Monats-Archiv Oktober, 2016

It’s Lunchtime

Und gaaaanz da hinten links, da ist ferroalquimar, da liegt naja

Und gaaaanz da hinten links, da ist ferroalquimar, da liegt naja

Einladung zum „open house“, einem english conversation lunch table. Berit und Dan holen mich ab in einem neuen Offroader. Wie luxuriös, in einem solchen Auto durch die Strassen von Boccagrande zu fahren, auch wenn es nur wenige Meter sind und ich die Strecke gut hätte laufen können. Mit dem Lift geht es direkt in den elften Stock und in das Apartment der Beiden.

Was für eine Aussicht von hier oben: der Blick geht über die Bucht von Cartagena, aufs Meer hinaus. Irgendwo dahinten liegt Ferroalquimar, liegt naja. Unter uns liegt der Strand. Leben in einem Hochhaus, für mich bisher unvorstellbar. Jetzt revidiere ich meine Meinung. Die grosszügige  Wohnung, die Balkone, die offenen hellen Räume - das hat schon auch was.

Immer mehr, meist junge Leute treffen ein, die Vorstellungsrunde beginnt. Berit und Dan sind vollendete und doch lockere Gastgeber, denen es gelingt, sich bis dato weitgehend fremde Menschen in Kontakt zu bringen. Sie stellen Fragen, halten das Gespräch im Fluss, nehmen den im englischen noch nicht ganz so sicheren Gästen die Befangenheit. Gelöstes Plaudern, Lachen. Hier sitzen Tänzer, Sänger, Marketingleute, Touristenagenten neben Anwälten, Hausfrauen, Rentnern und Studenten. Einige absolvieren ein freiwilliges soziales Jahr, engagieren sich im Kindergarten eines Barrios, andere unterrichten Englisch oder dolmetschen.

Dann wird zu Tisch gebeten. Spaghetti-Bolognaise mit grossen Salat- und Obstschüsseln dazu. Die Tischgespräche werden lauter, lockerer, man tauscht Telefonnummern aus. Es ist eine entspannte, offene Runde, die sich füreinander interessiert und miteinander austauscht. Mulitkulti, offen gelebt. Und 3 Deutsche sind mittendrin.

Boccagrande - Blick aus dem 11. Stock

Boccagrande - Blick aus dem 11. Stock

Und es werde Licht

Empty - weg iss unser Motor, der Motorraum ist ungewohnt leer und obendrein luftig

Empty - weg iss unser Motor, der Motorraum ist ungewohnt leer und obendrein luftig

F

Fertig zum Ausbau - naja ist in Position, der Kranwagen rollt an

Fertig zum Ausbau - naja ist in Position, der Kranwagen rollt an

rust-Resignation-Wut-Verzweiflung-wird schon werden …. ….facettenreich sind unsere Gefühle derzeit. Oder vielleicht nur meine? Der Käptn wütet stoisch und unverdrossen, schneidet unseren Plichtboden mal mit dem Fein auf, mal bearbeitet er die Stützstreben mit der Flex. Plötzlich ist es ganz hell in unserem sonst so mukkelig-dunklen Motorraum. Der Käptn frotzelt „mach doch mal das Licht aus im Motorraum, was für eine Verschwendung von Strom“. Komm se rein, können se rausschaun ist das derzeitige Motto in diesem Teil naja’s. Derweil demontieren Charly sen und Charly jun unseren Motor, sorgen für eine erneute Flutung unserer gerade erst geleerten und gesäuberten Bilge. Völlig konsterniert beobachte ich den steigenden Wasserstand - wo kommt das her????? Es plätschert - irgendwas machen die Jungs da grad nicht so richtig. Das Plätschern stoppt, die Bilgenpumpe kommt erstmal zum Einsatz und sorgt für niedrigeren Pegel. Von oben werden wir auch noch geflutet, es regnet. Wir liegen mittlerweile wieder aussen an Skyfall. Gegen 9 Uhr standen die Jungs parat, um uns a) zu drehen und b) an die Aussenseite von Skyfall zu legen. Wir können ja nicht ewig die Travelliftbox blockieren und heute soll um 10 Uhr ein Katamaran an Land gehoben werden. Immerhin bekommen wir Strom von dem mächtigen Schwimmkran, das Arbeitsteam dort - allen voran ein netter Holländer - hat uns ins Herz geschlossen und hilft uns gerne. Und warum das alles? Angefangen hat es mit zu niedrigem Öldruck. Nach einigem Hin und Her wurden Leitungen gewechselt, Ölpumpe repariert etc. Der Öldruck blieb zu niedrig. Ölprobe wurde entnommen. Schwarzes Öl nach knapp 2 Betriebsstunden? Kann nicht sein, darf nicht sein. Nochmal Ölwechsel, Motor läuft für knapp 10 Minuten. Fazit: zu niedriger Öldruck und Öl (frisches!) schon wieder schwarz. Ausserdem glänzt es metallisch. In der zur Ölbank (was es alles gibt) gebrachten Probe werden Spuren von Metall gefunden - gar nicht gut. Gleich mehrere Mechanicos bestätigen das. Denn der gut englisch sprechenden Mechanik von Skyfall wird ebenfalls noch zu Rate gezogen. Vor so viel Fachwissen kapitulieren wir die Maschine muss raus. Hilft alles nix. Der Käptn spricht mit Tenor Jesus, seines Zeichens Werftmanager. Der verspricht, die Aktion so preiswert wie möglich zu gestalten. Irgendwie hat er uns wohl ins Managerherz geschlossen. Doch vor dem rausnehmen steht die Demontage - siehe oben. Und binnen kurzem verwandelt sich ein halbwegs aufgeräumtes, wieder bewohnbares Schiff in eine Such- und Find Höhle. Überall liegen Motorteile oder Werkzeug, gleich 3 Männer suchen permanent irgendwas und Frau fühlt sich schlichtweg überfordert, das gewünschte zu finden. Wie war das: nur das Genie überblickt das Chaos. Auf naja könnte sich so manches Genie richtig austoben! Chaos ist unser zweiter Vorname. Wo ist nur der 13er Schlüssel geblieben? Und wo der 2. Schlauch für die manuelle Bilgenpumpe?? Auf unerklärliche Weise waren beide Gegenstände eben noch hier in Gebrauch und sind jetzt spurlos verschwunden …. echt spannend - denn wo die wohl wieder auftauchen?? Die Bordfrau entzieht sich dem Chaos und flüchtet samt komplettem technischen Equipment in den klimatisierten Aufenthaltsraum. Der wird mittlerweile von diversen anderen Werftbewohnern lautstark okkupiert und so komme ich in den Genuss, an diversen Skype-Gesprächen auf französisch und spanisch teilhaben zu dürfen. Irgendwann schreit der Käptn nach mir: Margarita, die liebe Segelmacherin hat unser Grosssegel und die neue Segeltasche gebracht. Dabei dachten wir, das ganze bei ihr abholen zu müssen…. spanisch ist manchmal sehr spanisch. Und kaum widme ich mich wieder der Technik schreit der Käptn schon wieder: es geht los! Wie jetzt, jetzt schon??? Ist schon alles am Motor abgebaut??? Ich kann es nicht glauben und es ist auch nicht so. Die ganze Aktion wird morgen fort gesetzt und wir basteln uns erst einmal einen provisorischen Boden in unserer Plicht. Die auf einmal - ohne unsere raumgreifende Tischkonstruktion - viel grösser wirkt. Teller auf den Knien balancieren und gleichzeitig vorm Absturz in ein gähnendes, gigantisch grossen Loch im Fussboden zu bewahren - das erscheint uns allerdings zu viel an Herausforderung. Also organisiert der käptn 2 Latten zur Unterstützung des bisherigen Fussbodenteils. Und schon ist das ganze wieder ganz passabel begehbar und das Leben am Abgrund hat ein Ende. Bleibt die Frage: machen wir gleich Nägel mit Köpfen und ändern den Standort unserer Steuersäule, lassen den kompletten Plichtboden erneuern oder kochen wir auf Sparflamme und rekonstruieren alles wieder? Ich beschliesse jedenfalls, heute nicht mehr von Bord zu gehen. Trotze tapfer den Moskitoattacken und schlürfe ganz nebenbei die letzte Flasche kanarischen Weines in mich hinein. Ein Tropfen von Las Palmas - erinnert an eine wunderschöne Zeit auf den kanarischen Inseln, an ein Silvesterfest mit Freunden auf Las Palmas, an eine schöne, irgendwie entspannte Zeit. Obwohl die Atlantiküberquerung vor uns lag und wir nicht wussten, ob wir das alles so wirklich meistern. Lichtjahre her scheint das alles zu sein. Und trotzdem fest eingebrannt auf die interne Festplatte. Unvergesslich, Momente für die eigene Ewigkeit. Wie und wo werden wir wohl die jetzige Zeit in Cartagena in 2 Jahren reflektieren? Es bleibt spannend, so oder so.

Da geht er hin - der tapfere Perkins. Wann wir ihn wohl zurück bekommen?

Da geht er hin - der tapfere Perkins. Wann wir ihn wohl zurück bekommen?

Wieder im Wasser

Noch lange nicht fertig aber immerhin schon wieder im Wasser! Und das Team von Ferroalquimar ist einfach klasse.

Die 3 von Ferroalquimar - Kranteam

Die 3 von Ferroalquimar - Kranteam

Unser Kranführer lernt nebenbei noch fleissig Englisch. Einen arg zerfledderten Zettel mit Vokabeln präsentiert er uns und fragt uns Löcher in den Bauch, malt Zahlen in den Boden und will wissen, wie die auf Englisch ausgesprochen werden. Englisch in der Schule? Fehlanzeige, nur wenn man genug Geld hat. Hatte seine Familie nicht. Ich bin beschämt, weil sein Englisch viel besser ist wie mein Spanisch. Mir fehlt wohl der Ehrgeiz

Unser Kranführer lernt nebenbei noch fleissig Englisch. Einen arg zerfledderten Zettel mit Vokabeln präsentiert er uns und fragt uns Löcher in den Bauch, malt Zahlen in den Boden und will wissen, wie die auf Englisch ausgesprochen werden. Englisch in der Schule? Fehlanzeige, nur wenn man genug Geld hat. Hatte seine Familie nicht. Ich bin beschämt, weil sein Englisch viel besser ist wie mein Spanisch. Mir fehlt wohl der Ehrgeiz

Was uns grad so bewegt

Das Schiff jedenfalls bewegt sich eher weniger. Was ja auch gut ist wenn round about 20 Tonnen Schiffslebendgewicht auf ein paar spiddeligen Böcken ruhen. Wenn da Bewegung rein käme …. nein, nicht weiter drüber nachdenken!

Wir dagegen bewegen uns ganz gut. Leiter runter, Leiter rauf, hin und her zwischen Dusche, Boot, Geldautomat, Verkaufsstelle für Gefrierfisch (sehr praktisch), Bushaltestelle, Supermärkten und Segelmacher.

Segelmacher ist denn auch das aktuelle Stichwort. Waren doch unser Grosssegel Reparatur- und änderungsbedürftig. Sprayhood und Lazy Bags ebenfalls. Letzte Woche alles zum Segelmacher unseres Vertrauens gekarrt (Benjamin Herrera und seine Tochter Margarita), jetzt wieder abhol bereit. Also erstmal zum Olympca Supermarkt, die Obst- und Gemüsevorräte aufstocken. Dann bepackt wie die Esel ein paar Meter weiter zu Herreras. Der Nachbar hat einen kleinen Transporter und karrt uns gegen ein Entgelt und wortgewaltig zum Boatyard zurück, bis vor die Leiter! Der Wachmann stellt dann noch sein Gewehr ab und hilft beim an Deck ziehen der ganzen Plünnen. Ja, richtig gelesen: hier ist man tatsächlich bewaffnet. Allerdings war uns das bisher noch nie aufgefallen, ist wohl neu, aus gegebenem Anlass? Die im Wachmann-Büro aufgefundene Schlange kann jedenfalls nicht der Grund dafür sein. Die wurde erschlagen und nicht erschossen. Nicht, das ich ihr hätte lebend begegnen wollen, aber gleich umbringen wäre vielleicht ja doch nicht nötig gewesen. Aber so sind sie, die Menschen.

Und was uns sonst noch so bewegt, zeigen die Fotos hoffentlich auch ohne Worte ganz gut :-)

Beim Segelmacher - warten aufs Taxi

Beim Segelmacher - warten aufs Taxi

mit grüner Umrandung - Anregung für zukünftige Farbgestaltungen?

mit grüner Umrandung - Anregung für zukünftige Farbgestaltungen?

warten auf den Bus

Foto.JPG

nicht nur wir warten auf den Bus mit der Aufschrift “Pasacaballo”, auch diese Herrschaften warten auf den Bus. der kleine unauffällige grüne Kasten beherbergt eine Uhr. damit werden Passierscheine abgestempelt. die beweisen dann irgendjemand, das der Bus zu einer bestimmten Uhrzeit eine bestimmte Stelle passiert hat. haben wir schon öfter gesehen, waren aber noch nie so nah dran

Von meinem iPhone gesendet

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