Monats-Archiv Februar, 2018

Leben zu viert

Leben zu viert an Bord. Wie das wohl sein wird? Besuch hatten wir ja schon mehrfach, aber immer nur für einen kürzeren Zeitraum.

Jetzt sind wir seit einigen Tagen wieder zu viert und es ist ganz anders. Denn unsere derzeitigen Mitbewohner, Silke & Peter, sind ja keine Urlaubsgäste sondern richtige Crewmitglieder. Und das merkt man gleich. Beide bringen sich sofort ein, dezent und fragend, aber tatkräftig. Wasser holen, Dinghy rudern (wenn der Aussenborder mal wieder streikt), Rigg checken, Segel prüfen, Reffleinen vorbereiten und was sonst noch alles auf der Liste steht - die zwei sind voll dabei.

Ein bisschen Sightseeing muss aber auch sein. Getsemani bei Nacht, die vielfältigen Muralla-Bemalungen, das bunte Leben auf der Strasse, die kleinen Centro Commercials (unsere kolumbianischen Shoppingmalls der etwas anderen Art), die „Schreiber“ die auf ihren hochbetagten Schreibmaschinen irgendwelche Formulare tippen oder sonstige Texte erstellen, ein dunkles Club Colombia Bier in einer lauschigen Ecke in Getsemani oder ein Bier am Plaza de la Trinidad - die Beiden saugen alles auf, probieren frittierte und mit Käse gefüllte Teigrollen oder trockenes Blätterteiggebäck, freuen sich über das Hafer-Vollkornbrot aus dem Restaurant „El Bistro“ und die Vielfalt an Früchten.

Gemeinsam stöhnen wir über die die Art zu lachen an Bord des Nachbarbootes, gemeinsam bestaunen wir das Sortiment des hiesigen Baumarktes und kaufen den gesuchten Schlauch dann doch im Bootsladen um die Ecke. Philosophieren über unser Leben und das Anderer. Ärgern uns gemeinsam über die Moral der Einklarierungsagentur, die uns für die Ausreise auf einmal nochmal 400 USD abknöpfen will. Begründung: man sei ja schliesslich während unserer Abwesenheit für das Boot verantwortlich gewesen. Häh??? Übrigens ein beliebtes hessisches Fragewort mit 3 Buchstaben …. Verantwortung übernehmen sieht für mich aber mal massiv anders aus und davon war auch nie die Rede. Vor allem nicht, als wir für die Verlängerung der naja’schen Aufenthaltsgenehmigung schon einmal mit 600 USD zur Kasse gebeten wurden. Plus die gut 200 USD, die wir bei unserer Einreise berappt haben. Mir schwillt der Kamm, ich zücke sämtliche Papiere und Rechnungen und errege mich über den geforderten Preis. Die Problematik wird auf Manana vertagt, was aber diesmal in unserem Sinne ist. Und oh Wunder, über Nacht reduziert sich der Preis auf 200 USD. Immer noch ein echtes Schnäppchen, aber wenn es dann damit erledigt ist. Leider haben wir keine Alternative. Der zweite hier arbeitende Agent, David, kann unsere Ausklarierung zwar auch übernehmen, aber dann würden weitere Kosten für uns entstehen. Verstehen wir ja auch. Die White Light Agency wird also nun unsere Ausklarierung übernehmen. Aber wenn wir nochmal hierher kommen sollten, würden WIR unsere Einklarierung nur noch mit David machen! William Arroyo und sein Mitarbeiter Jose, der Sohn des 2016 verstorbenen früheren TO-Stützpunktleiters Manfred Alwardt, sind aus unserer Sicht jedenfalls sehr gewinnorientiert und der Meinung, das Segler ein dickes Portemonnaie haben. David ist übrigens telefonisch unter ……. und per Email unter ……. erreichbar. Schickt man ihm vorab eine Email mit Kopien der Reisepässe und der Schiffspapiere, bereitet er die Einklarierung schon vor. Man trifft ihn meist vormittags im Restaurant des Club Nautico hier in Cartagena an. Mit David bespreche ich noch einmal unsere Problematik und er bestätigt mir, dass es eine komplizierte Situation ist in unserem Fall und wir mit den 200 USD aber ganz gut weg kämen.

Wir ertränken unseren Kummer dieses Mal in Kaffee. Für Rotwein war es selbst mir noch zu früh und trösten uns mit kleinen Teilerfolgen. Peter rückt unserem Stromverlust zu Leibe und findet heraus, dass die zweite LIMA ziemlich warm wird. Zieht man ein Kabel von der Lima ab, funktioniert plötzlich wieder unser Ladestrom via Solar und Windgenerator. Statt 3 Ampere raus gehen auf einmal wieder einige Ampere rein, obwohl mehrere Verbraucher eingeschaltet sind. Also muss Cesar, der Mechaniker nochmal antanzen.

Den Rest des Tages verbringen wir in der Altstadt, holen Werners reparierten Naja-Ohrring bei Shaddai ab, einem wirklich schönen Laden für kolumbianische Smaragde. Die Inhaberin ist auch sehenswert, aber die Preziosen sind nicht nach unserem bzw. meinem Geschmack, grün ist einfach nicht meine Farbe und wir kommen nicht ins Geschäft. Noch ein Abschiedsfoto, die Chefin bedankt sich für unser Vertrauen (immerhin lag der Ohrring nun mehrere Wochen hier im Laden und wartete auf seine Abholung).

Der Aussenborder streikt wieder, wir rudern das mit Wasserkanistern und vier Personen gut ausgelastete Schlauchboot gemütlich zum Schiff zurück. Darin haben wir ja nun schon Übung, müssen nur aufpassen, dass Silke nicht völlig übermüdet vom Steuerbordschlauch ins Wasser kippt.

Der Tag klingt schnell aus an Bord, allgemeine Müdigkeit regt sich. Noch die heute sehr zahlreichen Feuerwerke bewundern, dann geht es in die Kojen. Leise schleicht noch ein Segelboot heran, ist auf der Suche nach einem Ankerplatz, argwöhnisch von mir beobachtet.


Fotos

Landed! Besser spät als nie

Wir stehen auf dem Flughafen von Cartagena. Oder besser gesagt: wir liegen. Auf harten, unbequemen Bänken. Überbrücken die Zeit bis zur Ankunft unserer Freunde.

Das Flughafencafé schliesst, Tische und Stühle werden weg geräumt, die Böden werden gefegt und gewischt. Müdigkeit und Klimaanlage lassen mich frieren - wir wechseln unseren Standort und setzen uns draussen auf den Boden, an die Wand gelehnt, wie viele andere auch. Taxis kommen und gehen. “Heeeelo-Heeeeelo” ruft ein nächtlicher, einsamer Strassenverkäufer. Soll das vielleicht Eis sein? Aber wie ein Eiswagen sieht das Fahrrad mit dem grossen Alutopf auf dem Gepäckträger eigentlich nicht aus. Wir erkundigen uns schonmal nach dem offiziellen Fahrpreis für die Strecke nach Manga. Die offiziellen Taxis sind meist grösser und mit einem richtigen Kofferraum ausgerüstet. Das erscheint uns für den Transport von 4 Erwachsenere plus Gepäck als die passendere Taxivariante. Geht man ums Eck rum, kann man für etwas weniger Geld mit einem der kleinen Taxis fahren. Wollen wir aber heute nicht, wir gucken nur, wie das hier so vonstatten geht.

Endlich kommen sie an, unsere Freunde und Mitsegler für die nächsten 2 Monate.  Hindernisreich war der Weg hierher zu uns für die Beiden. Eisgang auf der Schlei, Wassereinbruch in ihrem schwimmenden Zuhause, dann die Weigerung der Fluggesellschaft, sie in Frankfurt in den Flieger zu lassen. Begründung: in dem Visa für die USA (es war ein Zwischenstop in Punta Cana flugtechnisch vorgesehen)  sei eine Zahl falsch. Willkür, Vorsichtsmassnahme seitens der Gesellschaft? Fakt war: die Freunde waren gestrandet in Frankfurt, viele Euros für Flugtickets und Zusatzgepäckstück in den Sand gesetzt. Guter Rat war im wahrsten Sinne des Wortes teuer, bezahlbare Tickets mussten gesucht werden. Mit Unterstützung eines anderen Freundes wurden dann letztendlich neue Flüge gebucht und so stehen wir nun erwartungsfroh hier und starren gebannt auf die Ankunftstafel. Als der Flug, der eigentlich nach dem unserer Freunde landen sollte, als bereits “landed” angezeigt wird, rutscht mir schon das Herz in die Hose - wieder was schief gegangen, Flugzeug abgestürzt??? Ich ziehe mich selbst am Ohr, gar nicht dran denken. Die ersten Fluggäste kommen angeschlendert, freudig begrüsst von wartenden Angehörigen oder sich leicht orientierungslos umsehend. Neben uns schreit ein besonders eifriger Taxifahrer jedem der Ankömmlinge “Taxi, Taxi, here Taxi” entgegen. Ein zweiter Fahrer versucht den ersten noch an Lautstärke zu überbieten und ich bin kurzzeitig versucht, mein Organ auch mal zum Einsatz zu bringen. Aber vielleicht werd ich dann verhauen oder vom Platz gestellt? Die Jungs haben eindeutig kräftige Oberarme und können ziemlich finster gucken, ich verkneife es mir also lieber.  Dann springt die Anzeige auch für “unseren” Flug auf “landed” um und nach gefühlt endlosen weiteren Warteminuten kommen die Freunde aus dem Terminal raus. In dicker Winterjacke, mit Jeans und schweren Taschen, aber glücklich. Landed!

Mit dem Taxi geht es zum Schiff. Was ist das? Die Eingangstür zum Club Nautico ist verschlossen und weit und breit kein Pförtner zu sehen. Der Skipper randaliert, Peter will übers Tor klettern (was unser Problem jetzt auch nicht unbedingt lösen würde, stünden doch mehrere Taschen, 2 nicht so kletterfreudige Damen und ein noch weniger kletterbegabter Herr weiterhin draussen). Der Aussenborder hat zu dieser Stunde auch keine Lust auf Arbeitseinsatz und verfällt in beharrliches Schweigen. ‘Rudern wir halt, die Bewegung tut uns gut nach dem langen Flug’, die Freunde greifen beherzt zu den Paddeln und ab geht es. Als alles an Deck gewuchtet ist sitzen wir noch bis in die frühen Morgenstunden in der Pflicht und quatschen, freuen uns, dass sie jetzt bei uns angekommen sind.

wir zeigen ihnen das Nachtleben in Getsemani

Erster Landausflug mit Peter und Silke: wir zeigen ihnen das Nachtleben in Getsemani

In der Tiefe meines Herzens - ein Bekenntnis

In der Tiefe meines Herzens - ein Bekenntnis

Ich liebe den Wechsel der Jahreszeiten. Den Wechsel zwischen zartem grün zu sattem grün, zu herbstbunt und winterkahl. Ich liebe es, die Wärme der Sonne aufzusaugen, zu geniessen und will nicht vor ihrer gnadenloskeit in den Schatten flüchten. Ich mag nicht immer auf der Schattenseite der Strasse gehen weil ich es in der Sonne nicht mehr aushalte und ausser Sonnenbrand einen Sonnenstich und Kopfschmerzen bekomme. Ich hasse es, Sonnenhüte egal welcher Art, aufsetzen zu müssen, um mein Hirn vorm ausdörren zu bewahren. Ich liebe den Schnee, die frostklaren Tage mit dem blauen Himmel und den weissen Konturen der Bäume. Klirrende Kälte draussen, wohlige Wärme drinnen, wärmenden Tee, kuschelige Kleidung und Decken. Die Stille der Natur, die Ruhe wo andernorts nur Lärm ist, überlaute Musik, Geschrei und Getöse.

Ich trinke gerne, aber ich mag es nicht, mich kurz vor dem verdursten zu fühlen.

Ich sitze gerne an Deck aber ich hasse es, auf ihm einen Stepptanz hinzulegen, weil meine Fußsohlen beim drüberlaufen versengt werden.

Ich bewege mich gerne, laufe und gehe spazieren - aber nicht in der Dunkelheit oder ausschliesslich zwischen 6 und  7 Uhr morgens.

Ich liebe die Kühle der Kirchen - hier sind selbst die Kirchen aufgeheizt.

Ich liebe es barfuss zu gehen, in leichter Kleidung. Aber wenn selbst die leichtestes Kleidung innerhalb kürzester Zeit an mir klebt und ich mich verschwitzt fühle, obwohl ich gerade erst geduscht habe, das mag ich nicht!

Ich mag es nicht, wenn mein Deo versagt und ich 5 x am Tag das Gefühl habe, unter die Dusche zu müssen.

Ich liebe Europa, seine Kultur, seine Vielseitigkeit, seine Vielfalt, seine Jahreszeiten. Vielleicht kann ich auch Länder wie die USA oder Kanada oder Neuseeland lieben. Nur wer nie fort war, weiss das zu schätzen, was er in seiner Heimat hat.

Ich liebe es, zu reisen und zu spüren, was ich wirklich liebe. Zu vermissen und zu geniessen, wenn ich zurück komme. Aber auch, zu vermissen, was ich dann nicht mehr habe, wenn ich wieder zu Hause bin. Die Sehnsucht nähren nach dem weg sein, während ich zu Hause bin und die Sehnsucht nach zu Hause, wenn ich weg bin. Wandern zwischen den Welten, bin ich da will ich fort, bin ich fort will ich da sein. Oder vielleicht auch nicht? Vielleicht sehne ich mich auch nach einem Ort, wo ich das Gefühl habe, wirklich hin zu gehören, angekommen zu sein?

Trübsal, da bläst sie

Trübsal, da bläst sie

Eigentlich würden wir uns jetzt auf den Weg zum Flughafen machen. Eigentlich. Stattdessen sitzen wir an Bord, verdauen den Lachs, schnabulieren Chips und Süssigkeiten. Versuchen, etwa Gutes an diesem Tag zu finden. Der Skipper ist erfolgreich: die Linsen für eine Linsensuppe sind eingeweicht worden, er freut sich schon auf die Suppe. Die Bordfrau dagegen findet nix Gutes am Tag … halt, doch: der Rotwein von Teneriffa, ein Fundstück in der Backskiste, schmeckt noch gut. Und die Partyboote fahren am Abend extrem langsam, damit die Gäste nicht über Bord fallen oder mehr vom Abend und der Trommelfell zerfetzendenMusik haben. So wie wir auch. Aber das nur am Rande.

Ich gebe mich dem Trunk hin oder besser gesagt dem Rotwein. Ertränke meinen Kummer, der mich auf vielfältige Weise heute heimgesucht hat. Probleme mit der Lichtmaschine und dem Strommanagement, so fing es eigentlich harmlos an. Dicht gefolgt von der Nachricht, dass unsere Freunde und Mitsegler, die wir heute Abend am Flughafen in Empfang nehmen wollten, in Frankfurt aus dem Flugzeug geholt wurden. Eine Zahlenunstimmigkeit zwischen Reisepass und Visa sagt die Fluggesellschaft, Willkür sagen unsere Freunde (und auch andere). Fakt ist, das die Freunde aus dem Flugzeug gezerrt werden und in Frankfurt stehen bleiben. Guter Rat ist im wahrsten Sinne des Wortes teuer. Ein Last-minute Flug wird ihnen für schlappe 1.000 Euro plus 300 Euro von Bogota nach Cartagena angeboten. Ein echtes Schnäppchen, denn wohlgemerkt für 1 Person. War Last minute nicht irgendwann mal bekannt dafür, preiswert zu sein??? Aber vielleicht hätten die Flüge ja auch regulär das doppelte gekostet. Es ist auch wurscht. und auch wie verhext. Da haben die beiden eine Leckage mit Wassereinbruch an ihrem schwimmenden Zuhause gut gemeistert und sich auf den Weg zu uns gemacht, haben alle Klippen in Form von Visa etc. umschifft und dann sowas!!

Uns holt unsere Realität hier ein: Margarita die Segelmacherin steht parat, nimmt noch einmal Mass für Winschhutzen und Sonnensegel. Wir bewundern die unkonventionelle Art, eine Schablone unserer Wischenn anzufertigen, es wird hier und dort gezappelt, die Stirn liegt in ebensolchen Falten wie unser neuer Sonnenschutz. Ein Bügel wäre hier hilfreich. Aber um ebendiesen wollten wir uns ja drücken. Also muss Margarita sich was einfallen lassen und vielleicht ein, zwei Abnäher in die Masse von Stoff setzen? Auch die neue Regenauffangpersenning (tolles Wort!) ist viel zu lang geworden. War da nicht bei der ersten Anprobe ein Massband im Einsatz??? Nochmal anpassen, falten, knicken, nicken, aha, ähem,, Persenning wieder einpacken. Wann wird es fertig? Montag, ja Montag klingt gut. Nicht, dass wir nicht letzten Montag schonmal soweit gewesen wären. Viva Colombia.

Mir ist jetzt eh schon alles egal, ich schmiede Pläne bezüglich Visa-Verlängerung für uns, Ferroalquimar erneut aufsuchen, Boot an Land stellen, Verlängerung fürs Boot ergattern, Heimfliegen, neuer Versuch, uns und das Schiff von Kolumbien weg zu bringen. Irgendwann wird es schon klappen.

Oder doch neue und zeitnahe Flüge für die Freunde & Mittsegler finden, die in Frankfurt gestrandet sind und glücklicherweise bei einem Bruder Unterschlupf fanden? Den Plan mit einer geringfügigen Zeitverzögerung umsetzen?

Kaum sind die Persenningleute weg, erobern die Elektroniker das Schiff. 3 Mann hoch, gut gelaunt, widmen sie sich der Aufgabe, unsere Lichtmaschinen zum Laden zu bewegen und den Drehzahlmesser zum drehen. Die Aktion endet damit, dass unsere Navigationsinstrumente nicht mehr arbeiten (Sicherung durch??) und beide Lichtmaschinen als defekt ausgebaut wurden. Wie jetzt??? Die eine ist doch quasi nagelneu, noch nicht wirklich benutzt und schon kaputt?? Die Rechnung suchen wir vergeblich - es finden sich so ziemlich alle Belege, nur jene nicht!. Was uns tröstet, ist die Aussage, dass wir auf das Teil eh keine Garantie hätten. Der Skipper ist stinkig und handelt den angebotenen Reparatur- und Installationspreis erstmal runter. Nutzt ja nix, Strom muss her wenn Sonne und Wind auf sich warten lassen. Und in der Reihe unserer PPP’s (Pleiten, Pech & Pannen) kommt es darauf auch nicht mehr an.

Dazwischen fetzen sich Skipper und Bordfrau wegen Banalitäten (z.b. die Sinnhaftigkeit einiger Anschaffungen, die eigentlich nur von A nach B geräumt werden, Platz wegnehmen, Ballast darstellen und nie gemäss ihrer ursprünglichen Bestimmung genutzt werden - es handelt sich hier um Gennaker, Wassermacher und noch einiges),  trauert die Bordfrau um einen früheren Chef. Der, nur ein Jahr älter, sein Leben hinter sich gelassen und ins Reich der Toten gegangen ist. Das rückt vieles zurecht, haben wir wirkliche Probleme? Nein, keine, die nicht irgendwie lösbar wären. Auch wenn sie sich grad so hoch wie die Hochhäuser von Boccagrande vor uns auftürmen. Der Blick durchs Rotweinglas mit dem leckeren Tropfen von Tacoronte, einerseits getrübt, aber irgendwie auch geschärft, das Boot in der nächtlichen Dünung nur noch leicht und wohlwollend wippend, die Dinghis gesichert, eine leichte Brise bringt Abkühlung. Leben, lebenswert, bunt, schillernd, abwechslungsreich. Man wächst an seinen Herausforderungen und Aufgaben. Wachsen oder einknicken? Heute Mittag war ich nur noch müde, abgestumpft, resigniert. Die Trauer um einen Menschen, von denen es mehr geben könnte. Einen, den ich eigentlich nur beruflich kannte und der trotzdem ein wichtiges Stück meines Lebens irgendwie präsent war; einen, den man vermisst, der zu früh gegangen ist; der nur ein Jahr älter war. Das lässt vieles in anderem Licht erscheinen, lässt mich aufwachen. Schärft den Blick fürs Wesentliche, fürs wirklich Wichtige. Wo bin ich in einem Jahr? Auf jeden Fall dann im gleichen Alter. Und vielleicht wieder oder immer noch in Cartagena? Hier gestrandet, hängen geblieben, wie so mancher? Oder auf einem ganz anderen Weg??

Aber jetzt und hier hülle ich mich in Schweigen, verfalle in Wortlosigkeit. Ist alles gesagt zwischen uns oder haben wir irgendwann auch wieder Worte für uns? Für unsere Gemeinsamkeit? Nicht nur der Blick verändert sich, auch die Wahrnehmung, die Empfindlichkeit. Wechseljahre mit Wellengang - hier am Anker mit seinen äusserst wellig-bewegten Zeiten, bekommt das eine ganz neue Bedeutung.

Wir drehen uns, im Leben wie auch hier um unseren Anker. Ich übe mich in Geduld und im Dinghy-Fahren. Ramme unvorteilhafte geparkte Lanchas beim Ausparken im Club Nautico, touchiere die ebenso unvorteilhaft hochgeklappten Propeller eines anderen Bootes, verwechsele Vor- mit Rückwärts, gebe zuviel Gas, wundere mich über den Musikgeschmack der Kolumbianer (meist in der Kategorie Mamp-mampf-Discostampf angesiedelt) und freue mich über seltenen Oldies, die übers Wasser zu uns herüber schallen. Gestrandet in Cartagena - ich wollte es nie, muss ich mich jetzt mit diesem Gedanken anfreunden oder wehre ich mich weiterhin standhaft mit Händen, Füssen und allem was mir sonst zur Verfügung steht? „Stand by me…“ klingt es übers Wasser … ich denke mal nicht weiter darüber nach!

Skyline von Manga bei Nacht

Skyline von Manga bei Nacht

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