Einklarieren müssen wir in Providencia noch einmal. Denn wir haben Kolumbien ja offiziell verlassen, ausklariert. Eine Prozedur, die wir heiss und innig lieben und gerne auch mal etwas rausschieben. Aber nutzt ja nix. Irgendwann müssen wir ran.

Punktich wie die Maurer stehen wir am Dinghy Dock, werden freundlich gegrüsst von den zahlreich ins Verwaltungsgebäude ein- und austretenden Menschen. Fast ausschliesslich mit einem freundlichen „Good morning“. Englisch ist hier ‚usual‘, viele sprechen es leidlich bis sehr gut. Um 9 Uhr wollte Mr. Bush, der lokale Agent, hier sein. Ob wir vielleicht mal gucken, wo er sein Büro hat?

Werner bleibt als Wachposten am Dinghy zurück, der Rest der Truppe fragt sich durch. Der Ort ist überschaubar und irgendwie zuckersüss. Am Pier wurden gerade Paletten voll mit Waren angeliefert. Die werden jetzt verteilt, abgeholt und auf vielfältige Weise transportiert.

Vier Supermärkte, diverse Läden mit Allerlei (von Plastikpötten über Kleidung bis zum Kühlschrank ist alles im Angebot), eine Panaderia, ein Hostal uvm reihen sich an der Hauptstrasse und einer Seitenstrasse aneinander. Hübsche Holzhäuser mit schnörkeligen Balkonen, farbenfroh aber nur selten grell und aufdringlich stehen dazwischen. So hatte ich mir eigentlich die Orte der Karibik und auf Jamaica vorgestellt. Unsere Herzen gehen auf, wir fühlen uns etwas an die Illes des Saintes erinnert. Ein Hund verfolgt mit lautem Gebell die Mopeds und werden vom Beifahrer mit mässigem Erfolg weggejagt. Auf einem Balkon unterstützt eine strategisch günstig platzierte Hundemeute den Kollegen auf der Strasse mit lautem Gebell. Die Vierbeiner sind wohl für Verkehrsberuhigung und mögen das nervige Mopedgejaule nicht.

Mr Bush kennt hier natürlich jeder und so bekommen wir auch den Weg zu seinem Büro gut erklärt. Leider ist der gute Mann nicht anwesend. Vielleicht doch zum Dinghy Dock hin unterwegs? Wir fragen im Laden unter dem Büro nach und 3 nette Damen helfen uns mit einem Anruf und spanisch-englischen Erklärungen weiter. Zum Port Office müssten wir. Das sei weiter hinten in der Bucht. Mit dem Dinghy könnten wir hinfahren.

Wir tuckern also los und finden tatsächlich neben einem Hangar-Ähnleichen Gebäude einen Steg, an dem ein Behördenboot festgemacht ist. Ganz frech gehen wir längsseits und gleich kommt Mr Bush angeschossen mit dem Port Captain im Schlepp. Nein, nein, auf den Strand sollen wir fahren. Nach kurzer Erklärung darf der Käptn am Steg aussteigen und die Crew fährt mit dem Dinghy in die Stadt zurück.

Die Einklarierung hier verläuft wieder mal neu für uns: an einem grossen Besprechungstisch werden wir nach freundlicher Begrüßung mit einem kolumbianischen Kaffee begrüsst. Neben Mr. Bush sind noch der Port Captain (ein ganz junger, sehr netter Mensch), eine Dame von der Immigration, eine weitere Dame (Funktion unklar aber nett) sowie ein Herr von der Immigration anwesend. Dokumente werden hin und her geschoben, wir erläutern, warum wir hierher und nicht wie geplant nach Jamaica gesegelt sind, müssen eine kurze Erklärung dazu ausfüllen, alle Papier werden kopiert, die Pässe begutachtet und eingesackt. Wenn wir morgen schon wieder wieder segeln, kostet uns der Spass hier nix, ansonsten müssen wir für ein Touristenvisum ca. 180 Dollar berappen (für uns vier).

Auf dem Golfcar geht es mit Mr. Bush und dem Herrn von der Immigration zurück in den Ort. Vorbei an weiteren Gebäuden im Zuckerbäckerstil auf einer Strasse, die man auch unbesorgt zu Fuss entlang wandern kann.

Morgen schon weiter, 180 Dollar sparen - klingt erstmal verlockend. Aber Stress sind wir ja nun nicht gerade gewohnt und es gibt doch noch das ein oder andere am Boot zu richten. Und überhaupt, wo wir schon mal hier sind, würden wir uns eigentlich auch gerne noch ein bisschen an Land umschauen, in Ruhe nach Internet und dem Wetter gucken Und wer weiss schon, wann wir wieder so tolles Wasser zum schwimmen haben. Wir sind uns relativ schnell einig und beschliessen, noch zu verweilen. Wir haben zwar eine Zeitbegrenzung durch unsere Mitsegler, aber so eng ist der Zeitrahmen dann auch wieder nicht, dass ein paar Tage auf diesem reizenden Eiland nicht drin wären.

Nach all den wichtigen Entscheidungen und Aktionen stellt sich Frühstückshunger und Kaffeedurst ein. Also zurück an Bord. Um 15 Uhr sollen wir eh wieder bei Mr. Bush sein und ihm unsere Entscheidung mitteilen. Silke müssen wir fast gewaltsam von einem Hund losreissen, der offensichtlich verletzt und stark abgemagert im Schatten eines kleinen Platzes vor sich hin dämmert, nicht mehr aufstehen kann. Während ich schon gelernt habe, lernen musste, weg zu sehen bei dem vielen tierischen Elend in diesen Länden, schaut sie noch hin und überlegt, wie zu helfen wäre. Wasser, Futter - für ein paar Tage und was dann? Mitnehmen können und wollen wir ihn nicht, hier zum Tierarzt bringen und wer übernimmt dann die Verantwortung für ihn? Gibt es hier überhaupt einen Tierarzt? Ist unsere Hilfe eine Verlängerung der Qualen oder hilft es ihm, doch wieder auf die Beine zu kommen? Sollte man einfach aus dem Herz heraus handeln oder muss man sich wirklich Gedanken machen? Spontanes Handeln als Durchreisender?

Eine so schöne Insel und geht so hässlich mit den vierbeinigen Bewohnern um. Zumindest für unsere Maßstäbe und aus unserer Sicht- und Denkweise heraus gesehen. Graue Wolken ziehen über die Berge und verdunkeln nicht nur den Himmel sondern auch unsere Herzen.