Mobil sein in Cartagena Mobilität wird in Cartagena gross geschrieben und kaum jemand bewegt zu Fuss über längere Strecken. Bei der Hitze aber auch verständlich. Die bevorzugten Transportmittel sind Taxis, die sog. Moto’s (relativ kleine, wendige Motorräder) und die binten, laut quietschenden Busse. Dazwischen bewegen sich Handkarren, von Eseln gezogene Karren und natürlich auch viele Privat-PKW. Nicht zu vergessen die meist langschwänzigen furchteinflössenden Trucks. Um dem Verkehrschaos etwas Einhalt zu gebieten, gibt es an bestimmten Wochentagen Fahrverbote für PKW mit bestimmten Kennzeichen und jeden 2. und letzten Freitag im Monat dürfen keine Moto’s fahren. Dann sind zwar die Strassen etwas freier, die Busse und Taxis dafür voller. Fährt man an einem ganz normalen Tag mit dem Bus quer durch die Stadt, muss man Zeit haben. Es gibt keine festen Haltestellen, keine Kollektivausstiege, jeder Fahrgast bekommt seinen ganz individuellen Ausstieg. Und der liegt manchmal nur knapp 5 Meter vom letzten Stopp entfernt. Ständig hört man das Wort „Parada“ Manchmal höflich ergänzt mit ‚Senor‘ oder ‚Por favor‘. Manchmal überhört der Fahrer es auch geflissentlich und lässt den Bus nochmal ein paar Meter weiter rollen. Dann wird das Parada schon deutlich energischer und auch schonmal mit Pfiffen oder klopfen gegen die Buswand begleitet. Das Anfahren und Abbremsen wird immer akustisch untermalt vom Knirschen des Getriebes, dem ganz speziellen Quietschen der Bremsen, von buntem Geblinke der Lichter vorne beim Fahrer und vom lauten Rufen des Busbegleiters. Der ist zuständig für Ein- und Ausstieg, für die Akquisition der Fahrgäste, fürs kassieren und dafür, dass noch mindestens zwei Fahrgäste reinpassen, wo eigentlich gar kein Platz mehr ist. Da wird den glücklichen Sitzplatzinhabern dann schon mal der ziemlich harte Inhalt einer Tasche gegen Arm oder Kopf gepresst. Hat man einen Bus mit Plastiksitzen, rutscht man ziemlich unruhig auf diesen umher und fragt sich, ob es wirklich bequemer ist, zu sitzen. Vielfältige Gerüche wehen an meiner Nase vorbei. Die Aussicht nach draussen ist weitgehend versperrt, für die Stehplatzinhaber sowieso. Meist sind die Scheiben als Sonnenschutz noch grossflächig verklebt. Ich bin immer froh, wenn sich der Bus in Richtung meines persönlichen Stopps (Ferroalquimar) einigermassen geleert hat und ich mein markantes Zeichen, die 2. Terkel-Tankstelle im Blick habe. Immer fährt auch irgendein Heiliger oder Christus höchstselbst mit. Bunte Bilder zieren die Busse und gute Schutzengel sind auch unerlässlich. Denn auf den Strassen Cartagena gilt nur eine Regel: Sieger ist, wer am besten drängelt, am lautesten hupt, am riskantesten überholt oder sich am schnellsten in Luft auflöst. Es wird gequetscht, geschnitten, beschleunigt und abgebremst, das die Schwerkraft ihre wahre Freude hat. Schlange vor der Ampel, alle wollen gerade aus, der Bus kommt von hinten auf und ärgert sich, das die Spur für Rechtsabbieger blockiert ist. Also mal eben auf die Gegenfahrbahn ausweichen und alle überholen. Blöd, wenn dann ein Auto entgegenkommt und auch noch auf seinem Fahrbahnrecht beharrt, echt dreist. Macht aber nix, der kann ja eh nicht weiter. Also einfach mal so nach rechts reingedrängt und abgebogen, die Ampel ist ja inzwischen grün. Ein Hindernis (gerne ein Taxi, das erst noch den Fahrpreis mit dem potentiellen Fahrgast aushandelt oder sonstwas diskutiert) auf der Fahrspur? kein Problem, ziehen wir mal eben nach links rüber. Erbostes Hupen der anderen Verkehrsteilnehmer wird mit ebenso lautem und klangvielfältigem Hupen beantwortet. Die Moto’s lassen sich davon nicht beirren und ziehen trotzdem noch an dem Eindringling vorbei, weichen dabei auch schon mal auf den Gehweg oder einen Grasstreifen aus. Da ist man absolut flexibel. Ein Wunder, dass es nicht zu mehr Unfällen kommt! Ist der Bus am Nachmittag nicht ganz so voll, springen immer wieder Strassenverkäufer auf. Die quatschen dann monoton über die gerade angebotene Ware, meist Süssigkeiten. Von draussen ruft es auch oft monoton durch die geöffneten Fenster „Aquaquaquacolaquaqua“ oder es werden Schweisstücher angeboten. Dann springt ein jüngerer Ratsamen in den Bus. „Bewaffnet“ mit einem Kasten und einem Mikrofon. Was hat der denn vor? Er positioniert sich genau neben meinem linken Ohr und dreht den Kasten an. Rapmusik ertönt und vom Rasta wird der passende „Gesang“ geliefert. Vor und zurück geht es im Bus, manchmal bin ich froh, dass mein Spanisch nicht so gut ist. Unbeteiligt wie meine Nebenfrau schaue ich aus dem Fenster, interessiert mich alles gar nicht, hoffentlich hört der bald auf. Endlich können meine Ohren aufatmend, viele Fahrgäste applaudieren und er bekommt wohl auch etwas Geld in dieTasche. Nebenfrau und ich sind weiterhin umkooperativ und geben nix. Haben wir nicht bestellt, bezahlen wir auch nicht. Kaum ist er draussen, betritt eine Gesundheitsapostel die Bühne, zieht kleine Tüten mit dem Aufdruck „Arnica Marihuana“ heraus. Es gibt Arnika Marihuana??? Monoton wird die Ware angepriesen und versucht, jedem Fahrgast eine Tüte in die Hand zu drücken. Kopfschütteln meinerseits. Wer weiss, wer das alles schon in den Flossen hatte…. Ist der Monolog beendet, werden die Tüten wieder eingesammelt oder er bekommt das Geld dafür. Mühsames Geschäft, aber immerhin wird etwa verkauft und nicht einfach gebettelt. Irgendwo bewundere ich diese Menschen ja, wer würde das in Deutschland schon durchhalten? Busfahren in Cartagena - bunt, lebendig, erlebnisreich und vielleicht auch gefährlich. Definitiv aber preiswert: für jede Strecke bezahlt man 2000 COP, das sind derzeit knapp 80 Cent. Dafür bis zu 1,5 Stunden Unterhaltungsprogramm vom Feinsten - wo bekommt man das heutzutage schon noch? Denn draussen zieht die ganz verschiedenartige Welt Cartagena’s vorbei: kleine Shops, grosse Shoppingmalls, Restaurants, Bars, Wohnhäuser, Sportplätze. An einer Ecke wird an einem kleinen Stand Fleisch verkauft, an einer anderen wird Teig zu kleinen Rollen verarbeitet die dann nebenan frittiert werden. Gigantisch grosse Melonen werden in einem Laden verkauft, nichts als Melonen. Gewogen in einem riesigen Netz. Nebenan sitzt der Sack-Verkäufer relaxt auf einem Stuhl, liest die Zeitung. Hinter ihm stapeln sich die Säcke. Ob der überhaupt mal was verkauft? En Lastwagen quält sich rückwärts in eine Strasse hinein, die Autos hinter ihm finden das gar nicht gut und stehen wie fest gebacken. Platz machen? Im Leben nicht! Lieber wird laut gehupt und auf sich aufmerksam zu machen. Am Bazurto Markt stinkt es ganz vielfältig; die bevorzugte Geruchsnote entstammt aber eindeutig den Fischständen. In den Läden gegenüber wird neben Klamotten und Plastikteilen aller Art jede Menge Weihnachtsdeka angeboten. Ein ärmlich gekleideter Mann springt mit einem Schild auf die Strasse, stoppt damit den Verkehr für Fussgänger und haut sich bei seinem wilden Rumgefuchtelt das Schild fast selbst auf den Kopf. Wenn man aber glaubt, mit dem Taxi sicherer unterwegs zu sein, so wird man oft auf eindrucksvolle Weise vom Gegenteil überzeugt: Stau in Bockgrande? Kein Problem, überholen wir doch einfach mal alle brav wartenden Autos links und quetschen uns weiter vorne dazwischen. Riskieren diverse Male einen Beinah-Auffahrunfall und lachen über andere Taxis, die sich in bewährter Manier beim Vordermann reindrängen wollen - was der aber gekonnt zu verhindern weiss. Angst um sein Blech darf man hier definitiv nicht haben. Ich dagegen habe Angst um mein Leben, eine Airbag suche ich in der Taxi-Knutschkugel vergebens. Endlich ist der Weg frei - oh, ein Polizeiauto - macht nix, links, rechts, dran vorbei. Mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit geht es an der Polizia vorbei. Aber die juckt das überhaupt nicht. Erleichtert atme ich auf: wir sind angekommen, ich habe mein Ziel wieder einmal unbeschadet erreicht. Zur Diskussion steht jetzt allerdings definitiv, welches Beförderungsmittel das gefährlichere ist! Die Moto’s habe ich noch nicht ausprobiert, das was ich tagtäglich von ihnen an Fahrkünsten sehe, vom Bus aus, reicht mir vollkommen. Zwei Räder in Reihe, Motor dran, Elke drauf - fällt um! Unter diesem Motto lehne ich mit e inem leichten Kopfschütteln immer jedes Mitfahrangebot dieser Spezies ab. Das unberührt geradeaus gucken der kolumbianischen Damenwelt habe ich im übrigen auch schon ganz gut drauf.

Praktische Hineise:

Die Busse haben ihr Hauptfahrziel gross vorne auf die Scheibe geschrieben. oft sehr verschnörkelt und manchmal schwer lesbar. Mit den Bussen „Pascaballo“ oder „Caracoles“ kommt man dem Boatyaard Ferroalquimar ins Zentrum Cartagena und zahlt für diese Strecke 2000 Pesos. Die Busse haben den Fahrpreis ebenfalls an der Seite oder vorne anstehen. Auf manchen steht auch „2100 Pesos“. Die Einheimischen geben aber immer einen 2000er Schein und es wird auch nie mehr verlangt. Gibt man einen grösseren Schein kann es aber passieren, das man dann das Wechselgeld auf 2100 zurück bekommt. Vom Zentrum nach Bockgrande fahren Busse mit der Aufschrift Bocagrande. Kosten hierfür ebenfalls 2000 Pesos. Sicherheitshalber sollte man immer nachfragen, ob der Bus ins Centro fährt oder auf der Rücktour fragen: Mamonal? Es gibt auch Busse, die in den Ortsteil Caracoles fahren, der liegt aber ein gutes Stück von der Via Mamonal entfernt und passiert diese auch nicht. Der Pasacaballo Bus fährt eine etwas andere Route wie der Caracoles und passiert dabei 2 Olympica-Supermärkte, zum Einkaufen also ganz praktisch. Fährt man von Boccagrande zurück ins Centro kommt der Bus am Supermarkt „Megatienda“ und an einem namens „Ara“ vorbei. man kann also gut hier aussteigen, einkaufen und dann auf einen Caracoles Bus warten. Achtung, mache der Bocagrande-Busse fahren auf der Rücktour von Boccagrande nach Manga. Von dort muss man dann ein gutes Stück zu einer Haltestelle für Caracoles oder Pasacaballo Busse laufen. Steigt man in der Nähe des Castillo aus, landet man zentraler für die Rückfahrt und kann dann auf den Caracoles Bus warten. Am Abend fahren diese und die Pasacaballo Busse seltener und sind entsprechend gut gefüllt. Ein Taxi von Manga nach Ferroalquimar kostet 20.000 Pesos, von Bockgrande nach ferroalquimar (Mamonal) kostet normalerweise 25000 Pesos, von der Werft nach Boccagrande habe ich früh am Morgen auch schon nur 22000 bezahlt. Fahrten von Manga ins Zentrum sollten nicht mehr wie 5-6000 Pesos kosten. Zum Flughafen haben wir zwischen 13000 und 15000 Pesos bezahlt. Manche Taxifahrer fragen auch, was man bezahlen will. Ob das ein Test ist, inwieweit man die normal üblichen Preise kennt? Jedenfalls rücken sie dann relativ mit dem normalerweise üblichen Fahrpreis raus. Manche versuchen auch, die 2100 Pesos für die Maststation auf den Fahrpreis aufzuschlagen. Passiert aber selten. Die Motos nehmen angeblich die Hälfte des Taxipreises. Dafür ist man wahrscheinlich schneller am Ziel, da sich die wendigen Motos gut an allen grösseren Fahrzeugen vorbei mogeln.

Leihwagen kann man auch mieten, macht aber kaum ein Gringo. Der Verkehr ist den meisten einfach zu nervenaufreibend und gefährlich.