht hier etwas genauer zu erkunden, überrede ich den Skipper nach einem voluminösen Mittagsmahl zu einem Spaziergang.

Wir runden die Marina und gehen den Uferweg entlang. Das erste Stückchen kennen wir schon, trotzdem ist es schön, hier entlang zu gehen, den Blick auf die Fishingbay, auf die Nester der Ospreys, aufs Schilf, den Boatyard und die Marina und unser eigenes Schif.

Und natürlich auf die Häuser, die hier stehen Und hier stehen viele Häuser. Mit meist beneidenswertem Blick auf irgendein Stück Wasser. Sei es die Fishingbay, oder den Piankatank River oder den recht kurzen, dafür umso ruhigeren Jackson Creek.

Hier ist unter auch der Fishingbay Yachtclub mit seinen Stegen ansässig. Vorm Clubgebäude (es gibt sogar zwei, ein Hauptgebäude und ein was auch immer Gebäude) stehen viele Jollen auf Trailern und zeugen von der einer lebhaften Segelszene. Eine einsame Yacht ankert mitten im Creek, am Heck weht die niederländische Nationale. „Zwerver“ … irgendwie kommt mir das Schiff bekannt vor …..

Eine Dame mit Hund kommt uns entgegen. Die freundliche Labbidame wird zwar sicherheitshalber angeleint, darf uns dann aber doch Hallo sagen. Ganz verliebt guckt sie mich an, (oder ich sie?),die würd ich wohl mitnehmen. Das Frauchen wohnt die meiste Zeit des Jahres hier, hat ein Haus weiter hinten (vage Bewegung in die entsprechende Richtung). Ob wir von dem Boot seien, das dort hinten vor Anker liegt?? Wo zum Geier steht, das wir Segler sind?? O.k. ich trage meine olle Seglerhose (die so schön bequem ist) aber ansonsten …. andererseits: Tourismus gibt es in Deltaville keinen und woher sollen fremde, mit einem Fotoapparat bewaffnete Menschen schon herkommen, wenn nicht von einem Boot? Wir unterhalten uns noch etwas über AIS-Systeme (sie guckt immer gerne, wer von ihren Freunden wo unterwegs ist) und verabschieden uns freundschaftlich. So ist das hier in den USA: man kennt sich nicht, winkt sich aber zu wie langjährigen Bekannten und spricht auch so miteinander. Etwas ungewohnt, aber nett. Tiefgang erwarten wir zwar keinen von den Gesprächen, aber es ist trotzdem eine schöne Eigenart und kommt unserer Kommunikationsfreudigkeit sehr entgegen.

Der Skipper schwächelt an einer Weggabelung, mich zieht es aber bis zum bitteren Ende. Einmal dahin gucken, wo wir entlang gesegelt sind. Einmal einen Blick vom Stove-Point-Neck auf den Rappahannock werfen. Also tigere ich die Stove-Point-Road entlang.

Links und rechts immer wieder sehenswerte, aber zum Grossteil grad nicht wirklich bewohnte Häuser. Boote aller Art sind auf den Grundstücken geparkt. Der oft vorhandene Pool ist extra eingezäunt und viele Grundstücke sind liebevoll gestaltet. Andere dagegen wirken eher puristisch, punkten aber mit absolut freiem Blick auf den Rappahannock bzw. die Chesapeake Bay. Sogar unbebaute Grundstücke leisten sich manche.

Graue Hörnchen und rote Kardinal-Vögel kreuzen meinen Weg. Am blauen Himmel schwingt sich ein Fischfalke in die Höhe und kreist über den Bäumen, demonstriert eindrucksvoll die Spannweite seiner Schwingen. Ein zitroniger Duft steigt aus einem Busch auf, rosa und weisse Blütenträume entwickeln sich in den Gärten und bezaubern den Betrachter. Kein Mensch bewegnet mir zu Fuss, vereinzelt fährt ein Auto die schmale Strasse entlang und einmal kommt ein Fahrradfahrer

Die Wellen haben weisse Schaumkronen und rauschen laut ans Bayseitige Ufer, ein Segelboot liegt vor Anker und wippt heftig mit seinem Bug. Warum der wohl ausgerechnet da ankert?? Ob wohl von hier aus jemand unsere Positionslichter gesehen hat, als wir ankamen?

Stove Point selbst bleibt mir verwehrt. Die letzten Meter sind natürlich „Private property“ und auch wenn das Haus unbewohnt wirkt, halte ich mich an das Verbotsschild. Ich möchte ja nicht erschossen werden. Denn laut Erzählungen unserer Freunde fackeln die Amerikaner nicht lange, wenn es darum geht, ihr Eigentum gegen zudringliche Fremde zu verteidigen. Das Tragen von Schusswaffen sei hier gang und gäbe und der Gebrauch derselben ebenfalls. Also bleibe ich schön auf der Straße und wage nur ab und zu einen Blick über die Zäune.

Sein letzter Sommer unter Segeln?

Der Kran rollt an. In den Gurten hängt ein Segelboot. Weiss, schlank, hübsch anzusehen, mit einem traditionellen, schmalen Heck.  An sich ja noch nix besonderes. Auf der Ladefläche eines Pick-Ups  sitzend lässt ein älterer Herr die Beine baumeln. Gehüllt in einen weissen Sportanzug, Kapuze übern Kopf sitzt er da und schaut zu. Auch soweit noch nix besonderes.

Zwei auch nicht mehr ganz so junge Männer sind mit dem Kranteam zugange und halten die Leinen fest, als sich die Gurte lösen.

Dann kommt der älter Herr im hellen Anzug angetappert, links und rechts gestützt von zweien der Männer. Mühsam wird er an Deck gehievt, der Relingsdraht ist nicht niedrig und flexibel genug. Irgendwie schaffen sie es aber dann mit vereinten Kräften und der Herr steht an Deck. Schlurft langsam nach hinten, nimmt im Cockpit in einer Ecke am Steuerrad Platz.

Dann legt das hübsche Boot ab. Die beiden jüngeren Männer stehen an Deck, handeln die Leinen. Die Kommandos kommen von hinten. Das Gross geht hoch und dann segeln sie langsam aus der Fishingbay.

Soweit so immer noch nicht etwas Besonderes?

93 Jahre ist der Herr am Ruderrad. Es werde wohl sein letztes Jahr an Bord seines Schiffes sein, meint der Kranführer. Krank sei er nicht, aber halt alt und gebrechlich - und letzteres unübersehbar.

Aber wenn er sitzt, so am Ruder seines Schiffes, dann sieht man das nicht. Dann ist er noch fit und steuert sein Schiff souverän an anderen Schiffen vorbei und bringt es auf Kurs.

Und vielleicht ist es ja doch nicht sein letztes Jahr an Bord, sein letztes Jahr unter Segeln.

Nachdenklich und lange schaue ich dem Boot hinterher. Und hab das Gefühl, selbst alles richtig gemacht zu haben. Richtig entschieden zu haben, als es darum ging, ob ich wahnsinnig sei, mit einem Schlaganfallpatienten von Kolumbien weg zu segeln. Es war vielleicht etwas wahnsinnig, aber muss man das nicht manchmal sein?

Und die Erfüllung von Träumen, auch die anderer, das gibt uns doch immer ein gutes Gefühl.

Gut eingemummelt sitzt er da, Blick hoch ins Segel, während vorne auf dem Deck seine jüngeren Begleiter die Decksarbeiten übernehmen

Gut eingemummelt sitzt er da, Blick hoch ins Segel, während vorne auf dem Deck seine jüngeren Begleiter die Decksarbeiten übernehmen

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