Leben zu viert an Bord. Wie das wohl sein wird? Besuch hatten wir ja schon mehrfach, aber immer nur für einen kürzeren Zeitraum.

Jetzt sind wir seit einigen Tagen wieder zu viert und es ist ganz anders. Denn unsere derzeitigen Mitbewohner, Silke & Peter, sind ja keine Urlaubsgäste sondern richtige Crewmitglieder. Und das merkt man gleich. Beide bringen sich sofort ein, dezent und fragend, aber tatkräftig. Wasser holen, Dinghy rudern (wenn der Aussenborder mal wieder streikt), Rigg checken, Segel prüfen, Reffleinen vorbereiten und was sonst noch alles auf der Liste steht - die zwei sind voll dabei.

Ein bisschen Sightseeing muss aber auch sein. Getsemani bei Nacht, die vielfältigen Muralla-Bemalungen, das bunte Leben auf der Strasse, die kleinen Centro Commercials (unsere kolumbianischen Shoppingmalls der etwas anderen Art), die „Schreiber“ die auf ihren hochbetagten Schreibmaschinen irgendwelche Formulare tippen oder sonstige Texte erstellen, ein dunkles Club Colombia Bier in einer lauschigen Ecke in Getsemani oder ein Bier am Plaza de la Trinidad - die Beiden saugen alles auf, probieren frittierte und mit Käse gefüllte Teigrollen oder trockenes Blätterteiggebäck, freuen sich über das Hafer-Vollkornbrot aus dem Restaurant „El Bistro“ und die Vielfalt an Früchten.

Gemeinsam stöhnen wir über die die Art zu lachen an Bord des Nachbarbootes, gemeinsam bestaunen wir das Sortiment des hiesigen Baumarktes und kaufen den gesuchten Schlauch dann doch im Bootsladen um die Ecke. Philosophieren über unser Leben und das Anderer. Ärgern uns gemeinsam über die Moral der Einklarierungsagentur, die uns für die Ausreise auf einmal nochmal 400 USD abknöpfen will. Begründung: man sei ja schliesslich während unserer Abwesenheit für das Boot verantwortlich gewesen. Häh??? Übrigens ein beliebtes hessisches Fragewort mit 3 Buchstaben …. Verantwortung übernehmen sieht für mich aber mal massiv anders aus und davon war auch nie die Rede. Vor allem nicht, als wir für die Verlängerung der naja’schen Aufenthaltsgenehmigung schon einmal mit 600 USD zur Kasse gebeten wurden. Plus die gut 200 USD, die wir bei unserer Einreise berappt haben. Mir schwillt der Kamm, ich zücke sämtliche Papiere und Rechnungen und errege mich über den geforderten Preis. Die Problematik wird auf Manana vertagt, was aber diesmal in unserem Sinne ist. Und oh Wunder, über Nacht reduziert sich der Preis auf 200 USD. Immer noch ein echtes Schnäppchen, aber wenn es dann damit erledigt ist. Leider haben wir keine Alternative. Der zweite hier arbeitende Agent, David, kann unsere Ausklarierung zwar auch übernehmen, aber dann würden weitere Kosten für uns entstehen. Verstehen wir ja auch. Die White Light Agency wird also nun unsere Ausklarierung übernehmen. Aber wenn wir nochmal hierher kommen sollten, würden WIR unsere Einklarierung nur noch mit David machen! William Arroyo und sein Mitarbeiter Jose, der Sohn des 2016 verstorbenen früheren TO-Stützpunktleiters Manfred Alwardt, sind aus unserer Sicht jedenfalls sehr gewinnorientiert und der Meinung, das Segler ein dickes Portemonnaie haben. David ist übrigens telefonisch unter ……. und per Email unter ……. erreichbar. Schickt man ihm vorab eine Email mit Kopien der Reisepässe und der Schiffspapiere, bereitet er die Einklarierung schon vor. Man trifft ihn meist vormittags im Restaurant des Club Nautico hier in Cartagena an. Mit David bespreche ich noch einmal unsere Problematik und er bestätigt mir, dass es eine komplizierte Situation ist in unserem Fall und wir mit den 200 USD aber ganz gut weg kämen.

Wir ertränken unseren Kummer dieses Mal in Kaffee. Für Rotwein war es selbst mir noch zu früh und trösten uns mit kleinen Teilerfolgen. Peter rückt unserem Stromverlust zu Leibe und findet heraus, dass die zweite LIMA ziemlich warm wird. Zieht man ein Kabel von der Lima ab, funktioniert plötzlich wieder unser Ladestrom via Solar und Windgenerator. Statt 3 Ampere raus gehen auf einmal wieder einige Ampere rein, obwohl mehrere Verbraucher eingeschaltet sind. Also muss Cesar, der Mechaniker nochmal antanzen.

Den Rest des Tages verbringen wir in der Altstadt, holen Werners reparierten Naja-Ohrring bei Shaddai ab, einem wirklich schönen Laden für kolumbianische Smaragde. Die Inhaberin ist auch sehenswert, aber die Preziosen sind nicht nach unserem bzw. meinem Geschmack, grün ist einfach nicht meine Farbe und wir kommen nicht ins Geschäft. Noch ein Abschiedsfoto, die Chefin bedankt sich für unser Vertrauen (immerhin lag der Ohrring nun mehrere Wochen hier im Laden und wartete auf seine Abholung).

Der Aussenborder streikt wieder, wir rudern das mit Wasserkanistern und vier Personen gut ausgelastete Schlauchboot gemütlich zum Schiff zurück. Darin haben wir ja nun schon Übung, müssen nur aufpassen, dass Silke nicht völlig übermüdet vom Steuerbordschlauch ins Wasser kippt.

Der Tag klingt schnell aus an Bord, allgemeine Müdigkeit regt sich. Noch die heute sehr zahlreichen Feuerwerke bewundern, dann geht es in die Kojen. Leise schleicht noch ein Segelboot heran, ist auf der Suche nach einem Ankerplatz, argwöhnisch von mir beobachtet.