Ein Jahr Deutschland, ein Jahr ohne Schiff. Ein Jahr mit Jahreszeiten, mit Autofahren, mit Waschmaschinen, warmem Wasser aus der Dusche, mit Socken an den Füssen und frieren im Winter. Mit faszinierenden Bildern von weiss verschneiten Landschaften und einem Frühlingsgrün, das uns flasht. Ein Sommer mit wenig Schwitzen. Ein Jahr Zeit mit Familie und Freunden und doch war es nicht genug Zeit.

Den Skipper packt irgendwann die Sehnsucht, Flüge werden gebucht und ab da strahlt er nur noch, der Mann an meiner Seite. Wie weg geblasen ist die Schwermut. Und ich? Gespalten sind meine Gefühle. Hätte ich es doch gut noch hier ausgehalten. In dem Land, über das alle meckern und das ich so sauber, so übersichtlich, so bequem finde. Ja bequem. Wie in einen alten, geliebten Wanderschuh bin ich in dieses Land eingestiegen. Nach über 4 Jahren hab ich wieder intensiv in Deutschland gelebt. Hab längst nicht alles abgearbeitet was auf der Wunschliste stand. Und jetzt heisst es wieder einmal „Taschen packen“. Panikattacken kommen auf bei den Gedanken an Gewichts- und Zollkontrollen (natürlich nur fürs Gepäck) , an Check-In-Schlangestehen, an auspacken was so liebevoll eingeräumt wurde. Haben wir auch alles, was ist wichtig, was muss mit, was kann, was sollte. Last minute Shopping und Abschiedsrunden drehen. Mit dem Schiff losfahren war irgendwie einfacher, damals, 2012.

Und dann - nach zig Stunden Bahnfahrt und Flugzeit haut uns ein warmer Luftschwall am Flughafen von Cartagena de Indias ins Gesicht. Ewig braucht die zweite Tasche, bis sie auf dem Gepäckband erscheint. Uff, alles noch drin, Tasche ordentlich verschlossen. Jetzt nur noch ab ins Taxi. Wie war nochmal der Fahrpreis? Eines der kleinen gelben Gefährte rumpelt mit uns über die Pisten und stoppt schliesslich vor dem Tor zur Werft Ferroalquimar. Alles ist so vertraut.

Jose, Jorge und andere Werftarbeiter fallen uns erst um den Hals und reissen uns dann das Gepäck aus den Händen. Ratzfatz ist alles an Deck verstaut und jetzt haut es uns erst einmal richtig um: überall zentimeterdicker Staub und Vogeldreck. Sobald die Finger irgendetwas berühren, sind sie schwarz vor Dreck.

Die nächsten Tage kommen wir erstmal an, putzen uns durchs Schiff. Sortieren aus, werfen weg, wischen und waschen. Gewöhnen uns wieder daran, über eine Leiter in unser Heim zu klettern und mit dem Bus zum Einkaufen zu fahren. „Caracoles“ und „Pasacaballo“, so heissen unsere Bus“linien“ und die Preise sind auch noch unverändert. Manchmal werden wir skeptisch beäugt oder angesprochen: wo wir wohl hinwollen. Man ist skeptisch, dass wir wissen, was wir tun. Und immer ist man hilfsbereit, bietet uns Sitzplätze an, schleppt die Taschen zum Ausgang, ist beim Ausstieg behilflich.

Die Tage vor Weihnachten wirken auch hier in Cartagena trubeliger. Auf den Gehwegen sind am Wochenende noch mehr Verkaufsstände aufgebaut. Mit Pappe von der sengenden Mittagssonne dürftig geschützt. Den meisten Umsatz machen die Verkäufer der lecker erfrischenden Frucht-Limonaden. Mangarinas Limonade für den Skipper, Lemon für mich.

Einkaufen, Essen gehen im Espiritu Santo - wir verirren uns wieder gnadenlos in den Gassen von Cartagena’s Altstadt und stellen mit Entsetzen fest, das die Touristeninfo jetzt nur noch am Muelle zu finden ist.  Der liegt ausserhalb der Stadtmauer und für unsere Flip-Flop geplagten Füsse definitiv zu weit weg. Also fragen wir uns einfach durch, an vielen Ecken stehen Polizisten, die kompetent Auskunft geben. Der Heimweg im Bus führt meist am Bazurto vorbei. Fischgeruch hängt in der Luft, auch wenn die meisten der Fischstände bereits geschlossen sind. Pelikane und weisse Reiher sitzen immer noch auf der Lauer, warten auf ihren Obulus. Und vor der Einfahrt zum Baumarkt-Parkhaus stauen sich die Autos.

So heiss und sonnig die Tage, so luftig-windig die Nächte. Angenehm zum Schlafen. Oft ziehen wir uns sogar eine leichte Decke über die Schultern und den Rücken. Von der Werft nebenan klingt die Einschlafmusik herüber: es zischt und rattert, rüttelt und klopft. Hier wird Rost geklopft, gesandstrahlt oder geschweisst - und das vorzugsweise in der Nacht. Ab ca. 3 Uhr in der Früh ist Feierabend und es wird ruhig. Bis die Tagschicht antritt und es ab 7:30 wieder weiter geht, untermalt vom „pütschüpü“ der hiesigen Vögel.

so plätschern die Tage vor sich hin und Weihnachten hat sich still und leise genähert. Die Nachbarn (brasilianisch-amerikanische Mischung wobei die Bordfrau ausnahmsweise mal den amerikanischen Teil ausmacht!) laden uns ein, mit ihnen im Leihwagen in die Stadt zu fahren. Das klingt gut. Und am Weihnachtstag könne man doch einen Drink zusammen nehmen. Ansonsten ist es ruhig hier auf dem Boatyard, keine Community, kein besonderes Get-together der Segler, kein Strandbarbecue wie auf Grenada …. das fehlt uns. Umso schöner ist es, mit der Familie per WhatsApp sprechen zu können, die Lieben daheim zu sehen und so ein klein wenig „dabei sein zu können“.

Wir wünschen allen unseren Lieben, unseren Freunden, Bekannten ein frohes Weihnachtsfest, schöne Feiertage und einen guten Start in ein hoffentlich wundervolles, Glückliches und gesundes neues Jahr 2018!