Idylle in Daehre

Idylle in Daehre

Wie im Rausch

Grün ist die Hoffnung, grün macht blass, grüne Ampel, grün-grün-grün. Wieviele Bezeichnungen und Varianten gibt es für/von dieser Farbe? Hellgrün, dunkelgrün, tannengrün, lindgrün, froschgrün, giftgrün, moosgrün, frisches grün, sattes grün ….grün grün grün. Grün ist die Hoffnung, grün ist Balsam für Auge und Seele … und die Farbe des Frühlings. Ganz eindeutig.

Lichtdurchflutet liegt der Wald links und rechts der Landstrase. Die sich über weite Teile fast schnurgerade durch die Landschaft wellt, über kleinere Erhebungen hinauf und dahinter geht es wieder sanft ins Wellental. Alles im Fluss und doch kein Wasser weit und breit. Dafür viel Landschaft und eben viel ….. genau: grün! Das Herz wird weit, die Seele lacht und jubelt. Soooo schön. Momente, in denen ich das Cabriolet vermisse. Fahren ohne Dach, da kommt dieses grün noch viel näher, man atmet alles tiefer ein, saugt Gerüche und Eindrücke auf bis zum schwindelig sein.

Ein helles, frisches grün umgibt uns. Suggeriert Licht, Helligkeit, Sonne,  wo sich schon längst wieder hinter einer bedrohlich dunklen Regenwolkenwand verkrümelt hat. Birken wedeln mit ihren Blättern im Wind, die weissen Stämme vermitteln Leichtigkeit. Sind es meine Lieblingsbäume? Irgendwie schon, irgendwie aber sind alle Bäume meine Lieblinge. Oder sind es vielleicht doch eher die mit den massiven, braunen Stämmen, deren üppige Kronen sich über die Strasse neigen, ein dichtes Dach bilden, uns durch einen Tunnel fahren lassen.

Aber auch die hohen und doch kompakten Lindenbäume rund um den alten Bahnhof des kleinen Ortes Daehre faszinieren. Nicht zuletzt auch mit ihrem Duft, der zart und angenehm süsslich zu uns herunter weht. Der Geruch von grün: hier bekommt er neue Dimensionen.   Beschützend umgeben sie das alte Bahnhofshaus, das - schon kurz vor dem Zerfall - jetzt wieder aus seinem Dornröschenschlaf gerissen und aufgebretzelt anstatt der Abrissbirne preis gegeben wird. Die Gleise sind längst entfernt, das Gleisbett fast vollständig von Bäumen, Sträuchern und viel Gras zurück erobert. Die Natur ist zäh und erstaunlich schnell im Ringen um ihr angestammtes Terrain. In der Regenrinne des Daches spriessen Gräser und es wundert uns nicht, das uns die neuen Hausbesitzer von einer jungen Birke im Eingangsbereich erzählen. Die Birke ist Vergangenheit. Die Gegenwart und Zukunft hält Einzug in Form von neuen Fenstern, Estrich, einem Bad, einer selbst gebauten Küche und vielem mehr. Holzöfen heizen den dicken, im Sommer angenehme Kühle spendenden Mauern kräftig ein. Sonnenstrahlen schieben sich durch jede kleine Lücke im Geäst der Lindenbäume und wärmen angenehm. Vogelzwitschern und blökende Schafe - Landleben von seiner schönsten Seite. Dazu ein blauer Himmel mit weissen Wolken besetzt, von weiter hinten strahlt noch ein Rapsfeld herüber.

„Hier waren Deutschland und Europa bis zum 18. November 1989 um 6 Uhr geteilt“.

Grenzübergang, Ex-

Grenzübergang, Ex-

Unweit von Daehre kündet ein Schild am Strassenrand von einer früheren Zeit. Eine Art Grenzübertritt also für uns? Auch so viele Jahre danach und ohne wirkliche Grenze ist es irgendwie merkwürdig. Fast ein klein wenig wie die Äquatorüberquerung. Man sieht nix, es verändert sich nix und trotzdem ist da was. Hier jedenfalls sind die Strassen in einem besseren Zustand, die Häuser wirken dafür etwas maroder und streckenweise noch etwas „grau“. Ansonsten bieten Raiffeisenhandel, Discounter und Supermärkte, rote Dächer und Backsteinhäuser inmitten sattem Grün und gelbem Raps, Kirchtürme und Bauernhöfe ein vertrautes Bild. Stumme Zeitzeugen in Form eines alten Kasernengebäudes verstecken sich hinter hohen Büschen und Bäumen, blinzeln aus leeren Augen auf die vorbeifahrenden Autos, die sie kaum noch wahrnehmen. Grün ist eh grenzenlos.

Alte Bahnhofsauffahrt - heute führt sie einfach nur ins Grüne

Alte Bahnhofsauffahrt - heute führt sie einfach nur ins Grüne